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Geowissen

Doppeleinschlag vor rund 790.000 Jahren?

Auffällige Übereinstimmungen bei Gesteinsgläsern aus verschiedenen Erdteilen

Vor 790.000 Jahren könnte die Erde gleich zwei- oder dreimal fast gleichzeitig von großen Meteoriten getroffen worden sein. © iStock.com

Kosmischer Mehrfachtreffer: Vor rund 790.000 Jahren schlugen offenbar gleich mehrere große Meteoriten auf der Erde ein. Darauf deuten neue Untersuchungen von Einschlagsrelikten auf verschiedenen Kontinenten hin. Demnach gab es einen Treffer im australasiatischen Raum und mindestens einen weiteren in Südamerika. Dies muss globale Folgen gehabt haben, wie die Forscher berichten. Die Einschlagskrater dieser Ereignisse wurden bislang jedoch nicht gefunden.

Die meisten größeren Meteoritentreffer sind mindestens mehrere Millionen oder sogar hunderte Millionen Jahre her, davon zeugen große Einschlagskrater unter anderem in Schweden, in Australien oder Kanada. Es gibt aber auch schon länger Hinweise darauf, dass auch vor knapp einer Million ein größerer Brocken auf der Erde einschlug.

Riesiges Streufeld aus Einschlagsrelikten

Indiz dafür ist das australasiatische Streufeld – ein gewaltiges Gebiet, in dem sogenannte Tektite gefunden wurden – kleine glasartig erstarrte Gesteinströpfchen. Sie entstehen, wenn Gestein bei einem Einschlag schmilzt, in die Atmosphäre geschleudert wird und dort zu Glas erstarrt. Die erkalteten, harten Glaskügelchen regnen dann wieder auf die Erde hinab und bleiben als Relikte des Einschlags erhalten.

Das Gebiet, über das die Gesteinströpfchen des australasiatischen Streufelds verteilt wurden, reicht von Indochina bis in den Süden Australiens und bedeckt fast ein Drittel der gesamten Erde. Selbst in Tiefsee-Bohrkernen aus der Antarktis und dem Ozean vor Madagaskar wurden noch Mikrotektite dieses Streufelds gefunden.

Ungefähre Ausdehnung des australasiatischen Streufelds © Syncmedia / CC 1.0 gemeinfrei

Gewaltiger Treffer vor rund 793.000 Jahren

Wann genau und wo jedoch der Einschlag stattfand, der diese Relikte hinterließ, war bisher offen. Grobe Datierungen sprachen aber bereits dafür, dass sich dieser vor knapp einer Million Jahre ereignete. Unklar blieb zudem, ob weitere, in Kanada und sogar Mittelamerika entdeckte Einschlagsrelikte aus etwa der gleichen Zeit womöglich auf den gleichen Einschlag zurückgehen.

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Winfried Schwarz von der Universität Heidelberg und seine Kollegen haben nun mit Hilfe der Argon-Isotopenmessung die bisher präziseste Datierung der Tektite aus Asien, Australien, Kanada und Zentralamerika vorgenommen. „Die Auswertung unserer Daten zeigt, dass es einen kosmischen Treffer vor rund 793.000 Jahren gegeben haben muss, mit einer möglichen zeitlichen Abweichung von plus oder minus 8.000 Jahren“, erläutert Schwarz.

Bis nach Kanada geschleudert?

Die Analysen ergaben zudem, dass die kanadischen Gesteinsgläser aus der gleichen Zeit stammen wie die Funde aus dem australasiatischen Streufeld. Weil sie dieselbe chemische Zusammensetzung aufweisen, könnten sie trotz der enormen Entfernung von dem gleichen Meteoriteneinschlag stammen, mutmaßen die Forscher.

Tektite aus Australien, sie stammen von einem Einschlag vor rund 790.000 Jahren. © Institut für Geowissenschaften/ Universität Heidelberg

Das könnte darauf hindeuten, dass der bislang verschollene Krater dieses Einschlags irgendwo in Südasien liegen könnte. Das geschmolzene Gestein wurde durch die Wucht des Impakts bis zu 9.000 Kilometer weit in alle Richtungen geschleudert – und muss so bis nach Kanada gelangt sein. Allerdings müssen erst weitere Fundstücke bestätigen, dass die kanadischen Tektite ursprünglich dort niedergegangen sind und nicht von Menschen dorthin transportiert wurden.

Ein zweiter Einschlag – fast zur gleichen Zeit

Etwas anders sieht es bei den Tektiten aus Mittelamerika aus, die unter anderem in Ruinen von Maya-Kultstätten entdeckt wurden. „Diese Tektite sind in der chemischen Zusammensetzung deutlich verschieden“, erklärt Schwarz. „Und auch ihre geographische Verbreitung zeigt, dass sie Folge eines separaten kosmischen Einschlags sind.“

Das Überraschende daran: Obwohl diese Tektite nicht vom gleichen Einschlag stammen können, sind sie fast gleich alt wie die Funde aus dem australasiatischen Streufeld. „Sie sind vor 777.000 Jahren mit einer Abweichung von 16.000 Jahren entstanden. Innerhalb der Fehlergrenzen entspricht dieses Alter dem der australasiatischen Tektite“, sagt Schwarz.

Nach Ansicht der Heidelberger Wissenschaftler lässt dies nur einen Schluss zu: Es muss vor rund 790.000 Jahren gleich mehrere kosmische Einschläge gegeben haben – einen in Asien, einen in Mittelamerika und vielleicht sogar noch einen in Tasmanien, der den gut einen Kilometer großen Darwin-Krater hinterließ. Bei ihm ist allerdings bisher noch nicht eindeutig geklärt, ob diese Senke tatsächlich durch einen Einschlag entstand.

Globale Auswirkungen

Klar ist dagegen: Der Doppel- oder Dreifachtreffer vor knapp 800.000 Jahren muss gravierende Auswirkungen gehabt haben. Auf lokaler Ebene gab es Feuer und Erdbeben im Umkreis hunderter Kilometer um die Einschlagsorte, sowie hunderte Meter hohe Tsunamis bei Einschlag in den Ozean, wie die Forscher berichten.

Auf globaler Ebene wurden Staub und Gase in hohe Schichten der Atmosphäre ausgeworfen, was zu einer Abschwächung der globalen Sonneneinstrahlung und entsprechenden Abkühlungseffekten führte. Der Staubschleier in der Atmosphäre beeinträchtigte das Wachstum von Meeresalgen und Landpflanzen – mit entsprechenden Folgen für die Nahrungsketten. Die Erde könnte vielleicht sogar knapp an einem Massenaussterben vorbei geschrammt sein. (Geochimica et Cosmochimica Acta, 2016; doi: 10.1016/j.gca.2015.12.037)

(Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 23.02.2016 – NPO)

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