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Klima

Altai mit „Hitzewallungen“

Temperaturen stiegen um 2,5 Grad in 150 Jahren

Altai-Gebirge © Henrik Rhyn

Die Temperaturen im sibirischen Altai-Gebirge sind in den letzten 150 Jahren um 2,5 °C angestiegen. Die Erwärmung liegt damit um das Dreifache über dem Durchschnitt der gesamten Nordhalbkugel. Dies hat ein schweizerisch-russisches Forschungsteam herausgefunden. Nachweisen konnten die Wissenschaftler auch stark erhöhte Konzentrationen von Luftschadstoffen, die auf die Besiedelung und Industrialisierung Sibiriens seit 1940 zurückzuführen sind.

Der Belukha ist mit 4.506 Metern über Meer der höchste Gipfel des Altai-Gebirges im zentralasiatischen Vierländereck Kasachstan, Russland, Mongolei und China. Wegen seiner Höhe ist der Belukha-Gletscher ein hervorragendes Klima- und Umweltarchiv. Unter Leitung des Paul Scherrer Instituts (PSI) erbohrten Forscher im Sommer 2001 einen Eiskern aus dem sibirischen Belukha-Gletscher und dieses untersuchten das gefrorene Klimaarchiv mit speziellen Methoden. Bis in eine Tiefe von 139 Metern trieb die Forschergruppe im Rahmen einer zweiwöchigen Expedition weitab jeglicher Zivilisation einen Eiskernbohrer in den Gletscher. Der Eiskern wurde anschließend in die Schweiz transportiert, wo ihn Umweltforscher verschiedensten Analysen unterzogen. Nun liegen die Ergebnisse vor.

Das Altai-Gebirge befindet sich in einem Gebiet mit ausgeprägtem Kontinentalklima. Dieses ist gekennzeichnet durch starke Temperaturschwankungen im Tages- und Jahreszeitverlauf. Für kontinentale Regionen wird in Folge zunehmender Treibhausgaskonzentrationen eine besonders starke Erwärmung des Klimas vorhergesagt. Außerdem ist das Altai-Gebiet durch enorme Umweltverschmutzungen belastet, vorwiegend aus Bergbau und Schwerindustrie in Ost-Kasachstan und West-Sibirien. Beides bestätigten die Messungen am Eiskern jetzt auf verblüffende Weise.

Temperaturanstieg direkt im Eiskern sichtbar

Der Verlauf der stabilen Sauerstoffisotope im Eis, einer Messgröße, welche die Temperatur bei der Niederschlagsbildung widerspiegelt, zeigt über die vergangenen 150 Jahre hinweg eine Erwärmung um ungefähr 2,5 Grad. Dies ist fast dreimal mehr als die mittlere Erwärmung in der Nordhemisphäre von 0,9 Grad, die mithin für den regionalen Klimawandel nicht aussagekräftig ist. Der markante Anstieg der Temperatur ist nach Angaben der Forscher um Margit Schwikowski auch direkt im Eiskern sichtbar, und zwar an der Zunahme von Schmelzschichten.

Solche Schichten bilden sich, wenn die Lufttemperatur höher als null Grad ist und der Schnee an der Gletscheroberfläche zu schmelzen anfängt. Das Schmelzwasser sickert ein und bildet beim Gefrieren eine Eisschicht, die – im Gegensatz zu normalem, mit Luftblasen durchsetztem Gletschereis – durchsichtig ist. Solche Schmelzprozesse haben in den letzten zehn Jahren erheblich zugenommen, was die Qualität dieses Klimaarchivs unter Eis beeinträchtigt – ein Schicksal, das den meisten Hochgebirgsgletschern droht.

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Erstaunlicher Rückgang der Schadstoffe

Die Konzentrationsverläufe von Luftschadstoffen wie Sulfat aus der Schwerindustrie, Nitrat aus dem Verkehr oder Blei aus der Metallverarbeitung im Belukha-Gletscher zeigen deutliche Unterschiede zu jenen in Alpengletschern. Generell sind erhöhte Konzentrationen erst ab ungefähr 1940 zu erkennen, einhergehend mit der zunehmenden Besiedelung Sibiriens sowie gesteigerten Aktivitäten in Bergbau und Industrie.

Überraschenderweise nehmen die Konzentrationen der meisten Schadstoffe bereits ab 1980 wieder ab und nicht erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion Ende 1991. Das deutet darauf hin, dass das Maximum der industriellen Produktivität bereits vor der Perestroika, der Neugestaltung des sowjetischen Politsystems, erreicht war.

(Paul-Scherrer-Institut (PSI), 22.02.2006 – NPO)

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