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Archäologie

China: Riesiges Wasserbausystem entdeckt

5.100 Jahre altes System aus Dämmen und Kanälen ist eines der größten des Altertums

Reste einer befestigten Böschung in Liangzhu © PNAS

Uralte Ingenieurskunst: In China haben Forscher eines der ältesten und größten Wasserbausysteme der Welt entdeckt. Schon vor 5.100 Jahren errichteten die Menschen der Liangzhu-Kultur ein raffiniertes Ensemble von Dämmen, Gräben, Kanälen und anderen Bauten im Jangtse-Delta. Mit ihm schützten sie das Sumpfland vor Meeresfluten und leiteten Regenwasser auf ihre Reisfelder, wie die Archäologen berichten. Ihr System veränderte 10.000 Hektar Landschaft und war eines der größten des gesamten Altertums.

Ob als Schutz gegen Hochwasser oder als Bewässerungshilfe für ihre Felder: Viele alte Kulturen haben schon vor Jahrtausenden Dämme, Deiche und Kanäle entwickelt, um den Fluss des Wassers in ihrer Umgebung zu kontrollieren. Zu den besonders komplexen Wasserbausystemen der Geschichte gehören die hydraulischen Bauwerke der Maya, aber auch die Bewässerungssysteme der Ägypter und die ausgedehnten Wasserbau-Anlagen der Khmer in Mahendraparvata und Angkor.

Leben im Sumpfgebiet des Jangtse-Deltas

Doch in China haben Bin Liu vom Zhejiang-Institut für kulturelle Relikte und Archäologie und seine Kollegen jetzt eine Kultur entdeckt, die lange vor diesen bekannteren Beispielen bereits eine erstaunlich komplexe und umfassende Wasserarchitektur besaß. Es handelt sich um die Liangzhu-Kultur, die vor rund 5.300 bis 4.300 Jahren im Delta des Jangtse-Flusses florierte.

„Die Menschen von Liangzhu lebten damals in einer wasserreichen, flachen Marschlandschaft, die an das Jangtse-Delta grenzte“, berichten die Forscher. Immer wieder überflutete das Meer dieses Flussdelta und schwemmte Salzwasser in das Feuchtgebiet. Um das Land urbar zu machen, mussten die Menschen daher das Wasser der Monsunregenfälle möglichst auffangen, aber das Meerwasser fernhalten.

Sandsäcke aus Erde umhüllt von verwobenen Gräsern wurden in vielen Dämmen Liangzhus verbaut. © PNAS

Deiche, Dämme und Kanäle

Wie umfassend die Menschen von dabei diese Landschaft umgestalteten, haben Liu und seine Kollegen erst jetzt durch Ausgrabungen, die Analyse von mehr als 500 Sedimentbohrkernen und moderne Kartierungsmethoden herausgefunden. Demnach umfasste das vor rund 5.100 Jahren errichtete Wasserbausystem ein ganzes Netzwerk von hohen Deichen, niedrigeren Dämmen und Böschungen, die große Wasserreservoire einschlossen.

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„Ein ausgedehntes Netzwerk von Kanälen und Rinnen versorgte dabei gemeinsam mit strategisch positionierten Schleusen, Toren und anderen Konstruktionen den Reisanbau, diente aber auch dem Transport von Gütern und Menschen auf dem Wasserweg und anderen Zwecken“, erklären die Wissenschaftler. Die rund 300 Hektar große, von Erdwällen umschlossene Stadt Liangzhu war in dieses hydraulische System eingebunden.

3.000 Menschen bauten acht Jahre lang

Das Ausmaß der Wasserbauanlagen in Liangzhu war erstaunlich, wie die Forscher berichten. So waren allein die Kanäle und Wasserstraßen über 30 Kilometer lang. Die beiden großen Reservoire fassten zwischen 1.500 und gut 5.000 Millionen Kubikmeter Wasser. „Das Wasserbausystem von Liangzhu veränderte die natürliche und wirtschaftliche Landschaft tiefgreifend“, so die Forscher. „Es beeinflusste insgesamt rund 10.000 Hektar Landschaft und versorgte tausende von Menschen.“

Noch heute sind einige der Dämme rund um die Überreste der Stadt Liangzhu zu erkennen © PNAS

Um ein so komplexes und großes System zu errichten und instand zu halten, waren eine sorgfältige Planung und eine ausgefeilte Logistik nötig, wie die Wissenschaftler erklären. „Wir schätzen, dass damals 3.000 Menschen nahezu acht Jahre lang daran gearbeitet haben müssen, allein die rund 2,88 Millionen Kubikmeter Ede für die Dämme zu bewegen.

Einzigartig für diese Ära

„Die Größenordnung dieser Landschaftsveränderung ist für diese Ära einzigartig“, konstatieren Liu und seine Kollegen. „Zusammen mit den bisher ausgegrabenen Relikten der Stadt Liangzhu und der umgebenden Reisfelder handelt es sich um eine der umfangreichsten hydraulischen Anlagen des gesamten Altertums.“

Allerdings: Selbst ihre raffinierte Ingenieurskunst bewahrte die Stadt und ihre Umgebung nicht dafür, nach rund tausend Jahren doch ein Opfer des Meeres zu werden: Eine rund einen Meter dicke Lehmschicht belegt, dass das gesamte Gebiet vor rund 4.200 Jahren massive Überflutungen erlebt haben muss. Ein Großteil der niedriger liegenden Felder und auch die Stadt wurden in der Folge dieser Katastrophe aufgegeben. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2017; doi: 10.1073/pnas.1710516114)

(PNAS, 05.12.2017 – NPO)

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