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Biologie

Zooplankton: Rätselhafte Wanderungen mit dem Mond

Meerestiere im Nordpolarmeer bewegen sich ständig auf und ab

Vollmond über der Arktis - für das Zooplankton des Nordmeeres ist er ein wichtiger Taktgeber © Geir Johnson, NTNU/ University Centre in Svalbard

Geheimnisvolle Wanderung: Selbst im stockdunklen Polarwinter vollführt das Zooplankton im Nordmeer tägliche Wanderungen – obwohl die Sonne als Taktgeber fehlt. Dennoch bewegen sich Milliarden von Krebsen, Einzellern und Fischen regelmäßig auf und ab. Wie Forscher jetzt herausgefunden haben, dient diesen Meerestieren dabei der Mond als Taktgeber. Wie sie das schwache Mondlicht im Wasser wahrnehmen, ist jedoch bisher unklar.

Es ist ein ewiges Auf und Ab: Das Zooplankton der Meere steigt nachts an die Wasseroberfläche und tut sich an den dort schwebenden Algen gütlich. Wird es Tag, sinken die winzigen Krebschen und Einzeller wieder in größere Tiefen ab. „Diese diurnale Migration des Zooplanktons kommt in nahezu allen Wasserkörpern vor und ist wahrscheinlich die größte tägliche Massenwanderung von Biomasse weltweit“, erklären Kim Last von Scottish Association for Marine Science und ihre Kollegen. Antrieb für diese Massenwanderung ist das Sonnenlicht – der Tagesrhythmus gibt den Takt vor.

Wanderung auch ohne Licht?

Anders dagegen in der lichtlosen Dunkelheit des Polarwinters – so dachte man jedenfalls. Denn wo kein Tag-Nacht-Wechsel, da auch kein Taktgeber. „Lichtbedingte Muster der biologischen Migration hielt man deshalb in den hohen Breiten der Meere für nicht-existent“, erklären die Forscher. Denn jenseits des Polarkreises steigt die Sonne zur Wintermitte nicht über den Horizont. Die Helligkeit im Wasser verändert sich daher kaum oder gar nicht.

Doch wie sich jetzt zeigt, lässt sich die Natur davon nicht beirren: In den Fjorden Norwegens, aber auch in anderen Bereichen des Nordmeeres, wandert das Zooplankton trotzdem. Das stellten die Forscher anhand von Sonardaten von Messbojen fest, die an 25 verschiedenen Stellen des Polarmeers verankert waren. Sie ermitteln über Ultraschall-Reflexionen unter anderem die Dichte des Planktons in verschiedenen Meerestiefen.

Die Garnele Themisto libellula lebt im Nordmeer und volllführt tägliche Wanderungen. © Daniel Vogedes/ The Arctic University of Norway

Mond als Taktgeber

Das überraschende Ergebnis: Das Zooplankton bewegt sich auch im Polarwinter weiter regelmäßig auf und ab. Allerdings folgt es dabei nicht dem 24-Stunden-Tag, sondern einem Takt von 24,8 Stunden, wie die Forscher berichten. Diese Periode entspricht der Zeitspanne, die der Mond über dem Horizont zu sehen ist – einem Mondtag gewissermaßen.

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„Während des permanent dunklen und extrem kalten Polarwinters verhalten sich diese winzigen Meere-Kreaturen wie die mythischen Werwölfe: Sie reagieren auf das Mondlicht“, erklärt Last. Und dies tun die Krebschen und Einzeller offenbar nicht nur im Rhythmus der Mondtage, auch der Vollmond beeinflusst sie: Alle 29,5 Tage vollführen sie im Wasser ein massenhaftes Absinken um rund 50 Meter, wie die Daten belegen.

Überall im Polarmeer

„Am überraschendsten daran ist, dass diese Massenwanderungen nicht nur auf ein paar isolierte Stellen im Ozean begrenzt ist“ sagt Last. Stattdessen zeigt das Zooplankton diese Migration überall: im Nordpolarmeer in Fjorden, in Schelfgebieten, über dem Kontinentalhang und auch auf offener See. „Die lunaren Wanderungen geschahen jeden Winter an allen Teststellen und sogar dann, wenn Meereis mit einer Schneedecke das Wasser bedeckte“, berichtet die Forscherin.

Die Tatsache, dass es selbst im Polarwinter Wanderungen dieses Ausmaßes gibt, beeinflusst auch den Kohlenstoffkreislauf der Erde, wie Last und ihre Kollegen betonen. Denn die tägliche Auf- und Ab-Bewegung des Planktons transportiert organisches Material von der Oberfläche in die Tiefen des Ozeans. Die arktische Migration müsse daher in die bestehenden biogeochemischen Modelle aufgenommen werden.

Wie Forscher die vertikale Wanderung des Zooplanktons im Polarwinter erforschen© Cell Press

Flucht vor Fressfeinden

Wie die winzigen Tiere es schaffen, diese regelmäßigen Perioden so genau einzuhalten, ist bisher unklar. Denn bisher weiß man bei vielen Plankton-Organismen nicht einmal, wie gut ihre Lichtwahrnehmung ist. Ob daher das Mondlicht selbst ihre Bewegungen steuert oder ob die innere Uhr der Tiere diesen Takt vorgibt, muss noch geklärt werden.

Der Grund für diese vertikalen Wanderungen des Zooplanktons ist wahrscheinlich das schlichte Überleben: Gegen das helle Licht des Tages – oder des Mondes – sind sie für von unten angreifende Fische und andere Fressfeinde leicht auszumachen. Von oben wiederum droht Gefahr beispielsweise durch Vögel. Um dies zu vermeiden, ziehen sich die kleinen Meerestiere in das schützende Dunkel der tieferen Wasserschichten zurück. (Current Biology, 2016; doi: 10.1016/j.cub.2015.11.038)

(Cell Press, 11.01.2016 – NPO)

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