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Zoologie

„Alien“ im Bernstein eines Ringes

Forscher entdecken das evolutionäre Bindeglied zwischen Gottesanbeterinnen und Schaben

Alienoptera war ein Räuber, der auf Bäumen lebte und gut fliegen konnte © Jan-Peter Kasper/ FSU

Missing Link im Bernstein: Die Untersuchung eines 100 Millionen Jahre alten Insekts, das im Bernstein eines Ringes steckte, hat ergeben: Es handelt sich um das lang gesuchte evolutionäre Bindeglied zwischen den Schaben und den Gottesanbeterinnen. Wegen der fremdartigen Merkmale nannten die Wissenschaftler die neue Insektenordnung „Alienoptera“.

Wissenschaftler wissen schon lange, dass Gottesanbeterin und Schabe miteinander verwandt sind. „Aber bisher hat das verbindende Element zwischen den beiden Ordnungen gefehlt“, erklärt der Evolutionsbiologe Benjamin Wipfler von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Nun haben er und seine Kollegen jedoch ein 100 Millionen Jahre altes Fossil in einem Bernstein als das entscheidende Bindeglied identifiziert.

Der Bernstein zierte zunächst einen Ring

Wie Wipfler berichtet, kam ihm das in dem Stein eingeschlossene Insekt zunächst wie ein Wolpertinger vor – die legendären Mischwesen, die aus verschiedenen Tieren zusammengesetzt sind. Denn das Insekt schien ein wenig Heuschrecke, ein bisschen Käfer, etwas Ohrwurm, aber vor allem auch Gottesanbeterin zu sein. Nach detaillierten Untersuchungen kristallisierte sich dann allerdings heraus: Es ist das Missing Link zwischen Schabe und Gottesanbeterin.

Die Entdeckungsgeschichte des spektakulären Fundes trägt indes kuriose Züge: Der „gehaltvolle“ Bernstein aus Burma zierte zunächst einen Ring. Ein chinesischer Sammler hatte das skurrile Kleinod auf einem Bernsteinmarkt in China erworben. Weil ihm das 1,4-Zentimeter-lange Insekt ungewöhnlich vorkam, wandte er sich an die chinesische Akademie der Wissenschaften.

Ein Alien unter den Insekten

Mit dem Institut arbeiten die Jenaer Biologen seit Jahren eng zusammen. „Unser chinesischer Kollege Ming Bai und sein Team fotografierten das Fossil und untersuchten es mittels Mikrocomputertomografie“, berichtet der Jenaer Insektenexperte Rolf Beutel. „Wir haben dann daraus 3-D-Modelle gemacht und die Daten ausgewertet.“

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So konnten die Forscher etwa den Flügel am Computer visuell entfernen sowie die Beine und den Geschlechtsapparat des männlichen Tieres genauer analysieren. Es wurde dadurch klar, dass es sich um einen Vertreter einer bislang unbekannten Ordnung der Insekten handelte. Wegen der Andersartigkeit gaben die Wissenschaftler der neuen Ordnung den Namen „Alienoptera“ (lat. alienus „fremd“).

Ein Räuber – aber anders

Den Forschern zufolge waren die Merkmale der Beine für die Einordnung besonders wichtig. „An den Extremitäten und an dem sehr beweglichen Kopf erkennen wir, dass die Vertreter der neuen Spezies – genauso wie die Gottesanbeterin – auf die Jagd gingen“, sagt Wipfler. Nur unterschied sich die Vorgehensweise wegen einer anatomischen Besonderheit offenbar erheblich.

„Die Gottesanbeterinnen sind mit dornenbesetzten Fangbeinen ausgestattet, die ähnlich einem Taschenmesser zusammenklappen und dabei die Beute, vor allem größere Insekten, fixieren“, erklärt der Biologe. „Die Alienoptera setzen beim Nahrungserwerb zwar auch die Vorderbeine ein, allerdings befinden sich darauf dichte Reihen von feinen Borsten, was sich eher dazu eignete, kleine Beuteobjekte wie etwa Blattläuse oder Milben aufzusammeln.“

Ein guter Flieger

Wegen dieses Jagdmechanismus gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die Tiere auf Bäumen und Sträuchern lebten. Dafür sprechen ihnen zufolge auch die spezialisierten Haftstrukturen an den Füßen.

Wie die Biologen durch die Computeranalysen belegen konnten, waren die Alienoptera wohl auch gute Flieger. Dabei ist offenbar der besonders schalenartige Vorderflügel auffällig, der weder bei Schaben noch bei Gottesanbeterinnen vorkommt. Es handelt sich hingegen um ein Merkmal von Käfern und Ohrwürmern. Das sattelförmige Rückenteil der Vorderbrust erinnerte wiederum an Heuschrecken. Rolf Beutel resümiert rückblickend die Forschungsarbeiten an dem skurrilen Insekt: „Das war Detektivarbeit – da fängt Wissenschaft an, richtig Spaß zu machen.“ (Gondwana Research, 2016; doi: 10.1016/j.gr.2016.02.002/science.aaf1092)

(Friedrich-Schiller-Universität Jena, 20.05.2016 – DAL)

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