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Archäologie

Computersimulation verrät chinesisches Kaisergrab

Hinweise auf Grabeingang zu lange gesuchter Ruhestättte

Modell der Zeremonialanlage von Zhaoling © TU Darmstadt

Die Terrakotta-Armee machte die chinesische Stadt Xi'an weltberühmt. Sie sind Teil einer riesigen Grabanlage des Ersten Kaisers von China. Jahrhunderte später wurde Taizong, der zweite Kaiser der Tang-Dynastie und einer der mächtigsten Herrscher in der Geschichte Chinas, ebenfalls in der Nähe von Xi'an begraben. Wo genau seine Grabkammer liegt, war bisher jedoch unbekannt. Darmstädter Architekten haben nun mit Hilfe von Computersimulationen konkrete Hinweise gefunden.

"Wir sind uns sicher, dass er in der Bergspitze des 1.200 Meter hohen Berges Jiuzongshan liegt, zumal wir unsere Vermutungen vor Ort verifiziert haben. Doch den letzten Beweis erhalten wir natürlich erst, wenn das Grab geöffnet ist", erklärt Professor Manfred Koob von der TU Darmstadt.

Computermodell lässt die Pracht erahnen

Die Entdeckung des Eingangs zur Ruhestätte war reiner Zufall, meint Koob. "Wir haben das Grab nicht gesucht. Wir hatten uns vielmehr zur Aufgabe gemacht, ein dreidimensionales Modell des 100×140 Kilometer großen Gebietes um die alte Kaiserstadt Xi'an zu entwerfen: Hier wurden bislang 31 Kaisergräber aus drei Dynastien nachgewiesen." Bis ins Detail rekonstruierten die Darmstädter die Grabanlage des Ersten Kaisers, von dem das achte Weltwunder – die tönerne Armee – nur ein kleiner Teil ist, sowie die Grabanlage des zweiten Kaisers Taizong.

Funde vor Ort als Basis

Für die Rekonstruktionen am elektronischen Zeichenbrett genügten den Darmstädter Architekten in Zusammenarbeit mit chinesischen Wissenschaftlern die wenigen Funde vor Ort, zeitgenössische Schriften sowie der Vergleich mit ähnlichen Gebäuden. Abgesehen von der Terrakotta-Armee sind vor Ort nur wenige Mauerreste zu sehen, so dass Besuchern die unglaubliche Pracht der Anlagen völlig verschlossen bleibt. Die künstliche Unterwelt, so steht es in alten Schriften geschrieben, stehe "an Glanz der äußeren Welt in nichts nach".

Das Mausoleum des Ersten Kaisers etwa birgt in 180 Gruben die komplette kaiserliche Welt, von seiner Armee über das Waffenarsenal bis hin zu gartenähnlichen Anlagen. In der sogenannten "Grube der Wasservögel" wurden zahlreiche Vögel an einem Bachlauf nachgebaut. Wissenschaftler vermuten, dass der unterirdische Bachlauf von einem nahegelegenen See gespeist wurde. Eine Idee von der Pracht liefert erstmals das dreidimensionale Computermodell aus Darmstadt, an dem die Forscher drei Jahre lang gearbeitet haben.

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Hinweise auf den Grabeingang

Die Totenstadt des Taizong war mit zwei Toranlagen versehen, durch die Besucher der Grabanlage schreiten mussten. Bei ihren Rekonstruktionen am Computer entdeckten die Darmstädter, dass eine gerade Linie zwischen Nord- und Südtor der Anlage den Berg Jiuzongshan kreuzte, und zwar nur ein kurzes Stück oberhalb der Stelle, an der bereits Höhlengräber der kinderlosen Frauen des Kaisers gefunden wurden.

"Die oberste Grabhöhle liegt ungefähr 50 Meter unter der Bergspitze. Dass sich der Kaiser unterhalb seiner Frauen begraben ließ, ist völlig undenkbar. Der Grabeingang kann sich somit nur über dem letzten Höhlengrab befinden", erläutert Koob die ersten Indizien, die ihn zu dem möglichen Grabeingang führten.

Hilfe durch Geomantik und historische Schriften

Letzte Sicherheit gaben dem Darmstädter geomantische Überlegungen. Geomantik oder Fengshui ist die taoistische Kunst und Wissenschaft vom Leben in Harmonie mit der Umgebung. Die chinesischen Kaiser ließen zu Lebzeiten von Wissenschaftlern geeignete Plätze für ihr Grab aussuchen: Sie wurden stets mit dem Berg im Rücken gebaut, das Wasser vor sich. Für das Mausoleum des Taizong war damit der Berg Jiuzongshan der perfekte Ort: das Gebirge im Norden und das Tal mit dem Wei-Fluss im Süden.

Historische Schriften lieferten den Darmstädtern ein zusätzliches Indiz. Ein Grabräuber berichtete von einem 230 Meter langen Tunnel im Inneren des Berges, der zu der eigentlichen Grabkammer führt. Ein Holzsteg soll vom Südpalast zum Grabeingang geführt haben. Diese Hinweise haben Koob und seine Mitarbeiter am Computer rekonstruiert.

Erste Indizien vor Ort gefunden

Anhand dieses Modells haben sie vor Ort nach Hinweisen gesucht – und sind fündig geworden. An der Stelle, an der die Darmstädter den Grabeingang vermuten, fanden sie tatsächlich Bodenlöcher, die von Pfählen des Holzstegs stammen. Auch wenn das Grab noch nicht geöffnet ist, ist doch das internationale Interesse an den Darmstädter Modellen sehr groß. So sollen die Architekten künftig helfen, auch die restlichen Kaisergräber näher zu erforschen.

(Technische Universität Darmstadt, 10.08.2006 – NPO)

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