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Geowissen

Der Meeresgrund – so genau wie nie zuvor

Neue Karte enthüllt tausende zuvor unbekannte Strukturen am Grund der Ozeane

Das neue Schwerkraftmodell des Pazifik und Indischen Ozeans enthüllt tausende neuer Strukturen. Die roten Punkte markieren stärkere Erdbeben und verdeutlichen, wo die aktiven Plattengrenzen liegen. © David Sandwell, Scripps Institution of Oceanography

Tausende zuvor unbekannte Unterseeberge, verborgene Brüche und Verwerfungen: Sie alle werden nun durch ein neues 3D-Modell des Meeresgrunds enthüllt. Möglich wurde dies durch genauere Daten von Satelliten, die das Schwerefeld der Erde vermessen. Sie liefern erstmals genauere Details zu den rund 80 Prozent der Meeres-Topografie, die bisher eine „Terra incognita“ waren, wie Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.

Die Berge, Schluchten und Ebenen, die wir an Land sehen, sind nur ein kleiner Ausschnitt der Erdoberfläche. Der größte Teil der irdischen Landschaften aber liegt im Verborgenen – unter Wasser. Hier finden sich auch viele der geologischen Strukturen, die Aufschluss über die vergangene Drift der Kontinente und andere tektonische Ereignisse geben. Das Problem dabei: 80 Prozent dieser marinen Topografie waren bisher unkartiert oder nur sehr grob erfasst.

Schwerefeld verrät Ozean-Topografie

Echolot-Messungen von Schiffen aus liefern zwar genaue Daten, können aber nur kleine Gebiete abdecken. Satelliten wiederum können zwar mit Hilfe von Schwerkraftmessungen größere Strukturen ausmachen. Sie gerieten bisher aber an ihre Grenzen, wenn dickes Sediment den Felsuntergrund verdeckt oder die Strukturen zu klein sind. Viele geologisch aufschlussreiche Verwerfungen und Bruchzonen liegen jedoch unter kilometerdicken Sedimenten begraben.

David Sandwell von der Scripps Institution of Oceanography in La Jolla und seine Kollegen nutzten für die neue Karte Daten des ESA-Radarsatelliten Cryosat-2 und des NASA-Schwerefeld-Messsatelliten Jason-1. Die Kombination dieser Datensätze mit älteren Daten bildete die Grundlage für ein neues Modell des Meeresgrunds, das doppelt so genau ist wie alle vorhergehenden. „Dieses Modell liefert eine dramatisch verbesserte Auflösung für die 80 Prozent des Meeresgrunds, die bisher unkartiert waren oder unter dickem Sediment verborgen“, berichten die Forscher.

Vor Afrika entdeckten die Forscher eine zuvor unbekannte Bruchzone. Gemeinsam mit einer ähnlichen Formation vor Südamerika ist sie Relikt eines alten Grabenbruchs. © David Sandwell/ Scripps Institution

Neue Bruchzone entdeckt

Das neue Modell des Meeresgrunds enthüllte prompt einige Überraschungen: So entdeckten die Wissenschaftler eine bisher unbekannte tektonische Bruchzone, die Afrika mit Südamerika verbindet. 800 Kilometer lang und 100 Kilometer breit durchzieht sie den Atlantikboden von Nordwesten nach Südosten. Sie entstand möglicherweise vor rund 100 bis 83 Millionen Jahren durch eine nordwärts-Ausbreitung einer Verwerfung.

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Im Golf von Mexiko entdeckten die Forscher ebenfalls Neues: Dort verdeckten bisher besonders dicke Sedimentablagerungen die genauen Verläufe der Plattengrenzen und Brüche, die die Yucatan-Platte von der Nordamerikanischen Kontinentplatte abgrenzen. Die neue Karte enthüllt hier nun zuvor unsichtbare Verwerfungen, die bestätigen, dass sich die Yucatanplatte gegenüber ihrem größeren Nachbarn im Norden gegen den Uhrzeigersinn verdreht hat.

Das neue Modell zeigt auch die komplexen Strukturen am Südwest-Indischen ozeanrücken gwenauer als je zuvor. © David Sandwell/ Scripps Institution

Tausende neuer Seamounts

Ebenfalls neu sichtbar sind nun tausende von Unterseebergen, sogenannte Seamounts, die über alle Ozeane verstreut liegen. Sie sind meist vulkanischen Ursprungs und häufen sich besonders entlang von Plattengrenzen, mittelozeanischen Rücken und tektonischen Bruchzonen. Die neu entdeckten Berge sind immerhin zwischen einem und zwei Kilometern hoch, dennoch wurden sie in den früheren, ungenaueren Messungen nicht erfasst.

„Diese Entdeckungen erlauben es uns, die regionalen tektonischen Prozesse genauer zu verstehen“, konstatieren die Forscher. „Sie zeigen aber auch, wie wichtig satellitengestützte Schwerkraftmodelle für die Erkundung schwer erreichbarer Ozeanbecken sind.“ Das neue Modell der Ozean-Topografie liefert nun Geowissenschaftlern jede Menge neuer Daten, die sie in der Erforschung mariner Strukturen und Prozesse voranbringen können. (Science, 2014; doi: 10.1126/science.1258213)

(Science / University of California – San Diego, 06.10.2014 – NPO)

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