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Geowissen

Edelgase nehmen ein Taxi in die Tiefe

Silikat-Minerale transportieren Helium, Neon und Co. zurück in den Erdmantel

Dünnschliff eines Amphibolkörnchens (Mitte) © Chmee2 / CC-by-sa 3.0

Edelgase sind Eigenbrötler: Sie verbinden sich kaum mit anderen Elementen und lösen sich auch nicht so leicht, wie es andere Gase tun. Deshalb war es bisher ein Rätsel, ob und wie Helium, Neon, Argon und Co. aus der Atmosphäre ins Gestein der Erdkruste und des Erdmantels gelangen. Jetzt zeigt sich: Ein spezielles Mineral dient ihnen dabei als Taxi. Das berichten Forscher aus den USA und Großbritannien im Fachmagazin „Nature Geoscience“. Demnach besitzen Amphibole – spezielle Silikatminerale – freie Plätze in ihrer Gitterstruktur, in denen die Edelgase Neon und Helium quasi gefangen und mit in die Tiefe transportiert werden.

Die Luft, die wir atmen, ist Teil eines gewaltigen Recycling-Kreislaufs: Denn ein großer Teil des Kohlendioxids, Wasserdampfes und anderer Gase der Atmosphäre stammen ursprünglich aus dem Gestein der Erdkruste und des Erdmantels. Sie werden freigesetzt aus der aufsteigenden Lava der mittelozeanischen Rücken, aber auch bei Vulkanausbrüchen. Umgekehrt nimmt das an den Plattengrenzen in die Tiefe gedrückte Krustengestein auch immer wieder große Mengen Wasser samt den in ihm gelösten Gasen mit in die Tiefe. Soweit – so klar. Auch Edelgase werden bei vulkanischen Eruptionen aus der Tiefe freigesetzt und in die Atmosphäre abgegeben. Das zeigen Messungen an Feuerbergen weltweit.

Ob und wie diese Edelgase aber auch wieder recycelt werden – also zurück in den Erdmantel gelangen – war bisher unbekannt. Denn wegen ihrer extremen Reaktionsträgheit lösen sich Edelgase nur sehr schlecht und verbinden sich kaum mit anderen Elementen. „Analysen deuten zwar daraufhin, dass Edelgase irgendwie in den Erdmantel gelangen müssen, aber die Mechanismen dafür waren unklar“, erklären Colin Jackson von der Brown University und seine Kollegen. Es fehlte schlicht ein geeignetes Vehikel, das diese bindungsscheuen Gase quasi huckepack in die Tiefe transportieren kann.

Subduktion simuliert

Auf der Suche nach einem solchen geeigneten „Taxi“ nahmen sich die Forscher nun einen in der ozeanischen Erdkruste häufigen Mineraltyp vor, die Amphibole. Diese Silikate machen in der ozeanischen Kruste immerhin durchschnittlich bis zu zwölf Prozent aus, stellenweise sogar die Hälfte. In ihrem Experiment setzten die Forscher verschiedene Amphibolkristalle in Probenkammern, die mit einer Mischung aus Helium, Neon und Argon gefüllt waren. Um die Bedingungen bei der Subduktion zu simulieren – dem Absinken der Krustenplatte an einer Plattengrenze – erhöhten die Wissenschaftler dann den Druck bis auf 1,7 Kilobar Druck und erhitzten das Ganze auf bis zu 875 Grad Celsius. Mit Hilfe eines Massenspektrometers maßen sie dann, wie viel Edelgas das Mineral aufgenommen hatte.

Das Ergebnis war erstaunlich: „Wir haben eine bemerkenswert hohe Löslichkeit gefunden“, erklärt Koautor Stephen Parman von der Brown University. Die Amphibole hatten zwischen tausend und zehntausend Mal mehr Edelgase aufgenommen als jedes andere bekannte Mineral. Diese Affinität könnte dieses Mineral nach Ansicht der Forscher zu einem Transportvehikel für die bindungsscheuen Edelgase prädestinieren.

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Gitterstruktur eines Ampbhibols mit Fremdatomen (A) © W. Bubenik / CC-by-sa 3.0

Freie Plätze in der Ringstruktur

Warum gerade die Amphibole sich als so potente Transporteure erweisen, zeigte ein Blick in ihre Kristallstruktur: Denn diese Silikate bestehen aus einem Gitter aus ringförmig miteinander verknüpften Siliziumoxiden. An bestimmten Stellen in dieser Ringstruktur existieren freie Stellen, in die sich größere Fremdelemente einlagern können. Und genau dort, so postulieren die Forscher, muss auch das Edelgas gebunden werden.

Tatsächlich zeigte sich in den Experimenten, dass genau die Amphibol-Varianten am meisten Helium oder Neon aufnahmen, die die meisten solcher freier Stellen in ihrer Struktur besaßen. „Das ist vermutlich das erste Mal, dass jemand identifiziert, wo genau sich Edelgase in einem Mineral einlagern“, sagen Jackson und seine Kollegen. Ihrer Schätzung nach könnte das Amphibol Helium, Neon und Co bis in Tiefen von rund 100 Kilometer bringen. Weiter unten übernehmen dann vermutlich andere Minerale mit einer ähnlichen Ringstruktur den Transport.

Wichtig sind die neuen Erkenntnisse nicht nur für die Erklärung, wie das geologische Recycling der Edelgase funktioniert. Sie könnten auch dazu beitragen, die Reise auch anderer Gase in die Tiefen der Erde künftig genauer erforschen zu können, konstatieren die Forscher abschließend. (Nature Geoscience, 2013; doi: 10.1038/NGEO1851)

(Nature Geoscience / Brown University, 18.06.2013 – NPO)

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