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Naturkatastrophen

Erdbeben in Köln – was wäre wenn?

Forscher spielen Katastrophen-Szenario für die deutsche Großstadt durch

Köln
Forscher haben untersucht, welche Folgen ein Erdbeben der Magnitude 6,5 für die deutsche Großstadt Köln hätte. © jotily/ iStock.com

Beben in der Domstadt: Was würde passieren, wenn sich bei Köln ein Erdbeben der Stärke 6,5 ereignet? Dieses Szenario haben deutsche Geoforscher nun simuliert – mit teils erschreckenden Ergebnissen. Demnach könnte es tausende Verletzte und hunderte Tote geben. Gleichzeitig würden Stromausfälle, Ausfälle der Kommunikation und Schäden an der Infrastruktur die Rettungsarbeiten massiv behindern. Vorbereitet wäre die Stadt auf ein solches Szenario nicht, so das Fazit.

Hier in Deutschland kennen wir die verheerenden Auswirkungen schwerer Erdbeben meist nur aus den Nachrichten. Doch auch bei uns gibt es tektonische Schwächezonen wie den Rheingraben, in denen sich Spannung im Untergrund aufstaut und Erdbeben auslösen kann. „Statistische Analysen zeigen, dass in der Niederrheinischen Bucht etwa alle 100 bis 300 Jahre mit einem Beben der Stärke 5,5 zu rechnen ist. Mit einem Beben der Stärke 6,5 ist etwa alle 1.000 bis 3.000 Jahre zu rechnen“, erklärt Gottfried Grünthal vom Deutschen GeoForschungszentrum Potsdam (GFZ).

Epizentrum
Epizentrum des fiktiven Bebens und Ausdehnung des am stärksten betroffenen Epizentralgebiets. © GFZ Potsdam

2,4 Millionen Menschen betroffen

Doch welche Folgen hätte ein solches Erdbeben in Deutschland? Das hat nun eine Expertengruppe im Auftrag des Bundestags untersucht. Für das simulierte Szenario gingen die Forscher von einem Beben der Magnitude 6,5 am Erftsprung aus, einer tektonischen Störung rund 20 Kilometer westlich von Köln. Davon unmittelbar betroffen wären rund 2,4 Millionen Menschen, ein Großteil davon Einwohner Kölns und seines Umlands. Die Erdstöße wären im Umkreis von mehreren hundert Kilometer zu spüren.

Doch im Stadtgebiet von Köln könnte das Erdbeben erhebliche Intensitäten erreichen – zum Teil, weil die Bebenwellen durch Resonanzeffekte des Untergrunds aufgeschaukelt werden, wie die Analysen ergaben. Konkret würde die Intensität Werte zwischen VI und VIII auf der sogenannten EMS-Skala erreichen. Das bedeutet, dass die Schäden von Haarrissen in den Wänden und umfallenden Möbeln bis hin zum Kollaps älterer Gebäude reichen. „Von den geschätzten 170.000 Wohngebäuden in der Stadt könnten nach unseren Berechnungen mehr als 10.000 mäßige bis schwere Gebäudeschäden erleiden“, berichtet Cecilia Nievas vom GFZ.

Tausende Verletzte, Stromausfall und kaputte Infrastruktur

Für die Bevölkerung hätte dies fatale Folgen: Die Forscher schätzen, dass das Beben zwischen rund 200 und mehr als tausend Menschen das Leben kosten könnte. Zudem würden tausende weitere Menschen verletzt – könnten aber nur eingeschränkt versorgt werden: „Aufgrund der sehr hohen Zahl von Verletzten bei gleichzeitiger Einschränkung der Funktionalität der Krankenhäuser (z. B. bauliche Substanz, Wasser, Verkehrswege), ist davon auszugehen, dass Krankenhauskapazitäten in ganz Deutschland in Anspruch genommen werden müssen“, heißt es im Bericht für den Bundestag.

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Erschwerend kommt hinzu, dass auch die Strom- und Kommunikationsnetze geschädigt werden: „In der Folge kommt es im Epizentralgebiet und dem angrenzenden Umland zu einem mehrere Tage anhaltenden Stromausfall. Insgesamt sind rund drei Millionen Menschen von diesem Stromausfall betroffen“, so die Forscher. Die Schäden am Stromnetz und der Infrastruktur erschweren den Einsatz der Rettungskräfte und die medizinische Versorgung der Verletzten.

Hinzu kämen Probleme durch geborstene Chemikalien- und Öltanks der Industrie, Lecks im Abwassersystem und einen teilweisen Ausfall der Trinkwasserversorgung.

Gebäudeschäden
Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von schwachen (links) oder stärkeren Schäden an Gebäuden in Köln. © GFZ Potsdam

„Unzureichend vorbereitet“

Letztlich kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass Behörden und öffentliche Organisationen bei einem solchen Katastrophenfall wahrscheinlich überfordert wären. Denn während Hochwasser und Stürme in Deutschland häufiger vorkommen, so dass die dabei nötigen Abläufe vielfach geübt sind, gilt dies für Erdbeben und die damit verbundenen Auswirkungen und Probleme nicht – sie sind in Deutschland einfach zu selten.

„Die flächendeckende spezifische Vorbereitung auf ein Erdbebenereignis in den gefährdeten Regionen ist aktuell nicht gegeben“, so das Fazit der Forscher. „Verwaltungen sind häufig unzureichend auf Krisenlagen des hier beschriebenen Ausmaßes vorbereitet. Insbesondere die Aufrechterhaltung der eigenen Funktionsfähigkeit ist nicht sichergestellt.“ Aber auch Wasserversorger, Krankenhäuser und Einsatzkräfte müssten künftig gezielt auch auf ein solches Szenario hin geschult werden. (Scientific Technical Report STR20/02, doi: 10.2312/GFZ.b103-20026; Drucksache Bundestag 19/23825 (PDF))

Quelle: Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ

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