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Evolution

Brachiosaurus und Co. waren „heißblütig“

Chemisches Thermometer ergibt Körpertemperaturen von 36 bis 38 Grad

Rekonstruktion eines Camarasaurus © Sauriermuseum Aathal/Schweiz

Von wegen kaltblütig und träge: Mit einer Körpertemperatur von 36 bis 38 Grad waren pflanzenfressende Dinosaurier offenbar eher heißblütige Hochleistungsmodelle der Evolution. Das zeigt eine jetzt in „Science“ veröffentlichte Studie, in der ein internationales Forscherteam mit Hilfe von Isotopenanalysen des Zahnschmelzes ein geochemisches „Thermometer“ für Brachiosaurus und Co. entwickelt hat. Ob die Riesen des Jura und der Kreidezeit deshalb auch gleichwarm waren, ist allerdings noch immer nicht eindeutig geklärt.

Kleine Köpfe, große Körper und langsamer Stoffwechsel – wenn von Dinosauriern die Rede ist, drängt sich der Eindruck von dumpfen, trägen und wechselwarmen Giganten auf. „Ursprünglich wurden die Dinosaurier als wechselwarme Tiere angesehen, weil sie wie Eidechsen oder Krokodile zu den Reptilien zählen“, erklärt der Geochemiker Thomas Tütken von der Universität Bonn. Bei Reptilien hängt die Körpertemperatur von der Umgebungstemperatur ab. „Nach einer kalten Nacht sind die heutigen Reptilien deshalb nur sehr eingeschränkt bewegungsfähig und ihre Aktivität ist dann begrenzt“, sagt der Wissenschaftler.

Im Gegensatz dazu können warmblütige Tiere, wie Säugetiere oder Vögel, ihre Körpertemperatur durch Verbrennung von Nahrung konstant halten. Ein gleichwarmer Organismus ist mit einem Rennwagen vergleichbar, der zwar sehr leistungsstark ist, dafür aber auch ordentlich „Sprit“ schluckt. Ein wechselwarmes Tier startet dagegen im Kaltbetrieb deutlich langsamer, braucht aber auch nur rund ein Zehntel der Energie eines gleichwarmen Tieres. Welche Strategie aber nutzten die Dinosaurier?

Isotopenbindung als chemisches Thermometer

Um das herauszufinden, entwickelten Forscher der Universität Bonn gemeinsam mit Kollegen aus den USA eine Methode, wie sich durch Analysen des Zahnschmelzes die absolute Körpertemperatur der Dinosaurier wie mit einem Thermometer bestimmen lässt. „Die ursprüngliche chemische Zusammensetzung des Zahnschmelzes ist deutlich besser erhalten als die von Knochen der Dinosaurier“, so Tütken. Der Schmelz enthält einen gewissen Anteil an Karbonat, einer Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff. Von beiden Elementen gibt es schwerere und leichtere Varianten, die Isotope genannt werden.

„Wie häufig die beiden schweren Isotope des Kohlenstoffs (13C) und des Sauerstoffs (18O) im Dinosaurierzahn eine 13C-18O-Verbindung eingehen, hängt von der Mineralbildungstemperatur ab“, erklärt der Geochemiker. Je wärmer es bei der Bildung des Zahnschmelzes war, desto seltener gehen die beiden schwereren Isotope eine Bindung ein. „Diesen Zusammenhang nutzen wir für das Thermometer, mit dem wir die Körpertemperatur auf etwa zwei Grad genau bestimmen können.“

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Schädel eines Camarasaurus. Die Zähne des pflanzenfressenden Dinosauriers wurden für die Untersuchung genutzt © Sauriermuseum Aathal/Schweiz

Körpertemperatur bei 36 bis 38 Grad Celsius

Mittels dieses chemischen Thermometers untersuchten die Wissenschaftler Zähne von verschiedenen Dinosauriern, dem bis zu 20 Meter langen und bis zu 15 Tonnen schweren Camarasaurus und dem Brachiosaurus, der sogar bis 23 Meter lang und rund 40 Tonnen schwer wurde. Die beiden zu den pflanzenfressenden Sauropoden gehörenden Riesenechsen lebten vor rund 150 Millionen Jahren in der Jurazeit. „Vom Camarasaurus haben wir dreizehn Zähne und vom Brachiosaurus drei untersucht“, sagt der Bonner Forscher. Allerdings waren nur sieben so gut erhalten, dass die Analysen als aussagekräftig gelten.

Die Analysen des Zahnschmelzes ergaben beim Camarasaurus aus den USA eine Körpertemperatur von rund 36°C und beim Brachiosaurus aus Tansania etwa 38°C. In einer vorhergehenden Studie hatten die Wissenschaftler das chemische Thermometer bereits an fossilen Zähnen von 30.000 Jahre alten Mammuts erfolgreich angewendet. „Mit den Dinosaurierzähnen haben wir nun die Zeitskala auf 150 Millionen Jahre erheblich ausgedehnt“, so Tütken. „Mit unserer Methode haben wir am Zahnschmelz von Dinosaurierfossilien erstmals die Körpertemperatur der Riesenechsen bestimmen

können.“

Frage der Thermoregulation noch immer offen

Die Frage, ob die Dinosaurier gleichwarme Tiere waren, ist allerdings auch damit noch nicht endgültig gelöst. „Unsere Daten geben klare Hinweise darauf, dass die Körpertemperatur deutlich höher und stabiler als die Umgebungstemperatur war“, erklärt der Geochemiker. Allerdings könnte dies auch mit der schieren Größe der Riesenechsen zusammenhängen, weil eine große Körpermasse auch sehr gut die Temperatur konstant hält.

Die Wissenschaftler wollen nun die Körpertemperatur von kleineren Dinosauriern untersuchen, weil sie die Wärme aufgrund ihrer im Vergleich zum Körpervolumen großen Körperoberfläche nicht so gut speichern konnten. Würden diese ähnlich hohe Körpertemperaturen wie warmblütige Tiere zeigen, wäre das ein eindeutiger Hinweis auf deren Warmblütigkeit. (Science, 2011; DOI: 10.1126/science.1206196)

(Universität Bonn, 24.06.2011 – NPO)

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