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Energie

Energiewende: Nachzügler werden abgehängt

Länder mit zu langsamer Transformation haben erhöhte wirtschaftliche Risiken

erneuerbare Energien
Bei der Energiewende profitieren die Vorreiter, Nachzügler haben das Nachsehen. © gopixa/ Getty images

Das Tempo machts: Der neue Weltklimabericht hat gerade bestätigt, dass im Klimaschutz schnell gehandelt werden muss. Jetzt legt eine Studie nahe, dass eine schnelle Energiewende auch handfeste wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt. Staaten, die dabei nicht rechtzeitig mitziehen wollen oder können, müssen mit Einbußen in Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit rechnen. Dadurch könnte es international zu neuen Spannungen und Konflikten kommen.

Der Ausstieg aus der Kohle und anderen fossilen Brennstoffen und die Energiewende hin zu erneuerbaren, klimafreundlichen Energielieferanten wie Wind, Sonne und Co sind eine Voraussetzung für effektiven Klimaschutz. Nur so lassen sich die CO2-Emissionen genügend senken, um eine Erwärmung über 1,5 oder zwei Grad hinaus zu verhindern. Dem aktuellen Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC zufolge muss die Menschheit dafür die Netto-Null bei den Treibhausgasemissionen spätestens mit Mitte des Jahrhunderts erreichen.

Energiewende – Innnovationsschub oder Bremsklotz?

Während viele Regierungen noch zögern und wirtschaftliche Verluste durch den Ausstieg aus den fossilen Industrien befürchten, zeigen ökonomische Modellierungen eher das Gegenteil: Eine schnelle, effektive Umstellung auf erneuerbare Energien hilft nicht nur dem Klima, sondern zahlt sich auch wirtschaftlich aus. Durch die Entwicklung neuer Technologien und Wirtschaftszweige im Energiesektor werden in der Regel mehr Arbeitsplätze geschaffen als durch den Ausstieg aus fossilen Energien wegfallen.

Welche Rolle dabei das Tempo der Umstellung spielt und wie die Chancen und Risiken für Vorreiter und Nachzügler der Energiewende liegen, haben nun Laima Eicke und Andreas Goldthau vom Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam untersucht. Dafür identifizierten sie in einer Umfrage unter internationalen Fachleuten aus der Energieindustrie und dem Finanzsektor die Kerndaten und Risiken und speisten die Ergebnisse in eine Modellanalyse ein.

Ungleiches Tempo bei der Transformation

Das Ergebnis: Schon jetzt gibt es bei der Transformation klare Vorreiter und Nachzügler. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass der Zugang zu den technologischen und finanziellen Mitteln für die Energiewende, weltweit ungleich verteilt ist. So entfallen 95 Prozent der installierten Kapazität bei erneuerbaren Energien heute auf nur 16 Prozent der Länder. Zu diesen gehörten vor allem die hochentwickelten Industrieländer des Westens.

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Diese Vorreiter profitieren von der Umstellung ihrer Energiesysteme. Denn sie verbessern damit ihre Chancen auf wirtschaftliche Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit, wie das Forschungsteam erklärt. Das Nachsehen haben viele Schwellen- und Entwicklungsländer. Sie haben eine noch stark steigenden Energiebedarf und setzen dafür zurzeit noch primär auf fossile Brennstoffe. Das hat jedoch nicht nur politische Gründe, sondern liegt oft auch daran, dass ihnen die entsprechenden Mittel und Technologien fehlen.

Abwärtsspirale für ärmere Länder

Das Problem dabei: „Diese Kluft droht sich zu vertiefen: Länder, die frühzeitig in Forschung, Entwicklung und Produktion im Bereich erneuerbare Energien investieren, profitieren wirtschaftlich, auch in Bezug auf Arbeitsplätze“, erklärt Eicke. „Nachzügler bei der Dekarbonisierung sind in den kommenden zehn Jahren deutlich höheren Transformationsrisiken ausgesetzt. Ihre industrielle Wettbewerbsfähigkeit sinkt und das Risiko für ökonomische Instabilität steigt.“

Diese Nachteile können laut den Forschenden eine Abwärtsspirale in Gang setzen, die Nachzüglern ein Aufholen zusätzlich erschwert: Weil fossile Brennstoffe und die entsprechende Infrastruktur immer stärker als Vermögenswerte ohne langfriste Rentabilitätsaussichten gelten, verstärkt sich die Benachteiligung dieser Länder. Sie müssen zunehmend mit schlechteren Bedingungen in Bezug auf Finanzierungen und Kredite rechnen und könnten zukünftig vermehrt Barrieren im internationalen Handel erfahren.

Risiko erhöhter internationaler Spannungen

„Die ungleichen Transitionsmuster können dadurch bestehende Spannungen in internationalen Klimaverhandlungen verschärfen und neue Konflikte bei Handelsabkommen entstehen lassen“, sagt Goldthau. Um dies zu verhindern, müsse die Politik der reichen Länder dies berücksichtigen. „Sie sollte Rahmenbedingungen schaffen, die es allen Ländern ermöglichen, die Dekarbonisierung voranzutreiben. Dafür muss sie die internationale Klimafinanzierung und den Technologietransfer stärken“, sagt Eicke.

Eine Chance, dies zu tun, könnte der nächste Weltklimagipfel in Glasgow bieten. Wie schon bei den letzten Klimakonferenzen wird auch hier wieder die Hilfe für ärmere Länder bei Klimaschutz und Klimaanpassung auf der Agenda stehen. (Environmental Science & Policy, 2021; doi: 10.1016/j.envsci.2021.07.009)

Quelle: Institute for Advanced Sustainability Studies e.V.

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