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Biologie

Antarktis: Polarforscher-Pelze als Öko-Anzeiger

100 Jahre alte Robbenfelle belegen ökologische Veränderungen im Rossmeer

Diese Hütte nutzten Robert Scott und seine Männer als Basiscamp vor ihrer fatalen Expedition zum Südpol. © Daniel P. Costa

Felle mit tragischer Geschichte: Als Robert Falcon Scott vor gut 100 Jahren zu seiner fatalen Südpolexpedition aufbrach, hinterließ er in einer Hütte einen Vorrat an Essen und Robbenfellen. Diese Felle sind bis heute erhalten – und haben nun spannende Einblicke in die ökologischen Veränderungen im antarktischen Rossmeer geliefert. Denn ihre Analyse belegt, dass sich das Phytoplankton in den letzten 100 Jahren deutlich verändert hat.

Wenn die Polarforscher der antarktischen McMurdo-Station einen Tag frei haben, unternehmen einige von ihnen eine Zeitreise: Sie besuchen die Hütten der frühen Polarforscher Ernest Shackleton und Robert Falcon Scott auf der Ross-Insel. Vom eisigen Klima konserviert, sind im Inneren dieser Hütten bis heute Utensilien, Nahrungsvorräte und Pelze erhalten, die deren Expeditionen vor gut 100 Jahren hinterließen.

„Zeitreise“ auf der Ross-Insel

„Als ich die Hütten zu ersten Mal besuchte, war ich erstaunt, dass sie noch fast im gleichen Zustand sind wie vor 100 Jahren, als die Forscher sie verließen“, berichtet Daniel Costa von der University of California in Santa Cruz. „Ich sah Robbenfelle, Pinguinkadaver und Überreste von Schlittenhunden buchstäblich in der Zeit eingefroren.“ Auch Geschirr und Alltagsobjekte stehen herum, als wären ihre Besitzer nur mal eben vor die Tür getreten.

„Ich habe schon immer darüber nachgedacht, wie wir dieses Material wissenschaftlich nutzen könnten“, sagt Costa. Dann kam ihm die Idee: Die 100 Jahre alten Robbenfelle in den Hütten könnten wertvolle Einblicke in die Lebensweise und den Speiseplan der Weddellrobben vor 100 Jahren liefern. Indirekt könnte dies sogar darüber Auskunft geben, ob und wie sich das Rossmeer seit damals ökologisch verändert hat.

Blick ins Innere von Scotts Hütte am Cape Evans: Alles ist seit gut 100 Jahren fast unverändert geblieben. © Lin Padgham/CC-by-sa 2.0

Klare Unterschiede

Für ihre Studie entnahmen Costa und sein Kollege Luis Huckstadt Proben von 34 Robbenfellen aus der Zeit von Scott und Shackleton. Diese unterzogen sie einer Isotopenanalyse, um Aufschluss über die Umwelt und Ernährung der Tiere zu ihren Lebzeiten zu bekommen. Zum Vergleich rasierten sie 32 lebenden Weddellrobben ein kleines Stückchen Fell ab und analysierten dies ebenfalls.

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Das Ergebnis: Damals wie heute jagen und fressen die Weddellrobben im Rossmeer vor allem Fisch. Aber vor gut 100 Jahren war ihr Speiseplan und damit ihre ökologische Nische offenbar fünfmal umfangreicher als heute – darauf jedenfalls deuteten die Isotopendaten hin. „Für diesen Effekt könnte es aber zwei Erklärungen geben“, betonen die Forscher.

Kleinere Nische oder Wandel an der Basis?

Eine mögliche Erklärung: Die heutigen Weddellrobben könnten sich tatsächlich stärker auf bestimmte Beute spezialisiert haben als ihre Vorfahren. Es könnte zum Beispiel sein, dass einige Fischarten heute nicht mehr so häufig vorkommen wie früher oder eine Beuteart im Rossmeer dominiert und deshalb auch vermehrt gefressen wird. Doch Analysen der Aminosäurezusammensetzung in den Fellen sprechen dagegen, wie die Wissenschaftler berichten.

Weddellrobbe (Leptonychotes weddellii) im McMurdo-Sund des Rossmeeres. © Daniel P. Costa

Stattdessen deuten die Ergebnisse auf eine zweite Möglichkeit hin: Die Isotopenwerte haben sich verändert, weil es Veränderungen an der Basis des Ökosystems gab. „Wechsel in der Zusammensetzung des Phytoplanktons können ebenfalls zu solchen Verschiebungen der Werte führen“, erklären Costa und seine Kollegen. Klimadaten belegen, dass es am Rossmeer vor gut 100 Jahren rund 1,6 Grad kälter und deutlich windiger war als heute. Dadurch dominierten damals andere Algenarten im Phytoplankton als heute.

„Noch immer fast intakt“

Damit geben die Robbenfelle der frühen Polarforscher zumindest in einer Hinsicht Entwarnung: Die Präsenz des Menschen in den Forschungsstationen am Rossmeer scheint bisher die Lebenswelt und den Speiseplan der Weddellrobben kaum beeinträchtigt zu haben. „Das Ökosystem ist zwar nicht mehr ganz unberührt, aber immer noch eines der intaktesten auf diesem Planeten“, sagt Huckstadt. „Ich hoffe, dass das so bleibt.“ (Proceedings of the Royal Society B – Biological Sciences, 2017; doi: 10.1098/rspb.2017.0927)

(University of California – Santa Cruz, 30.08.2017 – NPO)

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