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Energie

Erdgas: Klimaeffekt des Abfackelns unterschätzt

"Flaring" setzt fünfmal mehr Methan frei als von der Industrie veranschlagt

Erdgas-Abfacklung
Weltweit wird in der Öl- und Gasförderung überschüssiges Erdgas abgefackelt – aus Sicherheitsgründen oder weil es bisher billiger war als Abtrennung und Transport. © Digital Vision/ Getty images

Unterschätzte Emissionen: Erst vor wenigen Wochen machte das verstärkte Abfackeln von Erdgas in russischen Anlagen Schlagzeilen. Jetzt enthüllt eine Studie, dass dieses in der Öl- und Gasindustrie verbreitete „Flaring“ noch klimaschädlicher ist als gedacht. Denn solche Anlagen verbrennen im Schnitt nur 91 Prozent des Methans zu Kohlendioxid, einige dieser Anlagen setzen das potente Treibhausgas sogar ohne Verbrennung frei. Allein in den USA wird dadurch fünfmal mehr Methan über das Abfackeln freigesetzt als angenommen, wie die Forschenden in „Science “ berichten.

Eigentlich ist Erdgas spätestens seit Beginn des Ukrainekriegs weltweit knapp, die Nachfrage nach Flüssiggas und Pipelinegas aus nichtrussischen Vorkommen hat rasant zugenommen. Trotzdem ist es in der Öl- und Gasindustrie nach wie vor gängige Praxis, größere Mengen von Erdgas abzufackeln. Das passiert manchmal aus Sicherheitsgründen, um drohenden Überdruck zu vermeiden. Aber in Ölfeldern wird das als Beiprodukt auftretende Erdgas oft auch routinemäßig abgefackelt, weil sich das Weiterverarbeiten und Abtransportieren nicht lohnt.

Flaring
Beim Verbrennen wird das Methan in Kohlendioxid umgewandelt – das verringert seine Treibhauswirkung zumindest ein wenig. © lanolan/ Getty images

Durch den Schornstein gejagt

Ende August 2022 sorgte zudem das verstärkte Abfackeln von Erdgas an der russischen Kompressorstation Portowaja für besonderes Aufsehen. Diese Anlage liegt am Beginn der Pipeline Nordstream 1, umfasst aber auch ein Werk zur Produktion von Flüssiggas. Schätzungen zufolge verbrannte Gazprom dort mehr als vier Millionen Kubikmeter Erdgas täglich – weit mehr als für das sogenannte „Flaring“ normal. Global gesehen werden nach Angaben der Weltbank pro Jahr mehr als 140 Milliarden Kubikmeter Methan abgefackelt.

Das Problem: Methan ist ein potentes Treibhausgas, das in der Atmosphäre zwar kurzlebiger ist als CO2, dafür aber eine 20 bis 30-fach stärkere Klimawirkung entfaltet. Um diesen klimaschädlichen Effekt wenigstens zu verringern, wird das Erdgas beim Flaring zu CO2 verbrannt. Nach Angaben der Öl- und Gasindustrie liegt die Effizienz dieser Verbrennung bei mehr als 98 Prozent – sofern die Abfackelung vorschriftsmäßig verläuft.

Wie „sauber“ ist die Erdgas-Verbrennung?

Doch wie sich jetzt zeigt, arbeitet ein beträchtlicher Teil der Flaring-Anlagen keineswegs so effizient wie die Branche es vorgibt. Für ihre Studie haben Genevieve Plant von der University of Michigan und ihr Team das Abfackeln von Erdgas am Beispiel der drei größten Gas- und Ölförderregionen der USA untersucht – dem Perm- und Eagle Ford-Vorkommen in Texas und dem Bakken-Feld in North Carolina. Sie sind zusammen für gut 80 Prozent des US-amerikanischen Flarings verantwortlich.

