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Umwelt

China: Sicherheitsrisiko Klimawandel

Umweltprobleme gefährden die politische und soziale Stabilität des Landes

Chinas Umweltsünden sind eine Gefahr für die politische und soziale Stabilität im Land. Dies ist das Fazit des neuen Gutachtens „Welt im Wandel – Sicherheitsrisiko Klimawandel“, herausgegeben vom Wissenschaftlichen Beirat „Globale Umweltveränderungen“ der Bundesregierung. Sollten sich in den kommenden Jahren die ökologischen Probleme verschärfen, so die Forscher, sind Krisen und Konflikte vorprogrammiert.

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Für seinen wirtschaftlichen Erfolg zahlt China schon jetzt einen hohen Preis. „Das Land kämpft heute in allen Bereichen mit sichtbaren Umweltproblemen, die ihm das Image eingebracht haben, eines der meist verschmutzten Länder der Welt und mit den USA der Umweltsünder in Sachen Treibhausgase zu sein“, sagen Prof. Dr. Thomas Heberer und Anja-Desiree Senz von der Uni Duisburg-Essen (UDE). Die beiden Chinaexperten haben die aktuelle Lage im bevölkerungsreichsten Land der Erde analysiert und eine Einschätzung zum Krisenpotenzial bis 2020 gegeben.

Luftbelastung und Verschmutzung der Gewässer

Große Probleme in China bereiten vor allem die hohe Luftbelastung, Saurer Regen, die Verschmutzung der Gewässer – unter anderem durch ungeklärte Abwässer – die bedenkliche Trinkwasserqualität, die Müllentsorgung (auch nukleare Abfälle), die fortschreitende Wüstenbildung, Überdüngung, Austrocknung und Erosion sowie der Verlust an Artenvielfalt. Die UDE- Wissenschaftler listen in ihrem Bericht ausführlich Probleme und Ursachen, auch im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen und dem politischen System, auf.

Die Umweltschäden produzieren nicht nur Kosten – laut Schätzung der chinesischen Umweltbehörde sind die Gesamtkosten der Verschmutzung (170 Mrd. Euro) etwa so hoch wie das jährliche Wirtschaftwachstum, sondern sie führen auch zu Krankheit und Armut: Während viele Landbewohner von der rasanten Wirtschaftentwicklung profitieren, fallen jährlich zirka zehn Millionen Bauern durch die ökologischen Veränderungen wieder unter die Armutsgrenze. Nach Schätzungen der Weltbank sterben pro Jahr über 300.000 Menschen in China an den Folgen der massiven Umweltverschmutzung. Nicht zu vergessen die durch den Klimawandel bedingten Naturkatastrophen wie Überschwemmung oder Dürre. Unter ihnen leiden im Reich der Mitte jährlich mehrere hundert Millionen Menschen.

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Zahlreiche Umweltkonflikte

Dort, wo die Umweltveränderungen die Existenz und Versorgung der Bevölkerung bedrohen, gibt es schon heute Konflikte. „Nach Auskunft der chinesischen Umweltschutzbehörde soll es allein im Jahre 2005 über 500.000 teils gewaltsame Auseinandersetzungen als Reaktion auf Umweltverschmutzungen gegeben haben“, erklärt Professor Heberer. Sie könnten sogar noch zunehmen, denn Berechnungen der Weltbank zufolge dürften auf China durch den globalen Klimawandel weitere Probleme zukommen: der Anstieg der Meeresspiegel, der insbesondere die prosperierenden Küstengebiete mit ihren 90 Millionen Einwohnern beträfe, abnehmende Niederschläge im Norden, steigende im Süden und damit verbunden Dürrenbeziehungsweise Flutkatastrophen und Migration oder Rückgang der landwirtschaftlichen Erträge.

So sehen Heberer und Senz bis 2020 auch drei Spannungsfelder: Wasser, die Stadt-Land-Gegensätze (wirtschaftlich, sozial und auch ökologisch, da die ländlichen Regionen die Hauptlasten des Wirtschaftsaufschwungs tragen) sowie die politischen Strukturen, die es vielen Akteuren auf lokaler Ebene erlauben, die Durchsetzung von Gesetzen oder die Einhaltung von Mindeststandards zu be- bzw. verhindern.

Zwar wächst in China generell das Problembewusstsein, es fehlt jedoch das Verständnis für die regionale, globale Dimension von Umweltproblemen, stellen die UDE-Wissenschaftler fest. Die chinesische Regierung betrachtet diese als innere Angelegenheit, wobei sie gerade einmal ein Prozent des Bruttoinlandproduktes in den Umweltschutz investiert. Auch die Menschen sehen ihr Tun nicht als Teil des Problems an. „Die meisten erhoffen sich von der rasanten Wirtschaftsentwicklung westliche Lebensstandards, sie träumen von einem eigenen Auto oder von Flugreisen, ohne an die ökologischen Folgen dieses Wohlstands zu denken“, erklärt Senz.

Fazit: Dialog mit China wichtig

Eine ihrer Handlungsempfehlungen richten die beiden Politikwissenschaftler der UDE an den Westen: Er müsse der Dialog mit China gleichberechtigt führen. Ermahnungen an die aufstrebende Industrienation, sie könne es dem Westen beim Ressourcenverbrauch nicht gleichtun („nicht jeder Chinese kann ein Auto fahren“) machten wenig Sinn. „Zahlreiche Probleme Chinas sind auch erst durch den Eintritt in den Weltmarkt entstanden, womit westliche Industriestaaten und Unternehmen eine Mitverantwortung tragen“, geben Senz und Heberer zu Bedenken. „Beim Ressourcen- und Umweltschutz sollte der Westen, in den letzten Jahrzehnten nicht gerade ökologisches Vorbild, in China einen wichtigen Partner sehen.“

Die beiden Experten empfehlen, China bei seinen Verwaltungsreformen zu unterstützen, die schwache chinesische Umweltbehörde zu stärken, den Einsatz erneuerbarer Energien zu fördern oder Know-how zur Verfügung zu stellen, auch um die bereits bestehenden Umweltschäden zurückzubilden. „Gerade für deutsche Firmen böten sich hierbei in China viele Chancen.“ Zudem sollte die exportorientierte chinesische Wirtschaft von den Zielländern angehalten werden, Produkte und Produktion an Umweltstandards auszurichten.

Ob China seine Umweltprobleme bewältigen wird? Heberer und Senz sind bei ihrer Prognose vorsichtig: „Es gibt viele positive Ansätze. Dennoch ist der Grad der Umweltschäden so gravierend, und parallel dazu drücken das Land viele andere, insbesondere soziale Probleme, dass das ganze System leicht aus dem Gleichgewicht geraten kann. Die langsame und friedliche Veränderung des chinesischen Systems zu unterstützen, muss deshalb auch in westlichem Interesse liegen.“

(idw – Universität Duisburg-Essen, 26.06.2007 – AHE)

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