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Klima

Antarktis: Tiefenwasser heizt Schelf auf

Überschwappendes Warmwasser gefährdet auch bisher kühle Meeresgebiete

Eisberg im antarktischen Weddellmeer © Sunke Schmidtko

In der Antarktis kommt die Gefahr von unten: Warmes Tiefenwasser steigt dort immer höher und schwappt auf den flachen Schelf, wie Meeresforscher jetzt festgestellt haben. Dadurch erwärmen sich die Schelfmeere immer stärker. Vor allem im bisher noch relativ kühlen Wedellmeer könnte sich dadurch in Zukunft die Eisschmelze beschleunigen, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“ berichten.

Das Eis und die Gletscher der Antarktis galten lange Zeit als noch relativ stabil. Doch das ändert sich allmählich. So zeigte im letzten Jahr eine Studie, dass sogar das vermeintlich extrem stabile Eis der Ostantarktis klimaanfälliger sein könnte als gedacht. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass das Abtauen von Gletschern in der Westantarktis bereits unumkehrbar sein könnte.

Sunke Schmidtko vom GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel und seine Kollegen haben nun weitere Indizien dafür gefunden, dass die Temperaturen auf dem westantarktischen Schelf deutlich ansteigen – und auch herausgefunden, warum das so ist. Für ihre Studie hatten sie alle ozeanographischen Daten aus den Gewässern rund um die Antarktis zwischen 1960 und 2014 ausgewertet.

Daten zeigen, dass wärmeres Wasser auf den westantarktischen Schelf schwappt und dort die Wassertemperaturen steigen lässt. © S. Schmidtko, bearb. C. Kersten/ GEOMAR

Warmes Tiefenwasser schwappt aufs Schelf

Die Daten zeigen, dass die Temperaturen in der westantarktischen Amundsensee und der Bellingshausensee schon seit 1960 stärker ansteigen als im Rest des antarktischen Schelfs. „Anhand der Daten konnten wir sehen, dass dieser Prozess von außen verstärkt wird“, sagt Schmidtko. Wie sich zeigte, liegen entlang des Kontinentalhangs vor den flachen Schelfmeeren Wassermassen in größeren Tiefen, die mit 0,5 bis 1,5 Grad Celsius für antarktische Verhältnisse sehr warm sind.

„Diese Wassermassen haben sich in der Westantarktis im Laufe der vergangenen 50 Jahre erwärmt“, so Schmidtko. „Und sie liegen nicht mehr so tief wie noch vor 50 Jahren.“ Speziell in der Amundsensee und der Bellingshausen-See schwappt das warme Tiefenwasser mittlerweile verstärkt auf das Schelf. Dieser Wärmezustrom von unten könnte erklären, warum in diesen Regionen schon länger beschleunigte Gletscherschmelzen beobachtet werden.

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Gefahr für das bisher stabile Weddellmeer

Bedenklich ist diese Entwicklung auch für das südwestliche Weddellmeer. Denn hier war das Meerwasser auf dem Schelf bisher noch relativ kalt, die Temperaturen lagen bei minus 1,5 Grad. Daher gab es hier auch noch kein stärkeres Abtauen des Schelfeises. Doch wenn der Anstieg der warmen Wassermassen anhält, könnte es auch dort in Zukunft zu größeren Veränderungen mit dramatischen Folgen für das Filchner- und eventuell auch Rønne-Eisschelf kommen, wie die Forscher erklären.

Das aber bedeutet, dass dann erstmals auch Gletscher außerhalb der Westantarktis von unten anschmelzen und schneller ins Meer abrutschen. „Das vermehrte Eindringen von wärmeren Wassermassen über die Schelfkante wird mit großer Wahrscheinlichkeit diesen Prozess noch verstärken“, erklärt Co-Autorin Karen Heywood von der University of East Anglia, „das hätte dann Auswirkungen auf die Geschwindigkeit des weltweiten Meeresspiegelanstiegs.“

Antarktischer Krill (Euphausia superba) © Uwe Kils/ CC-by-sa 3.0

Gefahr für den Krill-Nachwuchs?

Das aufsteigende, warme Tiefenwasser könnte aber auch die Ökologie des Südpolarmeeres empfindlich stören. Denn die antarktischen Schelfgebiete sind unter anderem Laichgebiete für den Antarktischen Krill, die Basis für viele Nahrungsketten in diesem Ozean. Studien zeigen, dass sich die Laichzyklen dieser Krebsart bei Erwärmung verändert. Was das konkret für den antarktischen Krill bedeutet, muss nun genauer untersucht werden.

Warum der Klimawandel ausgerechnet das Tiefenwasser der Antarktis aufheizt und aufsteigt, ist bisher noch unklar. „Wir vermuten, dass sie mit großräumigen Veränderungen der Windsysteme über der Südhalbkugel zusammenhängen“, sagt Schmidtko. „Aber welche Prozesse im Einzelnen dabei eine Rolle spielen, muss in zukünftigen Studien noch genauer betrachtet werden.“ (Science, 2014; doi: 10.1126/science.1256 )

(GEOMAR / Science, 05.12.2014 – NPO)

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