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Der innere Erdkern schwankt

Seismische Messungen enthüllen unregelmäßige Bewegungen des festen Kerns

Erdinneres
Der innere feste Erdkern rotiert weniger gleichmäßig als bisher angenommen. © fpm/ Getty images

Überraschend variabel: Der feste innere Erdkern bewegt sich weniger gleichmäßig als gedacht. Statt der Erdrotation immer ein wenig voraus zu sein, schwankt der Erdkern – er ist mal langsamer, mal schneller als der Rest des Planeten, wie seismische Messungen nahelegen. Möglicherweise folgt dieses Schwanken sogar einem regelmäßigen Zyklus von sechs Jahren. Was diese Oszillationen jedoch auslöst, ist bisher offen, wie US-Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten.

Der Erdkern ist für unseren Planeten entscheidend. Denn er liefert die innere Hitze für alle geologischen Prozesse und sorgt als Geodynamo für das schützende Erdmagnetfeld. Doch trotz dieser enormen Bedeutung ist über das Herz der Erde bisher kaum etwas bekannt. So ist strittig, wann der innere Kern erstarrte, ob er eine Unterstruktur besitzt und wie viel Hitze er an die darüberliegenden Schichten abgibt.

Wie schnell rotiert der feste Erdkern?

Unklar ist auch, wie sich der innere Erdkern im Verhältnis zum Rest des festen Erdkörpers bewegt: Viele gängige Modelle gehen von einer stabilen Superrotation aus, bei der der feste Erdkern immer ein wenig schneller rotiert als Mantel und Kruste. Wie stark der Kern dem Rest vorauseilt, ist jedoch strittig. Andere Modelle legen hingegen nahe, dass Verformungen des inneren Kerns oder Schwankungen in der Kernbewegung die zugrundeliegenden Messdaten verursacht haben.

„Man könnte wohl sagen, dass es zurzeit keinen Konsens über diese Frage gibt“, konstatieren Wei Wang und John Vidale von der University of Southern California in Los Angeles. Diese Unsicherheiten kommen auch dadurch zustande, dass das Verhalten des Kerns nur über die von ihm reflektierten seismischen Wellen ermittelt werden kann. Bei Erdbebenwellen sind jedoch Stärken und Ursprungsorte sehr unterschiedlich, was einen Abgleich der Messungen über die Zeit schwer macht.

Atombombentests als Messhelfer

Schon vor einigen Jahren haben Wang und Vidale daher eine andere Methode genutzt: Sie verglichen die seismischen Messdaten von zwei etwa gleichstarken Atombombentests, die die Sowjetunion 1971 und 1974 in ihrem Testgelände auf Nowaja Zemlja durchgeführt hatte. Das Large Aperture Seismic Array (LASA) des US-Militärs hatte die dabei erzeugten Wellen mitsamt ihrer Kernreflexionen aufgezeichnet. Aus den Analysen dieser Daten ging hervor, dass sich der innere Erdkern damals um rund 0,1 Gad pro Jahr schneller bewegte als der Rest des Planeten.

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Jetzt haben die beiden Forscher die gleichen Analysen mit den LASA-Daten von zwei weiteren Atombombentests durchgeführt, die 1969 und 1971 auf der Amchitka-Insel an der Südspitze Alaskas stattfanden. „Wir haben erwartet, dass wir dabei die gleiche Superrotation sehen werden wie schon bei den früher analysierten Atombombentest“, sagt Vidale.

Kernrotation
Die Rotation des inneren Erdkerns eilt der des Restplaneten mal voraus, mal hängt sie hinterher. © Wang und Vidale/ Science Advances, CC-by-nc 4.0

Mal schneller, mal langsamer

Doch das war nicht der Fall: „Wir waren ziemlich überrascht, dass der Kern sich relativ zum Rest sogar in die andere Richtung bewegte“, sagt Vidale. Statt der Erdrotation vorauszueilen, hinkte der Erdkern ihr bei den diesen Messungen hinterher. Demnach bewegte sich der feste Erdkern im Zeitraum von 1969 bis 1971 um 0,05 Grad pro Jahr langsamer vorwärts als der Erdmantel. Die Rotation des inneren Erdkerns ist demnach variabler als bislang angenommen.

„Der innere Kern bewegt sich unter unseren Füßen und scheint dabei im Zeitraum von rund sechs Jahren mal schneller und mal langsamer zu laufen als der Rest des Planeten“, erklärt Vidale. Diese Schwankungen im Zentrum der Erde könnten möglicherweise auch erklären, warum die Tageslänge und damit die gesamte Erdrotation immer wieder leicht variiert. Zurzeit beispielsweise dreht sich die Erde wieder zunehmend schneller.

Oszilliert der Erdkern?

Unklar ist allerdings zurzeit noch, ob der Erdkern nur sein Rotationstempo variiert, oder ob er stattdessen leicht im flüssigen Eisenbad des äußeren Kern hin und hertaumelt. „Die Idee einer solchen Kernoszillation gibt es als Modell schon länger, aber bisher herrschte Uneinigkeit darüber, ob das möglich ist“, sagt Vidale. „Der Vergleich der beiden Doppelmessungen macht die Oszillation nun zu einer durchaus wahrscheinlichen Interpretation.“

Ob diese Interpretation zutrifft und weshalb die Bewegung des inneren Erdkerns schwanken, müssen künftige Forschungen klären. (Science Advances, 2022; doi: 10.1126/sciadv.abm9916)

Quelle: University of Southern California

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