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Geowissen

Der Erdkern ist „undicht“

Seit 2,5 Milliarden Jahren tritt ständig Kernmaterial in den Erdmantel über

Erdkern
Seit 2,5 Milliarden Jahren tritt Kernmaterial in den Erdmantel über, wie nun eine Isotopenstudie nahelegt. © Johannes Gerhardus Swanepoel/ iStock.com

Schleichende Diffusion: Der Erdkern ist offenbar seit rund 2,5 Milliarden Jahren undicht – seither tritt ständig Kernmaterial in den Erdmantel aus. Forscher haben diese „Leckage“ nun anhand veränderter Anteile von Wolfram-Isotopen im Mantelgestein aufgespürt. Die Analysen belegen aber auch, dass der Erdkern in der Frühzeit des Planeten noch dicht war. Das Leck muss demnach durch einen danach einsetzenden Prozess entstanden sein, so die Wissenschaftler.

Der Erdkern ist ein ebenso prägender wie rätselhafter Bestandteil unseres Planeten. Erst durch seine Kombination aus festem und flüssigem Eisen bekommt die Erde ihr Magnetfeld, denn die Strömungen im flüssigen äußeren Kern treiben den Geodynamo an. Gleichzeitig liefert die Hitze des Erdkerns die Energie, die Phänomene wie die Plattentektonik, Mantelplumes und den Vulkanismus ermöglichen. Zu den Rätseln des Erdkerns gehört dagegen, wann der feste innere Kern erstarrte.

Wie „dicht“ ist der Erdkern?

Offen ist aber noch eine weitere Frage: Gibt es zwischen Erdmantel und Erdkern auch einen Materialaustausch? Klar scheint, dass die Kern-Mantel-Grenze durch einen starken Temperatursprung und eine in seismischen Messungen erkennbare Übergangszone von 200 bis 300 Kilometer Dicke gekennzeichnet ist. Wie jedoch dieser Übergang beschaffen ist und in welchem Maße Material aus dem Erdkern bis in den unteren Mantel vordringt, ist bislang strittig.

„Wir wissen, dass der Erdkern eine spezielle Chemie besitzt, die von Eisen und Nickel dominiert wird sowie von darin gelösten Elementen wie Wolfram, Platin und Gold“, erklären Hanika Rizo von der Carlton University in Ottawa und ihre Kollegen. „Daher sind solche metallaffinen Elemente gute Indikatoren für Spuren von Kernmaterial im Erdmantel.“ Allerdings muss man dafür unterscheiden können, ob diese Elemente wirklich aus dem Kern kommen oder doch aus höheren Erdschichten.

Wolfram-Isotope als Indikator

Das könnte Rizo und ihrem Team nun gelungen sein. Für ihre Studie hatten sie Gesteine untersucht, die aus dem unteren Mantel stammen und zu verschiedenen Zeiten an Hotspot-Vulkanen als Lava ausgetreten sind. Die Forscher richteten ihr Augenmerk dabei speziell auf das Verhältnis zweier Wolfram-Isotope: 182W und 184W. „Diese Wolfram-Isotope könnten die aufschlussreichsten Tracer für Kernmaterial sein, denn der Mantel sollte ein viel höheres 182W/184W-Verhältnis haben“, erklären sie.

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Der Grund dafür: 90 Prozent des irdischen Wolframs konzentriert sich im Erdkern, weil dieses Metall bei der Schichtbildung des Erdinneren mit anderen schweren Elementen in den Kern hinabsank. Der Erdmantel dagegen enthielt anfangs viel Haffnium-182, ein Isotop, das im Laufe der Zeit vollständig zu Wolfram-182 zerfallen ist. „Dadurch hat der Mantel heute gegenüber dem Erdkern einen Überschuss an Wolfram-182“, erklären die Forscher. Allerdings ist dieser mit rund 200 parts per million (ppm) winzig und schwer nachzuweisen.

Doch wenn dieser Überschuss in Mantelgestein fehlt oder schwächer ist, könnte dies auf eine „Verunreinigung“ mit Kernmaterial hindeuten. Genau danach haben Rizo und ihr Team in ihren Proben gesucht.

Undicht seit 2,5 Milliarden Jahren

Tatsächlich wurden die Forscher fündig. In einem Teil der Gesteinsproben aus dem unteren Erdmantel registrierten sie auffallend verringerte Anteile von Wolfram-182. „Das spricht dafür, dass Material aus dem Erdkern an die Basis dieser Mantelplumes ausgetreten ist“, berichten Rizo und ihr Team. Demnach ist die Kern-Mantel-Grenze zumindest für das Element Wolfram keine absolute Barriere.

Überraschend jedoch: Dieses „Leck“ im Erdkern war offenbar nicht immer da, wie die Analysen ergaben. Denn bei vulkanischem Mantelgestein aus der Zeit vor 2,7 bis 4,3 Milliarden Jahren fanden die Wissenschaftler keinen verringerten Anteil von Wolfram-182. „Das deutet darauf hin, dass in dieser Zeit kein oder nur sehr wenig Kernmaterial in den Mantel transportiert wurde“, sagen Rizo und ihre Kollegen. Der Erdkern ist demnach erst seit den letzten 2,5 Milliarden Jahren „undicht“.

Transfer-Prozesse
Mögliche Prozesse, die den Austritt von Kernmaterial fördern könnten. © Rizo et al. / Geochemical Perspective Letters,CC-by-nd 4.0

Plattentektonik oder Kernkristallisation als Auslöser?

Was aber verursacht seither dieses „Leck“? Nach Ansicht der Forscher könnte die Plattentektonik eine entscheidende Rolle dafür spielen. Denn sie sorgt nicht nur für die Bewegung der Erdplatten, sie transportiert über die Subduktion auch sauerstoffreiches Oberflächengestein bis in den tiefen Mantel. „Experimente zeigen, dass ein Anstieg der Sauerstoffwerte an der Kern-Mental-Grenze den Übertritt von Wolfram in den Mantel fördern kann“, erklären Rizo und ihr Team.

Alternativ könnte aber auch eine damals beginnende Kristallisation des inneren Erdkerns die Sauerstoffwerte an der kerngrenze erhöht haben. „In diesem Fall würden unsere Ergebnisse auch etwas über die Entwicklung des Erdkerns verraten“, so die Forscher. Denn dann könnte der feste Erdkern doch älter sein als jüngst vermutet. (Geochemical Perspective Letters, 2019; doi: 10.7185/geochemlet.1917)

Quelle: The Conversation, Geochemical Perspectives

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