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Archäologie

Einzigartiges Schmuckstück aus der Mittelsteinzeit entdeckt

11.000 Jahre alter Schiefer-Anhänger könnte Ritualschmuck eines Schamanen gewesen sein

Der 11.000 Jahre alte Schieferanhänger von vorne und hinten. © Milner et al. / Internet Archeaology/ CC-by-sa 3.0

Sensationeller Fund: Im Norden Englands haben Archäologen ein 11.000 Jahre altes Schmuckstück aus Schiefer entdeckt – das erste dieser Art in ganz Europa. Auf der Vorderseite des dünnen Steinanhängers sind feine, verzweigte Linien eingraviert. Wozu der Anhänger diente, ist bisher unbekannt, die Forscher vermuten aber, dass das Schmuckstück eine rituelle Funktion besaß und vielleicht einem Schamanen gehörte.

In der Zeit vor rund 11.000 Jahren war der Höhepunkt der letzten Eiszeit gerade erst vorbei. Noch lag der Meeresspiegel der Nordsee so niedrig, dass man zu Fuß von England nach Kontinentaleuropa oder Skandinavien wandern konnte. Auf dem europäischen Festland ritzten unsere Jäger-und-Sammler-Vorfahren zu dieser Zeit bereits Tierfiguren und andere Kunstwerke auf Schiefertafeln ein, die erstaunlich gut dem goldenen Schnitt folgen, wie Funde belegen.

Im Norden Englands lebten zu dieser Zeit Jäger und Sammler in der Nähe eines ausgedehnten Schmelzwassersees, der damals einen Großteil des heutigen Pickering-Tales im Norden Yorkshires bedeckte. In den Ablagerungen dieses glazialen Sees stießen Archäologen 2015 im Rahmen des Star Carr-Ausgrabungsprojekts auf ein kleines, fast dreieckiges Schiefertäfelchen.

Ritzlinien und eine Durchbohrung

Auf den ersten Blick sah das rund drei Zentimeter große und gut drei Millimeter dünne Fundstück aus wie ein natürlich entstandenes Schieferfragment. Dennoch sammelten die Forscher es für spätere Analysen ein. Erst als Nicky Milner von der University of York und ihre Kollegen die kleine Tafel reinigten und sie sich mit Hilfe spezieller Mikroskope näher anschauten, entpuppte es sich als menschengemacht.

Die Ritzlinien auf dem Schieferanhänger in einer Detailzeichnung. © Milner et al. / Internet Archeaology/ CC-by-sa 3.0

Wie sich zeigte, sind auf der Vorderseite des Schieferplättchens feine Linien eingraviert. Sie könnten einen Baum, eine Karte oder sogar einfache Zählmarken darstellen. Am oberen Ende ist der Schiefer zudem durchbohrt, so dass das Ganze als Anhänger getragen worden sein könnte, wie die Archäologen berichten.

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„Einzigartig in Europa“

„Dieses Objekt ist einzigartig, es ähnelt nichts, was wir zuvor schon einmal in Großbritannien gefunden haben“, sagt Milner. Aus ganz Europa sei kein mittelsteinzeitlicher, gravierter Schmuckanhänger aus Schiefer bekannt. Und auch in den Seesedimenten des Vale of Pickering wurden bisher zwar durchbohrte Tierzähne, ein Anhänger aus Bernstein und eine Muschelperle gefunden, aber keine weiteren Schmuckstücke dieser Art.

„Wir können nur darüber spekulieren, wer diesen Anhänger besaß, wie er getragen wurde und was die Gravuren für seine Träger bedeuteten“, sagt Milner. Wie sie erklärt, ähnelt die Anordnung der Ritzlinien den Motiven, wie sie am Ende der Eiszeit im Süden Skandinaviens und anderswo entlang der Nordseeküste verwendet wurden. Dies könnte bestätigen, dass die Jäger und Sammler damals über die Doggerbank in Verbindung standen.

Ritualschmuck eines Schamanen?

Die Form der Gravuren könnte möglicherweise auch einen Hinweis auf den Zweck des Schiefer-Anhängers geben. Denn in Dänemark sind gravierte Bernstein-Anhänger aus etwa der gleichen Zeit gefunden worden, die als Amulette interpretiert werden, wie die Forscher erklären. Sie sollten ihren Trägern wahrscheinlich spirituellen Schutz verleihen.

„Eine Möglichkeit wäre daher, dass unser Anhänger einst einem Schamanen gehörte“, sagt Milner. Zumindest seien bei einer früheren Ausgrabung ganz in der Nähe Kopfschmucke aus dem Geweih von Rothirschen entdeckt worden, die wahrscheinlich von Schamanen getragen wurden.

„Der Fund dieses Anhängers ist eine Sensation“, konstatiert Duncan Wilson, Leiter der Organisation Historic England. „Die Ergebnisse dieser Ausgrabung haben unsere Erwartungen weit übertroffen und werden dazu beitragen, die Geschichte dieser langen und komplexen, aber bisher nur wenig verstandenen Periode der Vorgeschichte neuzuschreiben.“ (Internet Archaeology, 2016; doi: 10.11141/ia.40.8)

(University of York, 26.02.2016 – NPO)

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