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Die Wissenschaftler führten in den Jahren 2020 und 2021 Messflüge durch mehr als 300 Flares in diesen Gebieten durch und ermittelten die Mengen an freigesetztem CO2 und Methan. Durch Vergleich der beiden Werte konnten sie berechnen, wie viel von dem freigesetzten Methan durch das Abfackeln in CO2 umgewandelt wird. „Wenn ein Flare so arbeitet, wie er soll, dann müssten wir einen großen Kohlendioxid-Peak und einen vergleichsweise niedrigen Methanwert messen“, erklärt Plant.

Neun Prozent des Methans entweichen unverbrannt

Die Auswertungen ergaben jedoch etwas anderes: Den Messungen zufolge arbeitet ein erheblicher Teil der Flaring-Anlagen ineffizient und verbrennt nur einen Teil des Methans zu CO2. Bei einigen Anlagen lag die Abbaurate des Methans bei nur 60 Prozent. Entsprechend hoch ist der Anteil des Methans, der unverbrannt entweicht: „Wir schätzen die Methan-Emissionsrate der brennenden Flares in diesen drei Vorkommen auf 270.000 Tonnen pro Jahr“, berichten die Forschenden.

Hinzu kommt, dass viele solcher Ablass-Einrichtungen zeitweise gar nicht brennen und das Erdgas direkt in die Atmosphäre entlassen. In den untersuchten Gebieten waren zwischen drei und knapp fünf Prozent der aktiven Abfackelungsschlote erloschen oder gar nicht erst angezündet, wie die Messflüge ergaben. An diesen Anlagen trat dadurch nicht verbranntes Methan aus. „Bezieht man diese nicht brennnenden Flares mit ein, steigen die Methan-Emissionen für diese Regionen auf 490.000 Tonnen Methan jährlich“, so das Team.

Insgesamt liegt die Effizienz des Erdgas-Abfackelns damit nur bei 91,2 Prozent, wie Plant und ihre Kollegen ermittelten. „Das ist beträchtlich weniger als die von der Gas- und Ölindustrie angegebenen 98 Prozent“, betonen sie.

Fünfmal höhere Emissionen als angenommen

Das aber bedeutet: Allein in den USA setzt das Abfackeln von Erdgas demnach fünfmal mehr Methan frei als bisher angenommen. Vier bis zehn Prozent der gesamten Methan-Emissionen der USA könnten dadurch auf das Flaring zurückgehen. „Dies beleuchtet eine bisher unterschätzte Methanquelle“, sagt Plants Kollege Eric Kort. „Es wird viel mehr Methan in die Atmosphäre abgegeben als aktuell von Erhebungen und Schätzungen erfasst.“

Nach Ansicht der Forschenden ist nicht ausschlossen, dass es in anderen Ländern ähnlich aussieht. Denn das Abfackeln von Erdgas kommt in den meisten Förderregionen von Erdöl und Erdgas vor, auch wenn es unterschiedlich strengen Regelungen unterliegt. Auch die Internationale Energieagentur (IEA) geht inzwischen von global höheren Methan-Emissionen durch das Flaring aus: Sie schätzt, dass Flares allein im Jahr 2020 weltweit acht Millionen Tonnen Methan freigesetzt haben.

Vermeidbarer Klimaschaden

Verglichen am gesamten anthropogenen Methanausstoß von jährlich fast 400 Millionen Tonnen erscheint dies zwar wenig – aber es wäre vermeidbar und ist noch dazu eine Verschwendung. „Diese Quelle der Methan-Emissionen ist einfach adressierbar“, sagt Plant. Dafür müsste einerseits die Überwachung und Wartung der Anlagen verbessert werden. Andererseits müsste die Ölindustrie das Erdgas konsequent abfangen und weiternutzen, statt es einfach zu verbrennen.

Wie das geht, demonstriert beispielsweise Norwegen: Dort wird bei der Erdölförderung nur noch im Notfall Erdgas abgefackelt. 99 Prozent des mit dem Erdöl geförderten Erdgases werden abgetrennt und weiterverwertet. (Science, 2022; doi: 10.1126/science.abq0385)

Quelle: Science, University of Michigan

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