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Archäologie

Einzigartige Goldschale zeugt von Sonnenkult

3.000 Jahre altes Gefäß mit Sonnenmotiv ist erster Fund dieser Art im Alpenraum

Goldobjekte
Diese 3.000 Jahre alte Goldschale mit Sonnenmotiven und die Spiralen aus Golddraht wurden in den Resten einer Bronzezeitsiedlung südlich von Wien entdeckt. © ÖBB/Frey

Goldschatz aus der Bronzezeit: Archäologen haben südlich von Wien eine 3.000 Jahre alte Trinkschale aus Gold entdeckt, die für Mitteleuropa einzigartig ist. Denn die Machart der Goldschale und ihre Sonnenmotive waren zur Bronzezeit vor allem in Skandinavien verbreitet. Der Fund im Alpenraum ist daher ungewöhnlich und könnte darauf hindeuten, dass die wahrscheinlich zu rituellen Zwecken genutzte Schale importiert war. Am Fundort  wurden zudem Siedlungsreste und weitere Gold- und Bronzeobjekte entdeckt.

Ob der Sonnenwagen von Trundholm, die Himmelsscheibe von Nebra oder Sonnenmotive auf Schmuckstücken und Kultobjekten: In vielen Kulturen der europäischen Bronzezeit spielte die Sonne eine wichtige Rolle – nicht nur als Zeitgeber für den Alltag, sondern auch als Basis für religiöse Weltanschauungen und rituelle Praktiken. Vor allem in Skandinavien, wo die Winter lang und dunkel waren, etablierte sich schon früh eine Art Sonnenkult.

Goldschale
Das Sonnenrad im Zentrum der Schale und die Kreismotive am Rand sind eigentlich typisch für nordische Sonnenkulte. © ÖBB/Frey

Nadeln, Dolche und ein Goldschatz

Doch nun demonstriert ein Fund in Niederösterreich, dass Kultobjekte mit Sonnenmotiven auch im bronzezeitlichen Alpenraum genutzt und möglicherweise sogar eigene importiert wurden. Den Beleg dafür liefern bei Ausgrabungen in Ebreichsdorf südlich von Wien gemachte Gold- und Bronzefunde. Am Rand von prähistorischen Siedlungsresten stießen Archäologen um Michal Sip von der Universität Warschau in einen ehemaligen Wasserlauf oder Sumpf auf Hunderte von Fundstücken.

„Aus dem mehrere hundert Meter langen Abschnitt haben wir schon fast 500 Bronzeobjekte zutage gefördert, darunter Nadeln, Dolche und Messer“, berichtet Sip. Unter den rund 3.000 Jahren alten Fundstücken entdeckte das Team aber auch einen echten Schatz: Im Boden nahe einer der Häuserwände lag eine rund 20 Zentmeter große Trinkschale aus dünnem, reich verzierten Goldblech. In ihr lagen zwei Armreif-ähnliche Spiralen aus gewickeltem Golddraht, einige lose Golddrahtstücke sowie ein golddurchwirkter Textilrest.

Spiralmuster und Sonnenrad

„Das ist der Fund meines Lebens für mich“, sagt Sip. Er habe schon auf mehreren Kontinenten geforscht, aber nie habe er etwas Vergleichbares entdeckt. Die Funde sind in doppelter Weise bedeutsam: Zum einen war Gold zu dieser Zeit extrem wertvoll und in Europa relativ selten. Das edle Metall war daher meist rituellen Zwecken oder hohen Würdenträgern wie Fürsten oder Priestern vorbehalten.

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Zum anderen aber ist die Machart der Goldschale ungewöhnlich: Sie ist rundherum mit eingeprägten Kreis- und Spiralmotiven verziert und zeigt in der Mitte ein großes, stilisiertes Sonnenrad. Damit zeigt das bronzezeitliche Trinkgefäß typische Motive des Sonnenkults, wie er auch aus dem skandinavischen Raum zu jener Zeit bekannt ist. Für den Alpenraum jedoch sei der Fund einer Goldschale mit solchen Motiven außergewöhnlich und bislang einzigartig, sagt der Archäologe.

„Dies ist der erste Fund dieser Art in Österreich und erst der zweite im östlichen Alpenraum“, sagt Sip. Insgesamt seien in Europa nur rund 30 solcher Schalen bekannt. Die meisten davon wurden in Dänemark, Norddeutschland und Skandinavien gefunden, eine Handvoll dieser Sonnenschalen haben Archäologen an Fundorten in Spanien, Frankreich und der Schweiz entdeckt.

Importiert oder vor Ort gefertigt?

Woher die goldene Trinkschale stammt – ob sie lokalen Ursprungs ist oder aus dem Norden importiert wurde – ist noch unklar. Die Archäologen sind noch dabei, das Material des Goldblechs genaueren Analysen zu unterziehen , um seine Herkunft bestimmen zu können. Sie halten es aber für durchaus wahrscheinlich, dass die Goldschale im Rahmen des bronzezeitlichen Fernhandels oder vielleicht sogar als Geschenk in den Alpenraum gelangte. Ein weiteres Indiz für Handelsverbindungen in den Norden sind kleine Bernsteinstücke, die ebenfalls in Ebreichsdorf gefunden worden sind.

Ausgrabungen
Die Ausgrabungen in Ebreichsdorf fanden im Vorfeld eines geplanten Gleisbaus statt. © ÖBB/Frey

Für solche Beziehungen könnte auch sprechen, dass die prähistorische Siedlung von Ebreichsdorf für ihre Zeit sehr groß und daher möglicherweise politisch und wirtschaftlich bedeutend war. Die Siedlung erstreckte sich über rund zehn Hektar, wie die anhand von Bodenverfärbungen erkennbaren Gebäuderelikte zeigen. „Damit sind nicht nur die vielen hier gefundenen Bronze- und Goldobjekte für diesen Teil Europas einzigartig, sondern auch die Tatsache, dass diese Siedlung so groß war“, sagt Sip.

Die Menschen, die diese Siedlung von 1300 bis 1000 vor Christus bewohnten, gehörten zur sogenannten Urnenfelderkultur. Diese von Westeuropa bis in den Alpenraum verbreitete bäuerliche Kultur verbrannte ihre Toten und bestattete die Überreste dann in Gefäßen aus Ton oder Holz in teilweise ausgedehnten Gräberfeldern.

„Geht in die Geschichte ein“

Die Siedlungsreste mitsamt der Gold- und Bronzefunde wurden bereits 2020 im Rahmen einer Rettungsgrabung vor einem Bahntrassenbau entdeckt, aber geheim gehalten, um Grabräuberei zu verhindern. „Das Bundesdenkmalamt hat die reich verzierte Goldschale, die Goldspiralen und Reste eines golddurchwirkten Textils aufgrund ihrer europaweiten Bedeutung sofort unter Schutz gestellt“, erläutert Christoph Bazil, Präsident des österreichischen Bundesdenkmalamts. „Mit diesem Goldschatz geht die archäologische Grabung in Ebreichsdorf in die Geschichte ein.“

Quelle: ÖBB, PAP – Science in Poland

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