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Antarktis strotzt vor Leben

Polarstern-Expedition zeigt einzigartiges Ökosystem unterhalb des ehemaligen Larsen-Schelfeises

Ein noch nicht identifizierter antarktischer Seestern, gefunden im Larsen B-Gebiet während der Polarstern-Expedition ANT-XIII/8. © Alfred-Wegener-Institut

Der Forschungseisbrecher Polarstern hat von seiner neunwöchigen Antarktis-Expedition faszinierende Bilder vom Meeresboden und den dort lebenden Organismen mitgebracht. Neben fischereibiologischen Studien und Walbeobachtungen standen vor allem die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf die antarktische Lebensvielfalt im Vordergrund. Nun liegen erste Ergebnisse der im Rahmen des „Census of Antarctic Marine Life“ (CAML) durchgeführten Expedition vor.

Besonderer Focus des CAML-Projektes war das Larsen-A-B-Schelfeis, wo in den letzten zwölf Jahren insgesamt 10.000 Quadratkilometer Schelfeis abbrachen. Die globale Erwärmung hat an der Antarktischen Halbinsel zu Veränderungen der Umweltbedingungen geführt. Der Abbruch des Schelfeises, das bis in große Tiefen reichte, hat nun Bereiche des Meeresbodens freigelegt, die bisher unzugänglich waren. Somit konnten dort erstmals die Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebewesen untersucht werden. Das wissenschaftliche Expeditionsprogramm umfasste die volle biologische Bandbreite von Mikroorganismen bis zu Walen, einschließlich kleinster Würmer und Krebse, größerer wirbelloser Tierarten wie beispielsweise Schwämme und Seesterne, sowie Fische und anderer Wirbeltiere.

Ergebnis: Regionale Lebensvielfalt

Die vorläufigen Ergebnisse der Untersuchungen des Meeresbodens zeigen, dass die Sedimente sehr unterschiedlich sind. Vom felsigen Untergrund bis hin zu weichem Schlick sind alle Bodentypen vertreten. Ebenso vielfältig gestaltet sich die Besiedlung, da Tiere unterschiedliche Vorlieben bezüglich ihres Lebensraumes haben. Vergleicht man die Meeresbodenfauna von Larsen-A-B mit der im östlichen Weddellmeer, so ist sie weitaus ärmer. Umso auffälliger ist die hohe Dichte einer bestimmten Tiergruppe, der Seescheiden, die mit verschiedenen Arten vertreten ist. Da diese Organismen besonders langsam wachsen, ist anzunehmen, dass sich die Seescheiden erst nach dem Abbruch des Schelfeises im Larsen-B-Gebiet ansiedeln konnten.

Die Anzahl größerer, langsam wachsender Tiere, zum Beispiel der Glasschwämme, war im Larsen-A-Gebiet höher als bei Larsen B, da sie dort wahrscheinlich schon sehr lange leben. Die hohe Anzahl kleinerer Exemplare dieser Arten ist vielleicht ein erster Schritt zu einer deutlichen Veränderung der Artenzusammensetzung nach dem Abbruch des Schelfeises vor zwölf Jahren. „Was wir von der Polarstern-Expedition gelernt haben ist lediglich die Spitze des Eisbergs, sagt Michael Stoddart, Sprecher von CAML Australien. „Ergebnisse dieser und kommender Expeditionen innerhalb des Internationalen Polarjahres werden Erkenntnisse bringen, wie der Klimawandel die Organismen dort beeinflusst.“

Eisberge kratzen am Boden

Mit Hilfe eines ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugs (ROV), das mit Video- und Fotokameras ausgestattet war, konnte die Zerstörung des Meeresbodens durch Eisberge in geringeren Wassertiefen gezeigt werden. In einer Wassertiefe von circa 220 Metern war der Artenreichtum deutlich höher, aber es waren auch deutliche Spuren der Zerstörung durch Eisberge zu sehen. Glasschwämme kommen dort als langsam wachsende und lang lebende Organismen nur selten vor, da sie immer wieder von den strandenden Eisbergen vernichtet werden. Auffällig häufig kamen auch verschiedene Tiefseearten wie Seegurken und gestielte Haarsterne im Larsen-B-Gebiet vor.

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Eine kalte Quelle, ein so genanntes „Cold Seep“, von dessen Existenz man bisher lediglich durch Videoaufnahmen wusste, konnte mit Hilfe des ROVs in einer Wassertiefe von circa 830 Metern wieder gefunden werden. Sie besteht aus Ansammlungen von Schalen toter Muscheln. Erste Analysen geben eindeutige Hinweise, dass dort Methan und Sulfat vorhanden sind, wovon bestimmte Bakterien so leben, dass sich hier eine einfache Lebensgemeinschaft auch ohne Sonnenlicht entwickeln konnte.

Neue Arten entdeckt

Im Rahmen von CAML wurden weiterhin die Aspekte Physiologie, Genetik, Schadstoffe und die Nahrungsbeziehungen untersucht. Dabei kamen diverse Probenahme-Geräte zum Einsatz, wie Dredschen, Greifer und Fallen. Die Wissenschaftler entdeckten eine Reihe neuer Arten. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang 15 voraussichtlich neue Amphipodenarten, die zu den Krebsen gehören, darunter einer der größten Amphipoden der Antarktis. Er ist fast 10 Zentimeter lang und gehört zur Gattung Eusirus. In der Gruppe der Nesseltiere wurde eine neue Art der Gattung Malacobelemnum gefunden, sowie eine neue Seeanemone. Sie lebt in Symbiose mit der Schnecke Harpovoluta.

Die wertvolle Fracht an wissenschaftlichen Daten und gesammeltem Tiermaterial ist jetzt auf dem Weg in die Heimatinstitute der Expeditionsteilnehmer. Es wird Monate bis zu einigen Jahren dauern, bis detaillierte Analysen vorgelegt werden können. In einem vom „Census of Marine Life“ unterstützten Treffen im September diesen Jahres werden die Wissenschaftler eine erste Synthese ihrer Ergebnisse zeitnah zusammenstellen und präsentieren.

Tagebücher im Internet

An der neunwöchigen Polarstern-Expedition hatten unter der Leitung des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft 52 Wissenschaftler aus 14 Nationen teilgenommen. Darunter waren auch Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, dem Forschungs- und Naturmuseum Senckenberg, dem Forschungs- und Technologiezentrum Westküste sowie der Bundesforschungsanstalt für Fischerei. Am 11. April wird die Polarstern in Kapstadt erwartet. Dann tritt sie die Rückreise nach Bremerhaven an, wo sie Anfang Mai eintreffen soll. Wer die Reise verfolgen möchte, findet Tagebücher unter http://www.polarjahr.de, http://blogs.dw-world.de/polarstern/ und http://www.ipy.org.

(Census of Marine Life; Alfred-Wegener-Institut, 26.02.2007 – AHE)

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