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Klima

Klimakrise: Ölkonzern wusste schon in den 1970ern Bescheid

Interne Prognosen von ExxonMobil sagten "Warmzeit" durch fossile Brennstoffe präzise voraus

Klimaprognose
Der Ölkonzern ExxonMobil kannte schon in den 1970er Jahren die Klimarisiken von fossilen Brennstoffen verblüffend genau. © NicoElNino

Verschwiegene Risiken: Der Ölkonzern ExxonMobil wusste schon 1977, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe eine starke globale Erwärmung verursachen würde, wie eine Studie enthüllt. Demnach sagten interne Studien schon damals ein von anthropogenen Emissionen verursachtes Super-Interglazial voraus – einer in der Menschheitsgeschichte nie dagewesenen Warmzeit. Dennoch spielte das Unternehmen die Risiken der Nutzung von Erdöl, Gas und Kohle nach außen herunter.

Inzwischen sind der anthropogene Klimawandel und seine Folgen nicht mehr zu übersehen. Wie von Klimaforschern schon vor fast 50 Jahren vorhergesagt, führen die Treibhausgas-Emissionen fossiler Brennstoffe zu einer immer stärkeren globalen Erwärmung. Doch lange Zeit versuchten vor allem die großen Ölkonzerne, die Gefahren des Klimawandels in der Öffentlichkeit herunterzuspielen. Sie lancierten dafür Falschinformationen, versuchten seriöse Klimastudien zu diskreditieren und säten Zweifel an wissenschaftlichen Klimaprognosen.

Exxon-Raffinierie
Öl-Raffinerie von ExxonMobil in Louisiana. © WClarke/ CC-by-sa 4.0

Interne Prognosen schon ab 1977

Wie gut Ölkonzerne wie ExxonMobil aber schon in den 1970er Jahren über die Klimarisiken ihrer Produkte Bescheid wussten, enthüllt jetzt eine Studie von Forschern um Geoffrey Supran von der Harvard University. Sie haben erstmals 32 interne Klimastudien des Unternehmens aus der Zeit von 1977 bis 2003, sowie 72 von Exxon-Forschern veröffentlichte Fachartikel aus der Zeit von 1982 bis 2014 analysiert. Es ist die erste systematische Bewertung der Klimaprognosen der fossilen Brennstoffindustrie überhaupt.

Die Ergebnisse sind entlarvend, denn sie enthüllen, wie genau der Ölkonzern schon 1977 über die Gefahren der fossilen Brennstoffe und ihrer Emissionen Bescheid wusste. „Wir stellen fest, dass die meisten ihrer Projektionen eine Erwärmung vorhersagen, die mit späteren Beobachtungen übereinstimmt“, so die Forscher. „Ihre Vorhersagen waren mindestens so gut wie die unabhängigen akademischen und staatlichen Prognosen.“

Präzise Vorhersagen einer anthropogenen „Warmzeit“

Konkret sagten die internen Prognosen von ExxonMobil schon vor gut 40 Jahren voraus, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe zu einer globalen Erwärmung von 0,20 Grad Celsius pro Jahrzehnt führen würde. Die internen Exxon-Dokumente sagten sogar voraus, wann die anthropogene Erwärmung sich erstmals eindeutig in den Messdaten zeigen würde und wie viel CO2 die Menschheit ausstoßen dürfte, um die Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen.

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Exxon-Prognosen
Klimaprognosen von ExxonMobil aus der Zeit von 1977 bis 2013 (grau) und real gemessene Erwärmung (rot). Helle Grautöne stammen von frühen Prognosen, dunkle vom späten. © Supran et al./ Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

„Eine Exxon-Projektion sagte sogar schon 1977 korrekt voraus, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe ein ‚kohlendioxidinduziertes Superinterglazial‘ verursachen würde“, berichtet Koautor Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Das ist eine Warmzeit, die nicht nur viel wärmer ist als alles in der Geschichte der menschlichen Zivilisation, sondern sogar wärmer als die letzte Warmzeit vor 125.000 Jahren.“

Leugnung, Täuschung und Desinformation nach außen hin

Doch nach außen hin zeichnete ExxonMobil ein völlig anderes Bild: Noch 2005 sagte Exxon-CEO Lee Raymond in einem Interview: „Es gibt eine große natürliche Variabilität, die nichts mit uns Menschen zu tun hat. Sie hängt von den Sonnenflecken und dem Taumeln der Erde ab. Die Forschung ist noch nicht weit genug, um sicher sagen zu können, ob der Klimawandel menschengemacht ist.“ Ähnliches wiederholte Raymonds Nachfolger Rex Tillerson noch im Jahr 2013.

„Unsere Analyse zeigt, dass ExxonMobils eigene Daten im Widerspruch zu ihren öffentlichen Erklärungen stehen, in denen Unsicherheiten übertrieben, Klimamodelle kritisiert, der Mythos globaler Abkühlung verbreitet und Unwissenheit darüber vorgetäuscht wurde, ob und wann die vom Menschen verursachte globale Erwärmung messbar sein würde“, betont Supran. Während der Ölkonzern noch im Jahr 2015 Klimamodelle öffentlich als generell unzuverlässig kritisierte, hatten ihre eigenen Modelle schon Jahrzehnte vorher die reale Entwicklung präzise vorhergesagt.

Damit verleiht die Studie den laufenden juristischen und politischen Ermittlungen gegen ExxonMobil zusätzliches Gewicht. „Dies ist der Sargnagel für die Behauptungen von ExxonMobil, dass das Unternehmen zu Unrecht der bewussten Klimavergehen beschuldigt wurde“, so die Forscher. „Unsere Ergebnisse demonstrieren, dass ExxonMobil schon vor Jahrzehnten nicht nur ‚etwas‘ über die globale Erwärmung wusste – sie wussten genauso viel wie Wissenschaftler an Forschungseinrichtungen und Behörden.“ (Science, 2023; doi: 10.1126/science.abk0063)

Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

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