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Archäologie

Archäologie: Himmlischer Körper mit irdischem Antlitz

Forscher entdecken seltene Patrizierstatue

Der Kopf mit den Zügen eines bedeutenden Patriziers aus der Kaiserzeit. © Institut für Archäologie, Universität Bern

Auf eine seltene Statue eines römischen Patriziers aus der Kaiserzeit ist jetzt ein Schweizer Archäologenteam bei einer Grabung in Mittelitalien gestoßen. Bei dem überraschenden Fund aus dem ersten oder zweiten Jahrhundert nach Christus handelt es sich um ein lebensgroßen Kunstwerk – und um ein besonderes Porträt: Der Körper stellt einen idealisierten nackten Jüngling dar mit übergeworfenem Mantel und Schwert in der Linken, der Kopf hingegen trägt die individuellen Züge eines älteren Mannes.

Der Körper zeigt, so Wissenschaftler des Archäologischen Instituts der Universität Bern, vermutlich einen Perseus oder einen der Dioskuren, einen der göttlichen Zwillingsbrüder Kastor und Pollux. Auf diese Weise ließ sich ein vermögender Patrizier aus der römischen Kaiserzeit als Mann mit göttlichen Eigenschaften porträtieren.

„Eine solche Vermischung von göttlichem Körper und Privatporträt ist als Phänomen zwar bekannt, kommt aber nur selten vor“, sagt Professor Michael Heinzelmann. Ihm und einem Team von 25 Berner Studierenden und Dozierenden gelang der bedeutende Fund. Entdeckt wurde die gut erhaltene Statue in einem Patrizierhaus in der antiken Stadt Amiternum in den mittelitalienischen Abruzzen.

Neuartige Technik der Bodenuntersuchung

Die lebensgroße Statue. Sie wurde aus kostbarem griechischem Marmor von der Insel Paros gefertigt. © Institut für Archäologie, Universität Bern

In Amiternum führt das Archäologische Institut der Universität Bern jährlich Lehrgrabungen mit Studierenden durch. Die Stadt war im Jahr 293 vor Christus von Rom erobert worden und entwickelte sich rasch zu einem wichtigen Zentrum in der Region.

Hier testen die Berner verschiedene Geräte, die ursprünglich bei der Suche nach Bodenschätzen eingesetzt wurden und nun archäologischen Zwecken dienen. Die Geräte erfassen ähnlich wie ein Radar die im Boden verborgenen Gebäudestrukturen und bilden diese ab. „Unsere Gruppe ist die einzige universitäre in der Schweiz, die mit dieser Technik arbeitet“, so Heinzelmann. Die Gruppe gehört somit auch zu den europaweit führenden Institutionen in diesem Bereich.

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Flächendeckende, teure und jahrzehntelange Grabungen werden damit überflüssig: „Dank dieser Technik können wir zuerst große Flächen abbilden und dann gezielt einzelne Stellen mit Sondagen untersuchen“, erklärt Heinzelmann.

Ein außergewöhnlich reiches Patrizierhaus

Bei der Berner Ausgrabung wurde heuer ein großes Patrizierhaus untersucht. Aufgrund der vorangegangenen geophysikalischen Prospektionen war der Grundriss des Gebäudes bereits vor der Ausgrabung bekannt. Daher konnte das Team nun sehr genau einige interessante Räume mittels kleinerer Sondagen untersuchen.

Eine dieser Ausgrabungen betraf das so genannte Tablinum, den repräsentativen Empfangsraum, wo traditionsgemäß Klienten empfangen wurden und häufig Statuen der Vorfahren des Hausherrn aufgestellt waren. Das Haus stammte ursprünglich aus dem 1. Jahrhundert vor Christus, wurde später umgebaut und Mitte des 4. Jahrhunderts durch ein Erdbeben teilweise zerstört. Die Statue, die an einer Ecke des Tablinums stand, wurde vom herabfallenden Dach in mehrere Stücke zerschlagen, die jetzt auf dem Fußboden liegend gefunden wurden.

Größtes Stadthaus Italiens

Die Statue stellt einen Vorfahren des damaligen Hausherrn dar. Seine Familie ist noch unbekannt, aber es muss sich um eine sehr vermögende Familie gehandelt haben: Sie besaß mit über 5.000 Quadratmetern Grundfläche das größte Stadthaus, das derzeit in Italien bekannt ist, und es befand sich an prominenter Lage neben dem Theater. Es war zudem mit Mosaikfussböden und Marmorwänden geschmückt. Die Berner Forschenden werden im Haus noch weitere Ausgrabungen vornehmen.

(idw – Universität Bern, 27.07.2007 – DLO)

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