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Erdrutsche/Lawinen

Alpen: Mehr Erdrutsche durch den Klimawandel

Vermehrter Starkregen könnte das Risiko für katastrophale Hangrutschungen erhöhen

Hangrutschung
Hangrutschungen durch aufgeweichte Böden könnten im Alpenraum häufiger werden. © Nikolaus Prozsinszk/ Institut für Militärisches Geowesen

Gefahr am Hang: Geht der Klimawandel so weiter, werden im Alpenraum vermehrt Erdrutsche drohen – sofern nicht gegengesteuert wird, wie eine Modellstudie bestätigt. Schon bei 1,5 Grad Erwärmung könnte demnach eine Erdrutsch-Katastrophe wie 2009 im Südosten Österreichs um zehn Prozent wahrscheinlicher werden. Bei vier Grad wären 45 Prozent mehr Fläche von einem solchen Ereignis mit mehr als 3.000 Rutschungen innerhalb von drei Tagen betroffen.

Erdrutsche entstehen meist dann, wenn starke Regenfälle oder schnelle Schneeschmelzen den Boden aufweichen und den Berghängen so die Stabilität nehmen. Ein besonders schweres Ereignis dieser Art ereignete sich Mitte Juni 2009 in der Steiermark. Ein Tiefdruckgebiet überzog die Region im Südosten Österreichs drei Tage lang mit schweren Regenfällen. Dadurch lösten sich mehr als 3.000 Rutschungen, der Notstand wurde ausgerufen, Menschen evakuiert und Schäden von mehr als 13,4 Millionen Euro verursacht.

Reale Katastrophe als Modellfall

Kann sich eine solche Katastrophe wiederholen? Und wie stark steigt das Risiko dafür durch den Klimawandel? Das hat nun ein Team um Douglas Maraun von der Universität Graz näher untersucht. „Wir wollten wissen, wie sich ein solches Ereignis wie 2009 unter künftigen Klimabedingungen entfalten würde“, erklären die Forschenden. Prognosen zufolge werden durch den Klimawandel sommerliche Regenfälle und Starkregen im Alpenraum zunehmen.

Unklar ist allerdings, wie stark dies durch schwindende Schneedecken und damit eine geringere Bodenfeuchte kompensiert werden kann. Denn Rutschungen treten meist dann auf, wenn ein ohnehin feuchter oder sogar wassergesättigter Boden durch Regen noch weiter aufgeweicht wird. Das Team simulierte daher mehrere Klimaszenarien für eine Erwärmung um 1,5 oder vier Grad gegenüber präindustriellen Bedingungen und variierte dabei Bodenfeuchte und Waldbestand.

45 Prozent mehr Flächen betroffen

Das Ergebnis: „Schreitet die Erwärmung ungebremst fort, wird die Gefahr deutlich steigen und die Anzahl an Rutschungen zunehmen“, sagt Maraun. Konkret wären bei vier Grad mehr rund 45 Prozent mehr Gebiete von einem Ereignis wie 2009 betroffen – und dies selbst dann, wenn die Böden durch weniger Schneefall trockener werden. Im Schnitt steigt das Risiko dabei pro Grad Erwärmung um rund zehn Prozent, wie das Team ermittelte.

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Verhindern ließe sich dies nur, wenn die Böden im Alpenraum extrem austrocknen würden oder die Niederschläge weniger stark zunehmen als gemeinhin prognostiziert.

Deutlich besser sieht es hingegen aus, wenn die Erwärmung gemäß dem Klimaschutzziel von Paris auf 1,5 Grad gegenüber präindustriellen Verhältnissen begrenzt wird: Dann wären nur rund zehn Prozent mehr Flächen im Alpen- und Voralpenland durch Erdrutsch-Katastrophen wie 2009 gefährdet. „In Kombination mit der Aufforstung besonders gefährdeter Gebiete ließe sich das Risiko für Hangrutschungen sogar auf dem Niveau von heute halten“, so Maraun.

Mischwälder schützen effektiver

Die Simulationen ergab zudem, dass eine gezielte Anpassung der Berg- und Hangwälder im Alpenraum einen doppelten Nutzen bringen könnten: Ersetzt man die heute noch vielerorts vorherrschenden Fichtenmonokulturen durch Mischwald, hilft dies dem Wald, besser mit einer Erwärmung klarzukommen. Gleichzeitig halten die Laubbäume mit ihren tieferen Wurzeln auch die Böden besser fest und stabilisieren so die Hänge effektiver gegen Rutschungen, wie das Team erklärt.

„Auch wenn unsere Ergebnisse sich nur auf das von uns untersuchte Ereignis beziehen, liefern sie auch allgemeine Einblicke in die Rollen verschiedener meteorologischer Treiber und der Landnutzung auf Erdrutsche“, schreibt das Forschungsteam. „Unsere Studie unterstreicht in jedem Fall die Notwendigkeit des Klimaschutzes und die Vorteile eines proaktiven Landnutzungs-Managements.“ (Communications Earth & Environment, 2022; doi: 10.1038/s43247-022-00408-7)

Quelle: Universität Graz

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