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Klima

Zu viele fossile Reserven vorhanden

Klimaschutzziel ist nur erreichbar, wenn ein Großteil fossiler Brennstoffe ungenutzt bleibt

Erdgasfackel: Das Zwei-Grad-Klimaschutzziel ist nur erreichbar, wenn ein großer Teil der vorhandenen fossilen Brennstoffe unverbrannt bleibt. © Battenbrook / (CC BY-SA 3.0)

Im Boden lassen, statt verbrennen: Die vorhandenen Reserven an fossilen Brennstoffen übersteigen die Menge, die wir im Rahmen des Klimaschutzes in den nächsten Jahrzehnten zu Kohlendioxid verbrennen dürfen. Britische Forscher haben ausgerechnet, dass etwa ein Drittel des vorhandenen Öls, die Hälfte des Erdgases und vier Fünftel der Kohle im Boden bleiben müssen – nur so lässt sich das Zwei-Grad-Klimaschutzziel bis 2100 noch erreichen. Im Fachmagazin „Nature“ zeigen sie auch, wo vorhandene Ressourcen und „erlaubte“ Nutzung am weitesten auseinander klaffen.

Nach den Daten des jüngsten Weltklimaberichts haben wir für die Zeit bis 2050 nur noch ein Budget von 870 bis 1.240 Gigatonnen Kohlendioxid. Nur wenn wir global in diesem Emissions-Bereich bleiben, gibt es eine Chance, den Anstieg der Durchschnittstemperatur bis 2100 auf zwei Grad zu begrenzen. „Dieses Budget aber hat bedeutende Auswirkungen für die künftige Nutzung von Öl, Gas und Kohle“, erklären Christophe McGlade und Paul Ekins vom University College London.

Dilemma: Ausbeutung gegen Klimaschutz

Denn zwischen dem, was im Sinne des Klimaschutzes erlaubt wäre und dem, was an Reserven und Ressourcen dieser Energierohstoffe weltweit vorhanden ist, gibt es eine gewaltige Diskrepanz. Allein die Reserven – die mit heutigen technischen Mitteln förderbaren Rohstoffe – liegen nach Schätzungen der beiden Forscher fast doppelt so hoch, die Ressourcen übertreffen das Soll-Budget sogar um das Zehnfache. Das Dilemma liegt damit auf der Hand: Einerseits versucht weltweit fast jeder Staat, so viel Öl, Gas und Kohle wie möglich aus seinem Untergrund zu holen. Denn das macht unabhängiger vom Weltmarkt und wirkt Ängsten einer Energieknappheit entgegen. Andererseits aber ist klar, dass die ungebremste Ausbeutung der fossilen Brennstoffe dem Klima schadet und damit langfristig allen.

McGlade und Ekins haben nun erstmals ermittelt, wie viel von welchen Rohstoffen wir weltweit bis 2050 noch nutzen dürfen. Dafür sammelten sie Daten zu den Reserven und Ressourcen von Erdöl, Erdgas und Kohle in den verschiedenen Regionen der Erde und kombinierten diese mit Daten zur bisherigen Nutzung. Diese Werte fügten sie in ein globales Modell ein, das sowohl das Klima als auch die technologische und wirtschaftlich-soziale Entwicklung bis 2100 simuliert. Für die Studie entwickelten die Forscher sowohl Szenarien mit einer Kohlenstoffabscheidung und Speicherung (CCS) als auch ohne und ermittelten so den Anteil der noch erlaubten Nutzung der Ressourcen.

Ein Großteil muss unverbrannt bleiben

Die Abgase fossiler Brennstoffe enthalten klimaschädliches Kohlendioxid. © freeimages

Das Ergebnis: Wenn das Zwei-Grad-Ziel erreicht werden soll, dann müssen 30 Prozent aller Ölreserven, 50 Prozent aller Gasreserven und sogar 80 Prozent aller Kohlereserven bis 2050 ungenutzt im Boden bleiben. Wird bei der Förderung dieser Rohstoffe nicht die Technologie des CCS eingesetzt, dann sind es sogar noch etwas mehr, wie die Forscher berichten. Für den Mittleren Osten würde dies bedeuten, dass sie fast die Hälfte ihrer Öl- und Gasreserven im Boden lassen müssen. Die USA und Russland nutzen bisher erst rund zehn Prozent ihrer Kohlereserven, einen Großteil davon müssten sie auch künftig unverbrannt lassen, damit das Budget eingehalten werden kann.

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Die Förderung unkonventioneller Gasressourcen beispielsweise durch Fracking boomt zurzeit vor allem in den USA. Sollten aber Indien, China, Afrika und der Mittlere Osten nachziehen, die alle ebenfalls große Vorkommen von Schiefergas besitzen, wäre ein Scheitern des Klimaschutzziels vorprogrammiert, warnen McGlade und Ekins. Stattdessen müssen mehr als 80 Prozent der weltweiten unkonventionellen Gasressourcen unverbrannt im Boden bleiben, soll das CO2-Budget eingehalten werden. Die Öl- und Gasvorkommen der Arktis, die bisher unangetastet geblieben sind, dürften nach ihren Szenarien sogar gar nicht erschlossen werden.

„Verteilungsproblem des Klimaschutzes“

„Damit beleuchten McGlades und Ekins‘ Ergebnisse klar das Verteilungsproblem des Klimaschutzes“, konstatieren Michael Jakob und Jérôme Hilaire vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in einem begleitenden Kommentar. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer sitzen auf riesigen Vorkommen von fossilen Brennstoffen, die sie bisher kaum genutzt haben. In diesen Ressourcen sehen sie eine Chance, sich wirtschaftlich und technisch voranzubringen. Doch soll der Klimaschutz greifen, dürften sie diese Chance nicht nutzen – zurecht ein Grund, sich über Ungerechtigkeit zu beklagen.

Nach Ansicht von Jakob und Hilaire hat deshalb nur ein Klimaschutzabkommen Aussicht auf Erfolg, das die Verlierer des begrenzten CO2-Budgets angemessen entschädigt. „Indem McGlade und Ekins die potenziellen Verlierer und Gewinner des Klimaschutzes identifizieren, leisten sie wertvolle Hilfe dabei, ein solches gerechtes Abkommen zu entwerfen“, schließen die Kommentatoren. Ob sich diese Erkenntnisse allerdings auch in den Klimaverhandlungen niederschlagen werden, bleibt abzuwarten. (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature14016)

(McGlade & Ekins, Nature / PIK, 08.01.2015 – NPO)

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