Gut ein Jahr nach dem Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull haben Forscher jetzt festgestellt, dass seine Eruptionswolke neben dem bekannten Vulkangas Schwefeldioxid auch freie Chlorradikale enthielt. Bis zu 66.000 Chloratomen pro Kubikzentimeter Luft ermittelte ein deutsches Forscherteam durch Messflüge in der Aschenwolke. Das ist zwar im Vergleich zu anderen Gasen wenig, reicht aber aus, um die chemischen Prozesse der Atmosphäre deutlich zu beeinflussen, so die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters“.
Schon seit Jahren ist bekannt, dass Vulkanausbrüche große Mengen an Chlorverbindungen freisetzen. Doch der Beweis für die Bildung von höchstreaktiven Chlor-Radikalen blieb bisher aus. Das hat sich nun geändert, nachdem Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie Luftproben, die auf Flügen durch die Aschewolke des Vulkans Eyjafjallajökull gesammelt wurden, analysierten. Im letzten Frühjahr war der Mainzer Messcontainer CARIBIC bei drei Sonderflügen der Lufthansa mit an Bord und nahm Luftproben in der Vulkanwolke. Ein speziell angefertigtes Einlass-System am Flugzeugbauch leitete während des gesamten Fluges Luft- und Teilchenproben an die Instrumente im Inneren des Containers weiter.
Erstaunlich wenig Kohlenwasserstoffe in der Aschenwolke
„Jeder Vulkan hat seinen eigenen Charakter“, erklärt Angela Baker, Erstautorin der Studie. „Beim Eyjafjallajökull haben wir bis zu 70 Prozent weniger Kohlenwasserstoffe in der Wolke gefunden als außerhalb. Wissenschaftlich lässt sich das nur dadurch erklären, dass die Kohlenwasserstoffe sofort mit freien Chlorradikalen reagieren, was wir durch weitere Untersuchungen auch bestätigen konnten.“ Die Wissenschaftlerin errechnete hieraus eine Konzentration von bis zu 66.000 Chloratomen pro Kubikzentimeter Luft. Im Vergleich zu anderen Gasen ist diese Menge zwar gering, sie reicht aber aus, um die chemischen Prozesse der Atmosphäre deutlich zu beeinflussen. Denn unter normalen Bedingungen kommen diese höchstreaktiven Chloratome überhaupt nicht vor.
„Fingerabduck“ der Chlorradikale
Kohlenwasserstoffe wie zum Beispiel Propan und Butan findet man sogar in sehr reinen und weit entfernten Regionen der unteren Erdatmosphäre. Normalerweise werden diese Gase jedoch nach und nach durch Hydroxylradikale abgebaut. Chlor hingegen baut die Kohlenwasserstoffe chemisch um ein Vielfaches schneller ab. Damit hinterlassen die chemischen Reaktionen mit Chlor einen charakteristischen „Fingerabdruck“ in der Luft, aus dem man die Konzentration der Chlorradikale ableiten kann. Die Max-Planck-Forscher rechnen damit, dass man zu ähnlichen Messergebnissen auch bei anderen Vulkanausbrüchen kommt, wie bei dem vor kurzem aktiven isländischen Vulkan Grimsvötn. Außerdem erwarten sie, dass sich ihre Analysemethode zum chemischen Verhalten der Chlorradikale weltweit durchsetzt. (Geophysical Research Letters, 2011; doi:10.5194/acp-11-2973-2011)
(Max-Planck-Institut für Chemie, 30.05.2011 – NPO)