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Energie

Könnte uns Nordafrika mit grünem Wasserstoff versorgen?

Studie zeigt Machbarkeit und Potenzial für importierte Brennstoffe aus erneuerbaren Energien

solarthermisches Kraftwerk
Der Nahe Osten und Nordafrika haben großes Potenzial für die Erzeugung von Sonnen- und Windstrom, wie hier durch ein solarthermisches Kraftwerk. © SENER

Das Potenzial ist da: Um Verkehr und Industrie auf erneuerbare Energien umzustellen, werden enorme Mengen grüner Strom, Wasserstoff und alternative Kraftstoffe benötigt – zu viel, um sie komplett im eigenen Land zu produzieren. Abhilfe könnten aber entsprechende Anlagen im Nahen Osten und Nordafrika bieten. Denn dort könnten einer Studie zufolge jährlich mehr als 400.000 Terawattstunden Sonnen- und Windstrom erzeugt und daraus Energieträger für weniger als zwei Euro pro Liter gewonnen werden – vorausgesetzt, man investiert.

Für die Energiewende und besonders für die Dekarbonisierung der emissionsreichen Sektoren Verkehr und Industrie sind enorme Mengen an grünem Strom, Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen nötig. Doch woher nehmen? Es ist absehbar, dass Deutschland nur einen Teil seines künftigen Wasserstoff- und Strombedarfs selbst decken kann. Deutlich mehr Potenzial gibt es dagegen dort, wo Sonne und Wind reichlich vorhanden sind und günstig in erneuerbare Energieträger umgewandelt werden können.

Potenzial, Kosten und Risiken im Blick

Welche Rolle künftig der Nahe Osten und Nordafrika spielen könnten, um Deutschland und Europa mit Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen zu versorgen, haben nun Forschende des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) untersucht. Sie ermittelten für 17 Länder dieser sogenannten MENA-Region zunächst, welches Potenzial für die Energiegewinnung durch Photovoltaik, Solarthermie und Windkraft besteht.

Im nächsten Schritt modellierten die Forschenden die gesamte Produktionskette für synthetische Kraftstoffe inklusive der nötigen Energie- und Wasserstoffspeicher. Sie prüften dann, wie viele „grüne“ Brennstoffe die verschiedenen Länder zu welchen Kosten produzieren könnten. Dabei flossen auch Analysen der Ressourcen, der politischen Rahmenbedingungen sowie der Risiken und Rahmenbedingungen für Investitionen ein.

„Zum ersten Mal liegt uns damit eine umfangreiche Analyse vor – als Grundlage für weitere Forschungsarbeiten, aber auch als Informationsquelle und Basis für Entscheiderinnen und Entscheider in Industrie und Politik“, sagt Jürgen Kern vom DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme.

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Reichlich Potenzial für Wasserstoff und Co

Das Ergebnis: Theoretisch könnten Nordafrika und der Nahe Osten jährlich rund 413.000 Terawattstunden an erneuerbaren Energien erzeugen. Dieser grüne Strom könnte vor allem durch Solarenergie in Form von Photovoltaik und solarthermischen Kraftwerken produziert werden. Das setzt allerdings voraus, dass in entsprechende Anlagen investiert wird. Denn die Länder der MENA-Region können selbst nur begrenzte Erzeugungskapazitäten für Solar- und Windstrom aufbringen.

Kosten
Am günstigsten wäre die Produktion von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen in der MENA-Region mittels Photovoltaik. © DLR/ CC-by-nc-nd 3.0

Sollten entsprechende Anlagen aber gebaut werden, wäre das Potenzial auch für die Produktion günstigem Wasserstoff und Synfuels sehr groß: „Nahezu alle MENA-Länder weisen bedeutende Potenziale auf, um synthetische Kraftstoffe zu geringen Gestehungskosten herzustellen“, berichtet das Team. Abhängig vom angenommenen Entwicklungsszenario – negativ, konservativ, positiv – könnte das Exportpotenzial für diese Energieträger den deutschen Bedarf an synthetischen Kraftstoffen um das 60- bis 1.200-Fache übersteigen.

Kosten für Import bei unter zwei Euro pro Liter

Positiv auch: Die Kosten für grünen Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe aus Nordafrika und dem Nahen Osten wären vergleichsweise gering: „In den günstigsten Standorten liegen die Power-to-Liquid-Gestehungskosten – gerechnet bei mittleren Investitionskosten – im Jahr 2030 bei 1,92 bis 2,65 Euro pro Liter und im Jahr 2050 bei 1,22 bis 1,65 Euro pro Liter“, berichten Peter Viebahn vom Wuppertal-Institut und seine Kollegen.

Das Exportpotenzial von synthetischen Kraftstoffen, die für weniger als zwei Euro pro Liter hergestellt werden könnten, liegt demnach selbst bei negativen Investitionsbedingungen im Jahr 2050 bei rund 28.000 Terawattstunden. In diesem Szenario würden die Energieträger primär in MENA-Ländern mit guten technischen Potenzialen und stabilen Verhältnissen erzeugt. Entwickeln sich die Investitionsbedingungen dagegen positiv, könnten sogar mehr als 50.000 Terawattstunden pro Jahr aus Nordafrika und dem Nahen Osten nach Europa exportiert werden.

Brennstoffimport günstiger als Stromimport

Die Studie zeigt auch, dass des sich nicht lohnt, den Sonnen- und Windstrom aus Nordafrika und dem Nahen Osten direkt nach Europa zu importieren – die Kosten für die entsprechenden Stromleitungen wären zu hoch. Deutlich lohnender ist es daher, die erneuerbare Energie in Form von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen nach Europa zu bringen. „Der Grund sind die vergleichsweise geringen Transportkosten und die bessere Ausnutzung der Erzeugungspotenziale am Herstellungsort“, erklären die Forschenden.

Voraussetzung für den Export synthetischer Kraftstoffe ist allerdings der umfassende Ausbau der erneuerbaren Energien in der MENA-Region. Zusätzlich zum Aufbau der Produktionskapazitäten für synthetische Kraftstoffe in industriellem Maßstab müsste auch der Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich intensiviert werden. Idealerweise ergänzen und verstärken sich inländische Versorgung und Export gegenseitig. (Projekt MENA-Fuels Ergebnisbericht)

Quelle: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

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