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Genetik

Erbgut der Nitrospira-Mikroben entschlüsselt

Forscher überrascht über unerwartete Bakterien-Eigenschaften

Mikroskopische Aufnahme von Nitrospira-Mikrokolonien aus dem Belebtschlamm einer Kläranlage. Die Bakterien wurden mit Hilfe fluoreszenzmarkierter Gensonden gefärbt und in der Schlammprobe nachgewiesen. © Sebastian Lücker

Ein internationales Forscherteam hat das Erbgut von Nitrospira entschlüsselt, ein Bakterium, das für den Stickstoffkreislauf der Natur und die Abwasserreinigung enorm wichtig ist. Die bei der Sequenzierung entdeckten unerwarteten Eigenschaften von Nitrospira und die überraschenden Einblicke in die Evolution des Stickstoffkreislaufs stellen die Wissenschaftler jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) vor.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Haber-Bosch-Prozess zur industriellen Herstellung von Ammoniak erfunden. Etwa 100 Millionen Tonnen des so produzierten Ammoniaks werden jährlich zur Erzeugung von stickstoffhaltigen Düngern für die Landwirtschaft verwendet. Ihr Einsatz trägt wesentlich zur Ernährung der Weltbevölkerung bei, führt aber andererseits zur Überfrachtung von Böden und Gewässer mit Stickstoff, dem Verschwinden empfindlicher Tier- und Pflanzenarten sowie zur Eutrophierung – dem „Umkippen“ – von Gewässern. Hinzu kommen Stickstoffverbindungen aus anderen industriellen Prozessen und Haushaltsabwässern.

Nitrospira spielt wichtige Rolle bei Abwasserreinigung

Die Folgen dieser Belastung für die natürlichen Systeme des Stickstoff-Recyclings, den so genannten Stickstoffkreislauf, sind noch weitgehend unbekannt. Ein wesentlicher Teil dieses Kreislaufs ist die Nitrifikation – die Oxidation von Ammoniak zu Nitrit und weiter zu Nitrat – die nur von Mikroorganismen durchgeführt wird. Für den zweiten Schritt der Nitrifikation sind hauptsächlich Nitrit oxidierende Bakterien der Gattung Nitrospira verantwortlich. Sie spielen auch in Kläranlagen eine entscheidende Rolle, da die Nitrifikation unverzichtbarer Teil der biologischen Abwasserreinigung ist.

Bislang wusste man sehr wenig über die Biologie dieser so wichtigen Mikroben, denn die Zucht von Nitrospira im Labor ist extrem schwierig. Einem Team von Forschern aus Österreich, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden ist nun mit Hilfe eines so genannten metagenomischen Ansatzes erstmals die Analyse des Erbguts eines Nitrospira-Bakteriums aus einer Kläranlage gelungen.

Nitrospira – äußerst effizientes Bakterium

Zu den überraschenden Ergebnissen dieser Studie unter der Leitung von Holger Daims und Michael Wagner vom Department für Mikrobielle Ökologie der Universität Wien zählt, dass die biochemischen Systeme zur CO2-Fixierung und Nitrit-Oxidation von Nitrospira effizienter als die anderer Nitrit oxidierender Bakterien sind. Dies erklärt die Schlüsselrolle von Nitrospira in der Natur. Zudem kann Nitrospira lebensnotwendige Energie nicht nur aus Nitrit, sondern auch aus einigen Kohlenstoffverbindungen beziehen und giftige Chlorverbindungen abbauen.

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Neue Erkenntnisse zur Evolution des Stickstoffkreislaufs

Vergleiche des Erbguts von Nitrospira mit dem anderer Nitrit oxidierender Bakterien zeigen nach Angaben der Forscher, dass die Nitrit-Oxidation sich im Lauf der Evolution mehrfach unabhängig entwickelt hat. Wichtige Gene teilt Nitrospira sogar mit Bakterien, die einen ganz anderen Schritt des Stickstoffkreislaufs durchführen. Demnach ist die Evolution des Stickstoffkreislaufs wesentlich komplexer verlaufen als bisher bekannt.

Die neuen Einblicke in die Biologie von Nitrospira sind Basis weiterer Studien mit dem Ziel, die Folgen menschlichen Handelns für den Stickstoffkreislauf besser einzuschätzen und die Abwasserreinigung zu optimieren, so die Wissenschaftler.

(Universität Wien, 13.07.2010 – DLO)

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