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Ökologie

Artenvielfalt: Wiesen machen Regenwäldern Konkurrenz

Auf kleiner Fläche beherbergen Graslandschaften die meisten Pflanzenarten

Magerwiese nahe Cluj-Napoca, Rumänien. © Jürgen Dengler

Regelmäßig gemähte Wiesen können auf kleiner Fläche sogar artenreicher sein als der tropische Regenwald. Im Quadratmeter-Maßstab beherbergen solche Graslandschaften mehr Pflanzenarten als alle anderen Biotope, berichtet ein internationales Forscherteam mit deutscher Beteiligung im Fachmagazin „Journal of Vegetation Science“.

Auf Flächen von mehr als 50 Quadratmetern erreichten die tropischen Regenwälder in Costa Rica, Kolumbien und Ecuador den höchsten Pflanzenartenreichtum, sagt Erstautor Bastow Wilson von der University of Otago im neuseeländischen Dunedin. „Aber als wir uns das auf einer kleineren Messskala anschauten, fanden wir, dass abgegraste oder gemähte Wiesen die artenreichsten Orte auf der Erde sind.“

Solche vom Menschen bearbeitete, aber trotzdem sehr artenreiche Graslandschaften gebe es vor allem in Osteuropa, heißt es in der Studie: von der deutschen Grenze bis nach Rumänien, aber auch in Argentinien. Dort lebten zwischen drei Pflanzenarten pro Quadratmillimeter und 131 Arten auf 49 Quadratmeter. Die unberührten Regenwälder in Ecuador wiederum beherbergten 942 Arten, aber auf 10.000 Quadratmeter.

Artenzahlen nehmen langsamer zu als die Fläche

„Eine simple Aussage der Art ‚dies ist der artenreichste Lebensraum‘ ist nicht möglich“, betont Co-Autor Jürgen Dengler von der Universität Hamburg, „denn das Ergebnis hängt immer von der betrachteten Flächengröße ab.“ Artenreichtum wird in der Wissenschaft in unterschiedlichen Maßstäben angegeben, von einem Quadratmillimetern Fläche bis zu einem Hektar.

Solche Zahlen ließen sich nicht einfach auf eine gemeinsame Einheit umrechnen, erläutert Dengler: „In keinem Fall funktioniert die Anwendung des Dreisatzes.“ Wenn drei Arten pro Quadratmillimeter wachsen, bedeute das nicht, dass auf einem Quadratzentimeter 300 Arten lebten. „Artenzahlen nehmen immer langsamer zu als die Fläche. Sonst hätten wir auf der Erde noch viel, viel größere Artenzahlen als ohnehin schon.“

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Brustkrebszelle. Gerade Brustkrebs kehrt oft auch nach einer Chemotherapie mit Metastasen wieder. Schuld daran sind wahrscheinlich Krebsstammzellen. © NCI

Ständiges Mähen fördert den Artenreichtum

Es mag erstaunen, dass gerade solche Gegenden zu den artenreichsten gehören, die ständig gemäht, abgeweidet oder sogar abgebrannt werden. Die Studie gibt es zwei mögliche Erklärungen: Durch die ständige Bearbeitung und damit Umwälzung des Biosystems komme die Regel „der Stärkere setzt sich durch“ nicht zum Zug: „Auch konkurrenzschwächere Arten können im System verbleiben, da die konkurrenzkräftigeren ihre Überlegenheit nicht ausspielen können, bevor der nächste Schnitt kommt“, sagt Dengler.

Möglich sei aber auch, dass allein der Zeitfaktor eine Rolle spiele: Einige Flächen existierten bereits seit Ewigkeiten, schreiben die Forscher. „Das gab der Evolution tausende Jahre Zeit.“ Solche Gegenden hätten in der langen Zeit einen sehr großen Artenpool ansammeln können.

Diese Hypothesen müssten aber erst überprüft werden. „Der jetzige Artikel dient primär dazu, ein Phänomen aufzuzeigen, das selbst unter Ökologen nur wenigen bewusst ist und dazu anzuregen, zu seiner Klärung beizutragen“, erklärt Dengler.

Langwieriges Bücherwälzen

Um die artenreichsten Gegenden der Erde zu finden, haben die Wissenschaftler die Fachliteratur und unveröffentlichte Quellen über zehn Jahre abgesucht. Alle Regionen der Welt seien erfasst worden, heißt es. Die Studie bezog alle Gefäßpflanzen mit ein – das sind Pflanzen, die aus Wurzel, Sprossachse und Blatt bestehen – aber beispielsweise keine Moose. (Journal of Vegetation Science, 2012; doi: 10.1111/j.1654-1103.2012.01400.x)

(Journal of Vegetation Science / dapd, 19.03.2012 – BOS)

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