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Geowissen

3D-Blick in die „Unterwelt“ der Antarktis

Schwerefeldmessungen enthüllen Krustenstruktur unter dem eisigen Kontinent

Antarktis-Kruste
Ein neues 3D-Modell gewährt Einblick in die tiefe Struktur der Antarktis. © ESA/ Planetary Visions

Verborgene Tiefen: Forscher haben erstmals genauere Einblicke in die Struktur von Kruste und oberem Erdmantel unter der Antarktis gewonnen. Auf Basis von Schwerefeldmessungen und seismologischen Modellen haben sie ein neues 3D-Modell der antarktischen „Unterwelt“ erstellt. Dieses enthüllt unter anderem, dass die Lithosphäre unter der Ostantarktis bis zu viermal dicker ist als unter der Westantarktis.

Der dicke Eispanzer von bis zu vier Kilometern Dicke und die lebensfeindliche Kälte machen die Antarktis zu einem der am wenigsten erforschten Gebiete der Welt. Kein Wunder daher, dass selbst tiefe Schluchten oder riesige Vulkanfelder unter dem Eis erst in den letzten Jahren per Radarsatelliten aufgespürt worden sind. Schon länger gibt es zudem Hinweise darauf, dass sich Ost- und Westantarktis in Bezug auf ihre Krustenstruktur deutlich unterscheiden.

Antarktis
Was unter dem dicken Eispanzer der Antarkis verborgen liegt, ist bislang erst in Teilen erkundet. © ESA/Planetary Visions

Blick unter die Oberfläche

Neue Erkenntnisse zur „Unterwelt“ der Antarktis liefert nun eine Studie, für die Forscher Schwerefelddaten des Daten des GOCE-Satelliten der ESA ausgewertet haben. In Kombination mit seismologischen Modellen erstellten Folker Pappa von der Universität Kiel und sein Team daraus ein 3D-Modell der antarktischen Lithosphärenstruktur – der tiefen Kruste und des oberen, festen Erdmantels unter dem vereisten Kontinent.

Das neue 3D-Modell zeigt, wie weit die festen Gesteinswurzeln der Antarktis in die Tiefe hinabreichen und macht auch Unterschiede zwischen dem West- und Ostteil des Kontinents deutlich. „3D Earth bietet uns verlockende neue geophysikalische Erkenntnisse über die tiefe Struktur und Entwicklung des antarktischen Kontinents“, erklärt Koautor Fausto Ferraccioli vom British Antarctic Survey. „Wir lernen die Antarktis erstmals richtig kennen.“

Dünne Kruste im Westen, dicke im Osten

Konkret zeigt das Modell: „Unter der geologisch gesehen jungen Westantarktis ist die Erdkruste mit etwa 25 Kilometern vergleichsweise dünn und der Erdmantel ist bereits in weniger als 100 Kilometern Tiefe zähflüssig“, berichtet Pappa. „Ostantarktika hingegen ist ein kratonischer Schild mit dicker Kruste, der über eine Milliarde Jahre alt ist. Hier hat das Mantelgestein noch in über 200 Kilometern Tiefe feste Eigenschaften.“

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Die Struktur des Untergrunds liefert den Forschern neue Anhaltspunkte zur tektonischen Geschichte des eisigen Kontinents: „Damit können wir auch die früheren Verbindungen Antarktikas zu anderen Kontinenten wie Australien, Afrika und Indien besser verstehen“, sagt Ferraccioli. Am mächtigsten sind die festen Wurzeln der Antarktis unter einem mehr als dreitausend Meter hohen subglazialen Gebirge in der Ostantarktis: „Hier ist die feste Erde mit rund 260 Kilometern am mächtigsten. Das ist eine spannende Struktur, von der wir nicht wissen, wie sie genau aussieht, denn das Gebirge ist vollständig von Eisschilden bedeckt“, berichtet Pappa.

Die „Unterwelt“ der Antarktis als 3D-Modell.© ESA/ Planetary Visions

Auffallende Temperaturunterschiede

Passend dazu zeigen sich auch klare Unterschiede in der Temperaturentwicklung des Untergrunds: „Der Querschnitt demonstriert auffallende Temperaturunterschiede innerhalb des oberen Mantels von West- und Ostantarktis“, berichten die Forscher. Bis zum Transantarktischen Gebirge erreicht das Gestein schon in Tiefen von 70 Kilometern mehr als 1000 Grad, östlich davon fällt die heiße Zone abrupt bis auf rund 200 Kilometer ab.

Die Temperaturunterschiede beeinflussen nicht nur die Festigkeit des Gesteins und den Wärmefluss im Untergrund, sie bestimmen auch, wie elastisch der Untergrund auf die Auflast des Eises und auf tektonische Bewegungen reagiert. „Die Unterschiede haben dazu geführt, dass sich verschiedene Regionen des Kontinents mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten gehoben und gesenkt haben – und dies auch heute tun“, sagt Koautor Wouter van der Wal von der Technischen Universität Delft.

„Das sind natürliche Wechselwirkungen zwischen Eis und der festen Erde. Im Detail konnten diese Vorgänge in der Antarktis aufgrund bislang der fehlenden Erdmodelle nicht genauer untersucht werden“, ergänzt Pappa. (Geophysical Research: Solid Earth, 2019; doi: 10.1029/2019JB017997)

Quelle: ESA, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

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