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Archäologie

Edelstahl gab es schon im alten Persien

Perser produzierten chromhaltigen Stahl bereits knapp tausend Jahre vor dem Westen

Tiegel
Schlackenreste am Bruchstück eines Tiegels aus dem persischen Chahak – die darin enthaltenen Stahlreste belegen, dass die Perser diesem Stahl Chrom zusetzen. © Rahil Alipour/ UCL

Überraschend fortschrittlich: Bei uns gibt es Edelstahl erst seit gut 100 Jahren, doch im alten Persien kannte man das Rezept dafür schon vor fast tausend Jahren, wie Archäologen berichten. Belege dafür liefern Schlackenreste aus dem Iran und historische Dokumente. Demnach setzten die Perser schon damals ihren Eisenschmelzen einen geringen Anteil Chromit-Erze zu – wenn auch weniger als bei modernem Edelstahl.

Er steckt in Besteck, Töpfen oder Rasierklingen: Edelstahl wird überall dort eingesetzt, wo Stahl beständig gegen Korrosion und Rost sein muss. Hergestellt wird diese Stahlsorte, indem man dem schmelzflüssigen Stahl eine geringe Menge Chrom beimischt. Es entsteht eine Legierung, die bei modernem Edelstahl rund 10,5 Prozent Chrom enthält. In Europa wurde das Rezept für diesen Chromstahl schon 1821 entdeckt, aber erst 1912 erkannte man seinen Wert und der deutsche Stahlhersteller Krupp patentierte den ersten Edelstahl.

Geheimnisvolle Zutat in persischem Stahlrezept

Doch die Europäer waren keineswegs die ersten, die die Vorteile von chromlegiertem Stahl erkannten. Schon fast tausend Jahre früher stellten die Perser bereits Chromstahl her, wie nun Rahil Alipour vom Imperial College London und seine Kollegen herausgefunden haben. Auf die Spur brachte sie ein persisches Manuskript aus dem 10./11.Jahrundert, in dem der Gelehrte Abu-Rayhan Biruni das einzige aus dieser Zeit erhaltene Rezept für persischen Tiegelstahl beschrieb.

Für die Herstellung dieses Stahls gaben die Perser Holz- und Kohlestücke zusammen mit Eisen in ein verschlossenes Tongefäß und brachten das Metall in speziellen Öfen zum Schmelzen. Durch das Erhitzen auf rund 1.400 Grad in Gegenwart von kohlenstoffhaltigem Material entstand aus dem Eisen der sogenannte Pulad-Stahl. Laut historischem Rezept wurde der Schmelze jedoch noch eine mysteriöse Substanz hinzugefügt, die Biruni als „Rusakhtj“ bezeichnete. Worum es sich handelte, war jedoch bislang unbekannt.

Spuren von Chrom im alten Tiegelstahl

Jetzt haben die Forscher dieses Geheimnis gelüftet. Dafür analysierten sie einige Tiegelstahl- und Schlackenreste aus dem iranischen Chahak unter anderem mittels Rasterelektronenmikroskopie. Chahak war im 11. Jahrhundert ein Zentrum der persischen Stahlherstellung. Reste dieser Produktionsstätten sind dort bis heute in Form von Schlacken Gefäßscherben erhalten.

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Stahl
REM-Aufnahme eines chromhaltigen Stahlklumpens aus der Tiegelschlacke. weiß: Stahl, hellgrau: Chromit.© Rahil Alipour/ UCL

Die Analysen enthüllten: Die an der Innenseite der Tiegel-Bruchstücke erhaltenen Stahlreste enthielten ein bis zwei Gewichtsprozent an Chrom. Weitere Fundstücke erweisen sich als das Mineral Chromit. Nach Ansicht der Wissenschaftler spricht dies dafür, dass die Perser schon vor fast tausend Jahren ihrem Tiegelstahl bewusst Chromit zusetzten. Dieses Mineral könnte demnach auch die geheimnisvolle Zutat „Rusakhtj“ gewesen sein, die der persische Gelehrte Biruni in seinem Rezept erwähnte.

„Dies ist der erste Beleg für den absichtlichen Zusatz eines Chromminerals bei der Stahlproduktion“, konstatieren Alipour und sein Team. Gleichzeitig beweisen die Analysen, dass die Perser schon im elften Jahrhundert Chromstahl herstellten – lange vor der „Erfindung“ des Edelstahls in Europa. Der persische Chromstahl enthielt zwar mit rund einem Gewichtsprozent Chrom deutlicher weniger von diesem Metall als moderne Edelstähle, dennoch könnte dies dem Stahl vorteilhafte Eigenschaften verliehen haben.

Für Schwerter zu spröde

Für Waffen war der persische Chromstahl allerdings nur bedingt geeignet, wie Koautor Thilo Rehren vom Imperial College erklärt: „In einem Manuskript aus dem 13. Jahrhundert wird Chahak-Stahl wegen seiner feinen, exquisiten Maserung gerühmt. Aber die daraus hergestellten Schwerter waren auch spröde, weshalb sie bald ihren Marktwert verloren.“ Auf Dauer konnte sich der Pulad-Stahl aus Chahak daher nicht gegen die Konkurrenz aus Zentralasien und dem Nahen Osten durchsetzen.

Die neuen Ergebnisse ermöglichen es nun aber, archäologische Funde aus dem persischen Chromstahl besser von zeitgenössischen Tiegelstählen zu unterscheiden. „Unsere Analysen liefern nun einen chemischen Marker, der diese Tiegelstahl-Artefakte in Museen und archäologischen Sammlungen identifizieren und auf ihren Ursprung im persischen Chahak zurückführen kann“, sagt Alipour. (Journal of Archaeological Science, 2020; doi: 10.1016/j.jas.2020.105224)

Quelle: University College London

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