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Energie

Erster Power-to-X-Atlas

Atlas zeigt Standorte für die grüne Herstellung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen

PtX-Atlas
Ein neuer Atlas zeigt, wo das größte Potenzial für die Produktion von "grünem" Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen besteht. © Fraunhofer IEE

Wo auf der Welt lassen sich Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe nachhaltig und kostengünstig aus „grünem“ Strom erzeugen? Welches Potenzial es dafür wo gibt, zeigt nun der weltweit erste Power-to-X-Atlas. Für ihn haben Forscher Standorte weltweit auf Basis von Wetter, Flächenverfügbarkeit, aber auch technischen und sozioökonomischen Faktoren bewertet. Auch die Frage, woher Europa und Deutschland am besten ihren Wasserstoff beziehen sollte, haben sie untersucht.

Strom aus Sonne, Wind und Co kann fossile Kraftstoffe nicht in allen Bereichen direkt ersetzen. Denn für viele Anwendungen werden Brenn- und Kraftstoffe benötigt, beispielsweise in Stahlwerken, für den Antrieb von Flugzeugen oder auch um Ausgleichskraftwerke zu betreiben. Als klimafreundliche Lösung dafür gelten Power-to-X-Technologien: „Grüner“ Strom wird dabei genutzt, um mittels Elektrolyse Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe herzustellen.

Standorte weltweit bewertet

Wo in der Welt solche CO2-neutralen Brenn- und Kraftstoffe auf nachhaltige Weise produziert werden könnten und zu welchen Kosten, haben nun Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE untersucht. Dafür werteten sie für jeden Standort 70 Indikatoren aus, darunter Flächenverfügbarkeit, Wetterbedingungen, Peripherie-, Speicher- und Transportkosten, aber auch sozioökonomische und politische Faktoren. Betrachtet wurden dabei primär außereuropäische Standorte.

Ausgeschlossen wurden alle Flächen, bei denen die Installation größerer Anlagen zur Energiegewinnung aus Sonne und Wind sowie der Elektrolyseanalgen zur Wasserstoff- oder Kraftstoffproduktion Nutzungskonflikte verursachen würde, wie beispielsweise Naturschutzgebiete oder landwirtschaftliche Flächen zur Nahrungsproduktion. Ebenfalls ausgeschlossen wurden Gebiete, in denen wegen Trockenheit zu wenig Wasser als Rohstoff für die Wasserspaltung zur Verfügung steht.

Erster Atlas für weltweites Power-to-X-Potenzial

Das Ergebnis ist der weltweit erste Power-to-X-Atlas – eine Weltkarte, die zeigt, wo günstige Standorte für die künftige Produktion von Wasserstoff und Synthese-Kraftstoffen aus Sonne und Wind liegen. „Mit dem Atlas können Interessenten unter anderem die für PtX in Frage kommenden Flächen, die dort erreichbaren Volllaststunden und möglichen Erzeugungsmengen, die jeweiligen Gestehungskosten für die verschiedenen PtX-Energieträger sowie die Kosten für deren Transport nach Europa abrufen“, erläutert Maximilian Pfennig vom Fraunhofer IEE.

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Ab dem 1. Juni 2021 ist eine interaktive Version des Power-to-X-Atlas für alle online zugänglich.

Der Atlas zeigt, dass sich außerhalb Europas langfristig insgesamt etwa 109.000 Terawattstunden an Energie in Form von Wasserstoff beziehungsweise 87.000 Terawattstunden synthetische Kraft- und Brennstoffe (Power to Liquids) herstellen ließen. „Unser Atlas zeigt, dass in vielen Regionen der Welt langfristig große Mengen an Power-to-X-Energieträgern regenerativ produziert und exportiert werden können – wobei es von Standort zu Standort durchaus erhebliche Unterschiede gibt“, sagt Pfennigs Kollege Norman Gerhardt.

Knapp 70.000 Terawattstunden an Wasserstoff

Dieses Gesamtpotenzial kann jedoch realistischerweise nur zum Teil erschlossen werden – unter anderem, weil mancherorts keine ausreichende Investitionssicherheit gegeben ist oder weil es an nötiger Infrastruktur fehlt. Berücksichtigt man diese Faktoren, liegt das umsetzbare Potenzial aber immer noch bei 69.100 Terawattstunden Wasserstoff beziehungsweise 57.000 Terawattstunden synthetischen Kraftstoffen. Zum Vergleich: Für die globale Luftfahrt werden 2050 insgesamt mindestens 6.700 Terawattstunden, für den weltweiten Schiffsverkehr 4.500 Terawattstunden an Kraftstoffen benötigt.

