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Astronomie

Asteroiden-Kollision erzeugt „Pseudo-Komet“

Erste Beobachtung der unmittelbaren Nachwehen einer Kollision zweier Asteroiden

Der Kometen-ähnliche Asteroid P/2010 A2 © NASA, ESA, and D. Jewitt / University of California, Los Angeles

Zum ersten Mal haben Astronomen das unmittelbare Ergebnis der Kollision zweier Asteroiden beobachtet: Teleskopaufnahmen enthüllten ein verblüffend Kometen-ähnliches Objekt mit lang ausgezogenem Trümmerschweif am inneren Rand des Asteroidengürtels. Zunächst für einen Kometen gehalten, klärten erst Bilder des Weltraumteleskops Hubble nun die wahre Identität des seltsamen Himmelskörpers.

Normalerweise stammen Kometen aus den eisigen äußeren Regionen des Sonnensystems, aus dem Kuiper Gürtel jenseits des Neptun oder der Oortschen Wolke, noch weiter draußen. Wenn sich diese Klumpen aus Eis und Gestein auf ihrer Bahn dann der Sonne nähern, verdampft Eis an ihrer Oberfläche und erzeugt eine Hülle aus Gas und Staub, die den Kometenschweif bildet. Am 6. Januar 2010 entdeckten Astronomen des Lincoln Near-Earth Asteroid Research (LINEAR) jedoch ein Objekt, das nicht in dieses Schema passte:

Rätselhafter „Vagabund“

Denn P/2010 A2 stammt nicht aus dem äußeren Sonnensystem, sondern kreist am Innenrand des Asteroidengürtels. Hier allerdings gibt es eigentlich nur Gesteinsbrocken, die Umgebung ist zu trocken, um Körper aus Eis entstehen zu lassen. Trotzdem aber zieht das Objekt einen gut sichtbaren Schweif hinter sich her – wie ein typischer Komet.

Um diesem Widerspruch auf den Grund zu gehen, richteten die Astronomen am 25. und 29. Januar das Hubble-Weltraumteleskop der NASA auf den rätselhaften „Vagabund“. Zu diesem Zeitpunkt war das Objekt rund 290 Millionen Kilometer von der Sonne und rund 144 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Die Aufnahmen der neuen Wide Field Camera 3 (WFC3) enthüllten Erstaunliches:

Keine glatte Staubhülle

Der rund 140 Meter große Hauptkern von P/2010 A2 liegt nicht, wie normalerweise bei Kometen üblich, mitten in der Gas- und Staubhülle, der so genannten Halo, sondern außerhalb. So etwas wurde noch nie zuvor bei einem Kometen-ähnlichen Objekt beobachtet. Zudem zeigten die Bilder deutlich eine komplexe X-förmige Struktur von Filamenten nahe dem Kern.

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„Dies unterscheidet sich deutlich von der glatten Staubhülle normaler Kometen”, erklärt David Jewitt, Leiter des Forschungsteams von der Universität von Kalifornien in Los Angeles. „Die Filamente bestehen aus Staub und Gesteinstrümmern, die vermutlich erst vor kurzem aus dem Kern geschleudert wurden. Einige werden durch den Strahlungsdruck der Sonne nach hinten gedrückt und bilden gerade Staubstreifen. Eingebettet in die Filamente sind sich ebenfalls bewegende Staubklumpen, die von weiteren kleinen Körpern stammen müssen.“

Ungewöhnlicher Schweif

Nach Ansicht der Astronomen kann der beobachtete Schweif nicht die typische Eis- und Staubfahne eines Kometen sein. Stattdessen sehen sie in ihm eher das Ergebnis eines kosmischen „Unfalls“ – der Kollision zweier Himmelskörper. „Das fädige Aussehen von P/2010 A2 unterscheidet sich von allem, was wir bisher in Hubble-Aufnahmen von normalen Kometen gesehen haben. Das ist konsistent mit einem unterschiedlichen Entstehungsmechanismus“, so Jewitt. Eine Kollision als Ursache würde auch erklären, warum in den Spektren des Objekts keine Signaturen von Gasen auftauchen.

Die Kollision zweier Asteroiden setzt enorme Mengen an Energie frei. Mit mehr als 17.000 Kilometern pro Stunde – fünf Mal schneller als eine Gewehrkugel – treffen die beiden Himmelkörper dabei aufeinander. Der Kern von P/2010 A2 könnte nach Ansicht der Forscher das Relikt einer solchen Hochgeschwindigkeitskollision sein. Die verschiedenen kleinen und großen Gesteinsbrocken im Asteroidengürtel liefern zahlreiche Hinweise auf solche dramatischen Ereignisse in der Vergangenheit. Bisher allerdings haben Astrononen die Asteroiden noch nie „in flagranti“ bei einem solchen Zusammenstoß ertappt.

Mitglied der „Flora”-Familie

„Wenn diese Interpretation korrekt ist, dann sind vor ganz kurzer Zeit zwei kleine, zuvor unbekannte Asteroiden kollidiert“, erklärt Jewitt. „Sie erzeugten einen Trümmerschauer, der durch den Strahlungsdruck des Sonnenlichts zu einem Schweif ausgezogen wurde.“ Aus der Umlaufbahn von P/2010 A2 schließen die Forscher auf eine Zugehörigkeit zur „Flora”-Familie der Asteroiden, einer Objektgruppe im weit innen liegenden Bereich des Asteroidengürtels.

(NASA/Hubble/Universität von Kalifornien, 04.02.2010 – NPO)

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