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Arktiseis: Keine Erholung in Sicht

Sommerliches Meereisminimum liegt bei 5,1 Millionen Quadratkilometern

Polar 5 auf der Landebahn von Longyearbyen, Spitzbergen, beim Start zu einem Messflug. Zentral unter dem Flugzeug ist das Messgerät EM-Bird zu sehen (Zylinder mit gelber Spitze), mit dessen Hilfe die Eisdicke bestimmt wird. © Johannes Käßbohrer / AWI

Mit den kürzer werdenden Tagen geht auch die Saison der Eisschmelze in der Arktis zu Ende. Am 12. September 2009 registrierten Satellitenaufnahmen das Minimum in der diesjährigen Meereisbedeckung von 5,1 Millionen Quadratkilometern im Nordpolarmeer. Damit bestätigt sich die Entwicklung aus den letzten drei Jahren, dass die Eisausdehnung am Ende des Sommers nur noch etwa 70 Prozent des langfristigen Mittelwertes der Jahre 1979 bis 2000 beträgt.

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Dieser langfristige Mittelwert beträgt knapp sieben Millionen Quadratkilometer, das Rekordminimum im Jahr 2007 lag bei 4,1 Millionen Quadratkilometern.

Immer weniger dickes Eis

„Der Anteil mehrjährigen dicken Eises ist inzwischen soweit zurückgegangen, dass die sommerliche arktische Meereisbedeckung sehr viel empfindlicher auf atmosphärische Anomalien reagiert als noch vor zehn oder zwanzig Jahren“, bilanziert Professor Rüdiger Gerdes, Meereisphysiker am Alfred-Wegener-Institut (AWI). Eine Rückkehr zu historischer Eisausdehnung von über sieben Millionen Quadratkilometern, wie sie bis Ende der 1990er Jahre regelmäßig auftrat, ist nicht zu erwarten.

Wissenschaftler des AWI und des KlimaCampus der Universität Hamburg hatten wie bereits im Jahr 2008 ihre Prognosen im Frühsommer vorgestellt, um in einem Wettbewerb die beste Methode für zuverlässige Voraussagen der Eisverhältnisse im September zu finden. Dabei benutzen sie unterschiedliche Ansätze.

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Wetter schwer berechenbare Variable

„Grundlage unserer Prognose sind Eisbedeckungsgrad und Eisdicke am Ende des Winters, sowie die Wetterbedingungen während der Schmelzperiode“, erläutert Gerdes. Satellitenaufnahmen erfassen den Bedeckungsgrad des Meereises schon seit drei Jahrzehnten, wohingegen über die Eisdicke nach wie vor wenig bekannt ist. Dünnes Eis schmilzt dabei natürlich viel schneller als dickes mehrjähriges Eis. Der Datensatz zur Eisdicke konnte im Frühjahr durch Messflüge des Polarflugzeugs Polar 5 erweitert werden.

„Durch den Einsatz von Polar 5 konnten wir die Reichweite gegenüber den Helikoptereinsätzen in den vergangenen Jahren deutlich erhöhen“, freut sich Stefan Hendricks vom Alfred-Wegener-Institut, der bei der Kampagne dabei war.

Nach wie vor stellen jedoch die Wetterverhältnisse, die die Eisschmelze maßgeblich beeinflussen, eine schwer berechenbare Variable dar. So gibt das Modell von Gerdes und Kollegen Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Meereisausdehnungen an, indem es die Wetterszenarien der letzten Jahrzehnte in die Berechnungen einbezieht.

Prozentuale Meereisbedeckung der Arktis am 12. September 2009 berechnet mit dem ARTIST Sea Ice (ASI) Algorithmus aus Messungen des Advanced Microwave Scanning Radiometer (AMSR-E) bei 89 GHz; Gitterzellengröße: 6.25 km x 6.25 km. © KlimaCampus der Universität Hamburg

Neues Modell entwickelt

Im Rahmen des EU-Projektes DAMOCLES konnte zusammen mit wissenschaftlichen Firmen ein neues umfangreiches Modell entwickelt werden, das durch Optimierung der Anfangs- und Randbedingungen wesentlich enger den Beobachtungsdaten folgt. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent erwarteten die Bremerhavener Wissenschaftler in ihrer Prognose im Frühsommer eine mittlere Bedeckung für den September von 4,5 bis 5,5 Millionen Quadratkilometern und lagen damit wie schon im letzten Jahr nahe an der Realität.

Die Hamburger Wissenschaftler um Professor Lars Kaleschke gaben im Mai an, dass das absolute Meereisminimum von 2007 (Meereisfläche von 4,3 Millionen Quadratkilometern) nur mit einer Wahrscheinlichkeit von sieben Prozent unterschritten würde. Die im Mai prognostizierte Fläche von 4,9 Millionen Quadratkilometern ist nun im Rahmen der geschätzten Unsicherheit von 0,4 Millionen Quadratkilometern erreicht worden.

Längste globale Klimazeitreihe genutzt

Unabhängig von Wetterphänomenen beruhte ihre Prognose auf einem statistischen Vorhersageverfahren. Sie nutzen die mit 36 Aufzeichnungsjahren längste globale Klimazeitreihe, die es aus Satellitenmessungen gibt. Die Prognose basierte auf der Annahme eines sich beschleunigenden langfristigen Trends. Dem langfristigen Trend sind statistische Fluktuationen überlagert, welche dazu führen, dass in diesem Jahr die Fläche etwas über dem Wert vom letzten Jahr liegt.

„Die Satellitenmessungen dieses Jahres bestätigen also erneut, dass sich der langfristige Trend offenbar beschleunigt fortsetzt“, bilanziert Kaleschke.

(idw – Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 21.09.2009 – DLO)

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