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Antarktis: Riesen-Eisberg kurz vor dem Abbruch

Nur noch fünf Kilometer Eis halten das antarktische Larsen-C-Schelfeis zusammen

Veränderungen des Eisflusses auf dem vom Riss abgetrennten Stück des Larsen-C-Schelfeises © MIDAS Project

Es kann jeden Moment passieren: Das Larsen-C-Schelfeis in der Antarktis steht kurz vor dem Zerbrechen – und könnte dann einen der größten Eisberge der Erde kalben. Nur noch fünf Kilometer Eis halten die knapp 6.000 Quadratkilometer große Eisfläche fest. Eisforscher erwarten daher jederzeit den endgültigen Abbruch des 190 Meter hohen Tafeleisbergs. Ob dieser dann ganz bleibt oder in viele Stücke zerbricht, ist bisher offen.

Schon seit 2015 bahnt sich an der Ostküste der antarktischen Halbinsel ein dramatisches Ereignis an: Ein knapp 100 Meter breiter Riss bildete sich damals im Eis des Larsen-C-Schelfeises und wuchs immer weiter in die Länge. Im Mai 2017 war das Rissende bereits bis auf 20 Kilometer an die Eiskante herangekommen und hatte sich zudem gegabelt.

Abbruch kann jederzeit passieren

Jetzt steht das Schelfeis kurz vor dem endgültigen Bruch: Daten des Sentinel-1 Satelliten der ESA enthüllen, dass die Rissfront nur noch rund fünf Kilometer von der Eiskante entfernt ist. Zudem hat sich der Riss an seiner Front in mehrere Arme gegabelt. „Trotzdem bleibt der Eisberg bisher durch dieses dünne Band aus Eis mit dem Schelf verbunden“, berichten die Eisforscher des MIDAS-Projekts.

Doch der Moment des endgültigen Bruchs kann jederzeit kommen. „Wir erwarten, dass diese Risse zur Bildung mehrerer kleinerer Eisberge führen werden, zusätzlich zum großen Tafeleisberg mit rund 5.800 Quadratkilometer“, so Adrian Luckman und seine Kollegen.

Verzweigte Rissfront im Larsen-C-Schelfeis © MIDAS Project

Schon jetzt registrierten die Eisforscher deutliche Veränderungen im Verhalten der knapp 6.000 Quadratkilometer großen Eisfläche am Rand von Larsen-C: „Der Eisberg in spe verdreifachte sein Tempo und zeigt nun die schnellsten Strömungsgeschwindigkeiten, die jemals auf Larsen-C gemessen wurden“, berichten die Wissenschaftler.

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Welche Folgen hat das Kalben?

Bricht der Eisberg ab, wird das Larsen-C-Eisschelf auf einmal mehr als zehn Prozent seiner Fläche verlieren. Seine Eiskante wird dann so weit Richtung Land zurückversetzt, wie noch nie zuvor beobachtet. „Dieses Ereignis wird die Landschaft der antarktischen Halbinsel fundamental verändern“, erklären Luckman und seine Kollegen.

Eisforscher befürchten, dass das Kalben des gigantischen Tafeleisbergs auch den Rest des Schelfeises destabilisieren wird. „Wir haben ermittelt, dass die neue Konfiguration weniger stabil sein wird als es das Eis vor dem Abbruch war“, so die MIDAS-Forscher. Es könnte daher sein, dass das Larsen-C-Schelfeis nach dem Kalben komplett zerbricht – ähnlich wie es im Jahr 2002 beim benachbarten Larsen-B-Schelfeis nach einem ähnlichen Eisabbruch passierte.

Modell des künftigen Eisbergs, erstellt auf Basis von Daten der Sentinel-1 und Cryosat-Satelliten. © ESA, University of Edinburgh/ N. Gourmelen

Drift bis zu den Falkland-Inseln

Wie der Eisberg des Larsen-C-Schelfeises aussehen wird und wohin er driften könnte, haben Noel Gourmelen von University of Edinburgh mit Hilfe von Daten des ESA-Radarsatelliten Cryosat ermittelt. „Wir haben die Höhe des Eises über dem Meer kartiert und ausgerechnet, dass der künftige Eisberg rund 190 Meter dick sein wird“, berichtet Gourmelen. Der Eiskoloss könnte bis zu 210 Meter tief ins Wasser eintauchen und rund 1.115 Kubikkilometer Eis umfassen.

Angesichts dieser Größe und Masse könnte der neue Larsen-C-Eisberg eine erhebliche Gefahr für Schiffe darstellen, sollte er in eine der Schifffahrtsrouten driften. Seine Bahn wird daher mittels Satelliten genau überwacht werden. „Im Falle dieses Eisbergs sind wir noch nicht sicher, was genau passieren wird“, sagt Anna Hogg von der University of Leeds. „Egal ob er ganz bleibt oder in Stücke zerbricht, werden ihn die Meeresströmungen aber nach Norden treiben, vielleicht sogar bis zu den Falkland-Inseln.“

Sollte dies passieren, könnte der Tafeleisberg zu einer Gefahr für Schiffe werden, die die Drake-Passage an der Südspitze Südamerikas durchfahren. „Die Satelliten Sentinel-1 und Cryosat werden daher eine wichtige Rolle bei der Überwachung des Eisbergs und seiner Veränderungen spielen“, sagt Gourmelen.

(ESA/ MIDAS Project, 11.07.2017 – NPO)

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