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Archäologie

Ägypten: Dem Kult der Schlangengöttin auf der Spur

Mehrere Tote in der Nekropole Sakkara waren Priesterinnen eines geheimnisvollen Kults

Diese silberne Totenmaske könnte einst einer Priesterin der ägyptischen Schlangengöttin Niut-schies gehört haben. © Saqqara Saite Tombs Project/ Ramadan Hussein

Mysteriöse Riten: Vor 2.600 Jahren verehrte man in Ägypten offenbar eine geheimnisvolle Schlangengöttin namens Niut-schies. Davon zeugen Sarkophage und Mumien von Priesterinnen dieses Kults in der ägyptischen Totenstadt Sakkara. Die in 30 Meter Tiefe liegenden Gräber dieser Toten sind ungewöhnlich reich ausgestattet. Demnach hatten die Priesterinnen der geheimnisvollen Schlangengöttin einen hohen sozialen und wirtschaftlichen Status, wie die Archäologen berichten.

Die Nekropole von Sakkara gehört zu den größten und am längsten genutzten Totenstädten des alten Ägypten. Schon vor rund 5.000 Jahren wurden hier Könige und Würdenträger in Grabbauten und Pyramiden bestattet. Später diente die Totenstadt als Begräbnisort für hochrangige Priester, aber auch für Pharaonen und ihre Gemahlinnen. Erst 2018 entdeckten Archäologen in einem neu entdeckten Grab eine Priestermumie mit silberner Totenmaske.

GRabkammern
Die Grabkammern der Priesterinnen liegen 30 Meter unter der Erde. © Kingdom oft he Mummies

Priesterinnen der Schlangengöttin

Jetzt berichtet das deutsch-ägyptische Grabungsteam über neue, besonders spannende Funde aus der Totenstadt. Wie die Silbermaske stammen sie aus einer unberührten Grabanlage in rund 30 Metern Tiefe, die die Archäologen seit 2016 untersuchen. Die Gräber sind rund 2.600 Jahre alt und stammen damit aus der 26. Dynastie. Inzwischen haben die Forscher in diesem unterirdischen Friedhof bereits 17 Mumien in sechs verschiedenen Grabkammern gefunden.

Doch nun gibt es erstmals genauere Hinweise darauf, wer diese Toten waren. Denn aus Inschriften auf den Sarkophagen geht hervor, dass es sich um Priesterinnen einer geheimnisvollen Schlangengöttin namens Niut-schies handelte. Der Kult um diese Göttin kam offenbar während der 26. Dynastie auf, wie Archäologen der Universität Tübingen erklären. So weiß man, dass es in Memphis damals einen großen Tempel für diese Schlangengöttin gab.

Wie sich nun zeigt, sind in der Grabanlage von Sakkara mindestens zwei Generationen von Priesterinnen dieses Kults bestattet.

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Wertvolle Grabbeigaben und gleich sechs Kanopenkrüge

Die Gräber belegen, dass die Priesterinnen dieses Schlangenkults in Ägypten einen hohen Rang bekleideten und über beträchtliche finanzielle Mittel verfügten. Denn die sterblichen Überreste der Priesterinnen von Niut-schies waren in hochwertigen Sarkophagen bestattet und erhielten wertvolle Grabbeigaben wie Kanopen-Krüge aus Alabaster, Statuetten und Totenmasken mit ins Jenseits, wie die Archäologen berichten.

Niut-schies
Name der Schlangengöttin Niut-schies auf einem der Sarkophage. © Kingdom oft he Mummies

Von der herausgehobenen Stellung der Schlagen-Priesterinnen zeugt vor allem eine Tote in der sechsten, erst im Jahr 2019 hinter einer Steinwand entdeckten Grabkammer. Neben drei anderen Toten war dort eine Priesterin namens Didibastet bestattet, die offenbar einen besonders hohen Rang bekleidete. Denn statt der sonst üblichen vier Kanopenkrüge mit einbalsamierten Eingeweiden besaß Didibastet gleich sechs solcher Krüge – so viele sind noch nie in einem ägyptischen Grab gefunden worden.

Eine Durchleuchtung enthüllte, dass in allen sechs Kanopenkrügen Reste menschlicher Eingeweide zu finden waren. Welche dies sind und ob Didibastet demnach mehr als nur die sonst üblichen Organe Lunge, Leber, Darm und Magen/Milz mit ins Jenseits bekam, ist noch unklar. Ein Radiologe arbeitet noch daran, die Eingeweide zu identifizieren, wie die Forscher berichten.

Priester mit „Migrationshintergrund“?

Besonders interessant sind auch die Überreste zweier weiterer Toten in der gleichen Grabkammer. Den Inschriften auf den Sarkophagen zufolge handelt es sich um einen Priester und eine Priesterin, die Ayput und Tjanimit hießen. Das Überraschende daran: Diese Namen waren damals bei Ägyptern unüblich, aber unter libyschen Einwanderern verbreitet. Diese hatten sich etwa ab der 22. Dynastie in Ägypten niedergelassen.

Nach Ansicht der Archäologen könnte dies darauf bedeuten, dass auch diese beiden Angehörigen der Priesterkaste einen „Migrationshintergrund“ hatten. Zu dieser Zeit wäre dies nicht unbedingt ungewöhnlich, den das alte Ägypten gilt als multikulturelle Gesellschaft. Einwanderer aus verschiedenen Teilen der antiken Welt, darunter Griechen, Libyer und Phönizier, fanden dort Aufnahme.

Reines Silber und eigene Mumifizierungswerkstatt

Neue Informationen haben die Archäologen auch zur der vergoldeten Silbermaske, die sie 2018 in Sakkara entdeckt hatten. „Durch Röntgenfluoreszenz konnten wir feststellen, dass hier außerordentlich wertvolles Material verwendet wurde“, berichtet der ägyptische Grabungsleiter Ramadan Badry Hussein. Das Silber weise eine Reinheit von 99,07 Prozent auf, das sei sogar mehr als die üblichen 92,5 Prozent bei einem Sterling Silber.

Zurzeit sind die Wissenschaftler dabei, die in der neben den Grabkammern gelegenen Mumifizierungswerkstatt konservierten Gefäße mit Resten von Fetten, Ölen und Harzen näher zu analysieren. Denn dies könnte Aufschluss darüber geben, welche Substanzen die alten Ägypter zur Konservierung ihrer Toten verwendeten. „Diese Funde aus Sakkara ermöglichen einen einmaligen Einblick in die Balsamierungspraktiken der alten Ägypter“, sagt Philipp Stockhammer, Projektpartner an der LMU München.

3D-Laserscan der Priesterinnen-Grabanlage in Sakkara.© eScience Center / Universität Tübingen

Die Funde aus Sakkara werden die Forscher noch eine Weile beschäftigen: Aus den Gräbern wurden insgesamt 54 Mumien und Skelette, fünf große Sarkophage, ein Dutzend Kanopenkrüge aus Kalzit (ägyptischer Alabaster) und tausende von Shawabtis-Figuren geborgen. Ab Winter 2020 wollen die Wissenschaftler wieder vor Ort weiterarbeiten.

Quelle: Eberhard Karls Universität Tübingen

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