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Geowissen

Antarktis: Riesiger Eisberg bricht von Gletscher ab

Ein Schelfeis-Stück so groß wie Hamburg hat sich vom Pine Island Gletscher gelöst

Links auf dem Foto ist der neu entstandene Eisberg mit einer Größe von 720 Quadratkilometern zu sehen. © DLR

Am Montag hat sich am antarktischen Pine-Island-Gletscher eine riesige Fläche Schelfeis gelöst. Der Eisberg ist 720 Quadratkilometer groß und hat damit fast die Fläche der Stadt Hamburg. Der Gletscher gehört zu den längsten und am schnellsten fließenden Gletschern der Antarktis. Über den
Erdbeobachtungssatelliten TerraSAR-X haben Forscher den Eisabbruch verfolgt und in Einzelaufnahmen dokumentiert. Der Klimawandel soll aber an diesem Ereignis nicht – oder zumindest nicht direkt – schuld sein, so die Forscher.

Den ersten Riss in der Zunge des Pine Island Gletschers hatten Wissenschaftler der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA bereits am 14. Oktober 2011 bei einem Überflug entdeckt. Er war damals rund 24 Kilometer lang und 50 Meter breit. Seither beobachteten Forscher das Fortschreiten des Risses und die Bildung eines zweiten, unter anderem mit hochauflösenden Radaraufnahmen des Erdbeobachtungssatelliten TerraSAR-X des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). So vermaßen die Forscher unter anderem die Spaltbreiten und berechneten die Fließgeschwindigkeit des Eises.

„Oberhalb des großen Risses ist der Gletscher zuletzt mit einem Tempo von zwölf Metern pro Tag geflossen“, berichtet Dana Floricioiu vom DLR. Anhand der Aufnahmen konnten die Forscher verfolgen, wie sich der größere Riss am Pine-Island-Gletscher zunächst auf eine Strecke von 28 Kilometern verlängerte. Kurz vor der „Geburt“ des Eisberges öffnete sich der Spalt dann Stück für Stück, sodass er an seiner breitesten Stelle etwa 540 Meter maß. Am 8. Juli 2013 war es dann endgültig soweit: „Infolge der Risse hat sich ein riesiger Eisberg von der Gletscherzunge gelöst – er misst 720 Quadratkilometer und ist damit fast so groß wie das Stadtgebiet Hamburgs“, berichtet Angelika Humbert, Eisforscherin vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung.

Luftaufnahme des Pine-Island-Gletschers © Angelika Humbert/ Alfred-Wegener-Institut

Ist der Klimawandel schuld?

Werden Eisabbrüche wie dieser vom Klimawandel hervorgerufen? Humbert sieht bisher keinen direkten Zusammenhang: „Die Bildung von Rissen im Schelfeis und damit auch die Entstehung neuer Eisberge sind natürliche Vorgänge“, sagt die Glaziologin. Allerdings sei der Pine-Island-Gletscher, der vom Hudson-Gebirge in die Amundsen-See fließt, mit einem Fließtempo von etwa vier Kilometern pro Jahr der am schnellsten fließende Gletscher der westlichen Antarktis.

Diese Geschwindigkeit wird jedoch weniger von den steigenden Lufttemperaturen hervorgerufen. Sie gründet vielmehr darauf, dass sich die Windrichtungen in der Amundsen-See geändert haben. „Der Wind bringt nun warmes Meerwasser unter das Schelfeis. Dieser Prozess führt mit der Zeit dazu, dass das Schelfeis von unten schmilzt, vor allem an der sogenannten Aufsetzlinie, dem kritischen Übergang zum Inlandeis“, sagt die Wissenschaftlerin.

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Für den westantarktischen Eisschild hätte ein noch schnelleres Fließen des Pine-Island-Gletschers vermutlich ernstzunehmende Folgen: „Das westantarktische Inlandeis liegt auf Land, das tiefer liegt als der Meeresspiegel. Sein ‚Bett’ neigt sich zudem landeinwärts. Es besteht also durchaus die Gefahr, dass diese großen Eismassen instabil werden und ins Rutschen kommen“, sagt Humbert. Würde der gesamte westantarktische Eisschild in den Ozean fließen, hätte dies einen weltweiten Meeresspiegelanstieg in Höhe von etwa 3,3 Metern zur Folge.

Ereignisse wie dieses liefern den Wissenschaftlern eine gute Gelegenheit, ihre Modelle der Eisdynamik mit den Beobachtungen abzugleichen. Stimmen Modellrechnung und Realität überein, können die Wissenschaftler daraus zum Beispiel schlussfolgern, welche Gleiteigenschaft der Boden unter dem Gletschereis besitzt oder wie sich der Eisstrom im Fall einer weiteren Erderwärmung verhalten könnte. „Gletscher sind ständig in Bewegung. Sie haben ihre ganz eigene Fließdynamik. Ihr Eis ist permanenten Spannungen ausgesetzt und das Kalben von Eisbergen ist noch weitestgehend unerforscht“, sagt Humbert.

(Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, 10.07.2013 – NPO)

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