Rechnet man die zur Verfügung stehenden Mengen auf den Anteil Deutschlands an der Weltbevölkerung herunter, stünden für unser Land 770 Terawattstunden Wasserstoff beziehungsweise 640 Terawattstunden Power-to-Liquid zur Verfügung. „Das genügt, um den verbleibenden Brenn- und Kraftstoffbedarf zu decken – vorausgesetzt, Energieeffizienz und direkte Stromnutzung haben jederzeit absoluten Vorrang“, sagt Gerhardt.

Länder
Länder mit den zehn größten PtX-Flächenpotenzialen. © Fraunhofer IEE

USA, Australien, Chile und Argentinien, aber auch Nordafrika in den Top 10

Wo aber liegen die günstigsten Standorte für die Produktion des grünen Wasserstoffs und der synthetischen Kraftstoffe? Wie der Atlas zeigt, liegen rund 80 Prozent der global identifizierten Flächenpotenziale für Power-to-X in nur zehn Ländern. Am meisten Potenzial gibt es demnach in den USA, Australien, Argentinien und Russland, gefolgt von Kanada und Chile. Auch in Ägypten, Mexiko, Saudi-Arabien oder Libyen gäbe es gut geeignete Flächen, allerdings sind die sozioökonomischen Rahmenbedingungen dort schlechter.

Am kostengünstigsten wäre der Studie zufolge die Wasserstoff- und Kraftstoffproduktion an Standorten mit sehr guten Bedingungen für die Windenergie, beispielsweise in Argentinien und Chile. Die insgesamt größten Mengen könnten aber an Standorten hergestellt werden, an denen die Windkraft zwar nicht optimal ist, aber gut mit Photovoltaik gekoppelt werden kann. Solche Hybridstandorte beispielsweise in Venezuela oder Mauretanien wären ebenfalls vergleichsweise günstig und könnten aufgrund ihrer größeren potenziellen Produktionskapazitäten bis 2050 den Marktpreis bestimmen, so die Wissenschaftler.

Importe aus Nordafrika für Europa am günstigsten

Wo aber könnten Wasserstoff und Kraftstoffe am günstigsten und nachhaltigsten für den deutschen Markt erzeugt werden? Bei dieser Frage sind vor allem die Kosten für den Transport von Wasserstoff oder Kraftstoffen nach Deutschland entscheidend. So können Australien oder die USA zwar viel und günstig produzieren, wegen der großen Transportdistanzen wäre es jedoch wirtschaftlich nicht sinnvoll, grünen Wasserstoff von dort nach Europa zu exportieren.

Sinnvoller könnte es sein, Wasserstoff und Kraftstoffe aus nahegelegeneren Ländern mit höheren Herstellungskosten, aber geringeren Transportkosten zu beziehen wie beispielsweise Marokko. Auch Staaten wie Ägypten oder Libyen wären prinzipiell in der Lage, große Volumen an Wasserstoff und Power-to-X-Kraftstoffen zu liefern. Allerdings sind die sozioökonomischen Bedingungen in diesen Ländern schlechter und die Investitionsrisiken entsprechend hoch.

Eigene Wasserstoffproduktion notwendig

Für Europa kommen Pfennig und seine Kollegen zu dem Schluss, dass es in jedem Fall ratsam ist, eine eigene Wasserstoffproduktion aufzubauen: „Hier bestehen Offshore-Potenziale, welche aufgrund teilweise fehlender Netzanschlussmöglichkeiten frühzeitig explizit für eine H2-Erzeugung  ausgebaut werden können. Diese können den gasförmigen Wasserstoff für Industrieverbraucher (z.B. Stahlindustrie) oder in der Energiewirtschaft für neue Gasturbinen effizient bereitstellen“, schreiben die Forscher.

Wasserstoff und Kraftstoffe aus eigener Produktion wären vor allem als kurzfristig umsetzbare Lösung sinnvoll, bis größere Power-to-X-Projekte im außereuropäischen Raum ins Laufen kommen. Mittelfristig empfehlen sie dann, wegen des günstigen Verhältnisses von Herstellungskosten und volumenbedingten Transportkosten, Ammoniak als synthetischen Kraftstoff zu nutzen und diesen zu importieren. „Mittelfristig bietet Power-to-Ammonia verbunden mit einem Ammoniak-Cracker eine Alternative zur Verflüssigung von Wasserstoff“, so die Wissenschaftler.

Insgesamt sehen die Forscher damit einiges an Potenzial in den Power-to-X-Technologien, schränken aber ein: „Trotz des großen Potenzials können grüner Wasserstoff und grüne synthetische Brenn- und Kraftstoffe immer nur Ergänzung sein. Die Steigerung der Energieeffizienz und der direkte Einsatz erneuerbaren Stroms muss stets Priorität haben“, betont Pfennig. (PtX-Atlas, Teilbericht im Projekt Dev-KopSys)

Quelle: Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE

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