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Geowissen

Aktive Verwerfung im Mittelmeer entdeckt

Vermeintlich alte Plattengrenze vor Sizilien erweist sich als weiterhin aktiv

Südlich von Sizilien und Kalabrien haben Forscher eine aktive Plattengrenze im Meeresgrund aufgespürt. © NASA

Versteckte Gefahr: Eine Verwerfung östlich von Sizilien ist doch noch tektonisch aktiv – und birgt eine potenzielle Erdbebengefahr. Eine neue Kartierung des Meeresgrunds enthüllt, dass an dieser vermeintlich inaktiven Plattengrenze noch immer eine Subduktion stattfindet. Auch wenn die Plattenteile sich dort nur langsam bewegen, kann sich dort im Laufe der Zeit Spannung aufstauen und Erdbeben auslösen, wie die Forscher berichten.

Das Mittelmeer liegt in mitten einer chaotisch zerbrochenen Kollisionszone der Erdkruste. Die Nordwanderung Afrikas hat hier im Laufe der Jahrmillionen den Untergrund in ein wahres Puzzle aus Plattenteilen und Verwerfungen zerlegt – entsprechend unübersichtlich ist die geologische Lage. Neben uralten Plattenrelikten liegen Zonen aktiver Krustenbewegungen und akuter Erdbebengefahr. „Das macht die genaue Gefahrenanalyse für bestimmte Räume sehr schwierig“, erläutert Heidrun Kopp vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Um mehr Klarheit in die Lage zu bringen, haben sie und ihre Kollegen in den vergangenen Jahren den Meeresboden südlich von Sizilien und Kalabrien intensiv untersucht und kartiert. „Historische Naturkatastrophen zeugen von Aktivitäten in diesem Gebiet, aber bisher waren die Ursachen nicht genau bekannt“, sagt Kopp. Zwar hatte man in diesem Gebiet schon zuvor Indizien für eine mögliche Verwerfung entdeckt, es war jedoch umstritten, ob diese noch aktiv ist.

Aktive Subduktion

Die neue Kartierung enthüllt: Vor der Südostküste Siziliens liegt tatsächlich eine Plattengrenze im Meeresgrund – und sie ist noch aktiv. Die Analysen des Untergrunds zeigen, dass entlang dieser Verwerfung ein Plattenstück unter das andere gedrückt wird – es handelt sich um eine aktive Subduktion.

Topographie des Meeresbodens vor der Ostküste Siziliens, gewonnen aus Daten verschiedener Expeditionen © Marc-André Gutscher/ U. Brest

„Die Platten bewegen sich langsam, aber so, dass sie Spannungen im Erdinneren aufbauen können“, berichtet Kopp. Im Laufe langer Zeiträume „schluckt“ diese Plattengrenze Teile des Meeresbodens südlich von Sizilien und Kalabrien. Ausläufer dieser Verwerfung reichen bis in den Osten Siziliens und in die Straße von Messina.

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Erdbebenträchtiges Gebiet

Die untersuchte Region ist auch deshalb von großem Interesse, weil sich dort schon häufiger verheerende Erdbeben und Tsunamis ereigneten. So forderte ein Erdbeben in der Meerenge von Messina mit darauffolgendem Tsunami im Jahr 1908 rund 72.000 Menschenleben. Die genauen tektonischen Ursachen dieses und weiterer Erdbeben blieben aber bisher unklar.

„Natürlich können wir auch mit den neuen Erkenntnissen nicht vorhersagen, ob und wann sich hier ein schweres Beben genau ereignen wird“, betont Kopp. „Aber je mehr wir über den Meeresboden und seinen Aufbau im Detail wissen, desto besser können wir abschätzen, wo die Wahrscheinlichkeit für Naturgefahren besonders hoch ist.“ (Earth and Planetary Science Letters, 2017; doi: 10.1016/j.epsl.2016.12.020)

(GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, 25.01.2017 – NPO)

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