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Geowissen

Blitzschlag schuf neuartigen Quasikristall

Exotische Kristallform kann offenbar auch durch starke elektrische Entladungen entstehen

Fulgurit-Querschnitt
In der Grenzzone zwischen dem verschmolzenen Sand und dem metallischen Bereich dieses Fulgurit-Querschnitts haben Forscher einen neuen Quasikristall entdeckt. © Luca Bindi et al.

„Unmögliche“ Kristallstruktur: Forscher haben erstmals einen Quasikristall entdeckt, der durch starke elektrische Entladung entstanden ist. Das exotische, zwölfzählig symmetrische Gebilde verbarg sich in einem Fulgurit – einer aus verglastem Sand und dem Metall einer herabgefallenen Stromleitung gebildeten Schmelzstruktur in einer Sanddüne. Die Analyse enthüllte dann, dass es sich um eine zuvor unbekannte Form von Quasikristall handelt. Er deutet darauf hin, dass es in Fulguriten vielleicht noch weitere unentdeckte Quasikristalle geben könnte.

Quasikristalle galten lange als unmöglich, denn ihre Struktur widerspricht dem gängigen Schema eines Kristallgitters. Statt aus lauter gleichen symmetrischen Grundeinheiten sind Quasikristalle aus verschiedenen geometrischen Grundformen zusammengesetzt, zeigen aber dennoch eine gewisse Ordnung. Nur eine Handvoll natürlicher Quasikristalle wurden bisher gefunden, sie entstanden meist unter den Extrembedingungen eines Meteoriteneinschlags oder bei Atombombentests.

Durch Hochspannung verschmolzen

Einen auf ganz andere Weise entstandenen Quasikristall haben Forscher um Luca Bindi von der Universität Florenz jetzt erstmals entdeckt – durch Zufall. Sie fanden ihn in einer Sanddüne in Nebraska an der Stelle, an der eine durchtrennte Stromleitung den Boden berührte. Dort hatte sich ein Fulgurit gebildet, ein röhrenförmiges Gebilde aus verschmolzenem, verglastem Sand und Spuren des Leitungsmetalls.

Solche auch als Blitzsinter oder Blitzröhren bezeichneten Gebilde entstehen meist durch Blitzeinschläge in sandigem Untergrund. Die enorme Energie des Blitzes heizt den Sand bis auf Temperaturen von über tausend Grad auf und lässt ihn zu Glas verschmelzen. Bei dem von Bindi und seinem Team gefundenen Fulgurit wurde der Sand bis auf 1.710 Grad Celsius erhitzt, wie sie feststellten, ob durch einen Blitz oder allein durch die Stromleitung sei aber unklar.

Zwölfzähliger Quasikristall im Fulgurit

Als die Forscher den weißlichen Fulgurit näher untersuchten, stießen sie zwischen einer Zone verschmolzenen Metalls und dem Silikatglas auf eine unerwartete Kristallstruktur: Einige Körnchen zeigten bei Analyse mittels Elektronenmikroskopie und Röntgenspektrometrie eine „verbotene“ zwölfzählige Symmetrie. „Dieses Muster ist die charakteristische Signatur eines dodekaedrischen Quasikristalls“, berichten Bindi und seine Kollegen.

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Kristallstruktur
Diese elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt die zwölfzählige Symmetrie des neuen Quasikristalls. © Luca Bindi et al.

In dem Fulgurit war demnach ein neuartiger Quasikristall mit zwölfzähliger Symmetrie und der Summenformel Mn68.9Si19.9Ni7.6Cr2.2Al1.4 entstanden. „Verglichen mit Quasikristallen mit zehnzähliger oder ikosaedrischer Symmetrie sind zwölfzählige Quasikristalle bisher sehr selten“, erklären die Forscher. Der neuentdeckte Quasikristall besteht aus in gleichem Abstand aufeinanderfolgenden Atomlagen, die jeweils dodekaedrisch symmetrisch sind und quasiperiodisch abwechselnde Grundeinheiten aufweisen.

Elektrische Entladung als Verursacher

Doch nicht nur die Struktur dieses Quasikristalls ist neu und ungewöhnlich – auch seine Entstehungsart ist es. „Es handelt sich um das erste Beispiel für einen Quasikristall, der durch elektrische Entladungen gebildet wurde“, berichten die Wissenschaftler. Ein Blitzschlag oder auch der Strom aus der durchtrennten Leitung setzten genug Energie frei, um das Material des Untergrunds so stark zu erhitzen und zu schocken, dass diese neuartige Kristallform entstand.

Nach Ansicht von Bindi und seinen Kollegen eröffnet dies nicht nur neue Ansätze, um künstliche Quasikristalle im Labor zu erzeugen. Es liefert auch Hinweise darauf, wo sich in der Natur weitere noch unentdeckte Varianten dieser „unmöglichen“ Kristalle verbergen könnten. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2022; doi: 10.1073/pnas.2215484119)

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences

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