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Biologie

Zehn Monate in der Luft

Mauersegler frisst und schläft im Dauerflug

Mauersegler (Apus apus) bleiben teilweise zehn Monate Nonstop in der Luft © Noel Camilleri

Fliegender Rekord: Der Mauersegler vollbringt eine erstaunliche Leistung. Denn er bleibt von Beginn seines Zugs nach Süden bis zur Rückkehr ins Brutgebiet nahezu pausenlos in der Luft. Sensordaten belegen, dass einige dieser Vögel während dieser zehn Monate kein einziges Mal landen. Sie jagen Insekten im Flug und schlafen sogar in der Luft – wahrscheinlich während langer Gleitphasen in der Morgen- und Abenddämmerung.

Zugvögel legen bei ihrem Zug ins Winterquartier hunderte oder sogar tausende von Kilometern zurück und vollbringen dabei wahre Wunderleistungen. So überfliegt eine winzige nordamerikanische Grasmückenart alljährlich den Atlantik in einem dreitägigen Nonstopflug, der Alpensegler kann sogar sieben Monate lang nahezu pausenlos in der Luft bleiben. Das Clou dabei: Viele Vögel können im Flug schlafen.

Jetzt haben Anders Hedenström und seine Kollegen von der Universität Lund einen neuen Rekordhalter unter den gefiederten Dauerfliegern ausgemacht: den Mauersegler. Für ihre Studie hatten sie 19 Mauerseglern vor deren Flug ins Winterquartier winzige Sensorpakete auf den Rücken geschnallt. Diese Mini-Rucksäcke zeichneten die Position der Vögel mittels GPS auf und registrierten Licht und Beschleunigung.

Zehn Monate lang nicht gelandet

Als die Biologen diese Datenlogger auswerteten, zeigte sich Überraschendes: Nachdem die Mauersegler ihr Brutgebiet in Schweden verlassen hatten, waren sie zehn Monate lang nahezu ununterbrochen in der Luft geblieben. Selbst in ihrem Winterquartier in den zentralafrikanischen Regenwäldern hielten sie sich kaum auf dem Boden auf.

„Sie landen nicht, bis sie zehn Monate später für die nächste Brutsaison nach Norden zurückkehren“, berichtet Hedenström. „Einige Individuen rasten zwar für wenige Stunden oder sogar mal eine ganze Nacht lang, andere aber landeten während der gesamten Zeitperiode nicht ein einziges Mal.“

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Am Boden sind die Mauersegler eher unbeholfen - vielleicht vermeiden sae deshalb die Landung im Winterquartier. © Klaus Roggel/ CC-by-sa 3.0

Fressen und schlafen im Flug

Wie aber schaffen die Vögel das? In Bezug auf ihre Nahrungssuche haben die Mauersegler dafür schon von vornherein gut Voraussetzungen: Sie fangen Insekten im Flug und sind es daher gewohnt, zum Jagen und Fressen nicht landen zu müssen. Hinzu kommt: Mauersegler sind sehr gute Gleiter. Mit ihrem stromlinienförmigen Körper und langen Schwingen können sie Luftströmungen so ausnutzen, dass sie ohne viele Flügelschläge lange in der Luft schweben.

Die Sensordaten zeigten, dass die Mauersegler in der Morgen- und Abenddämmerung besonders hoch aufsteigen. Möglicherweise verschafft ihnen das eine gute Startposition, um dann lange gleitend ein Nickerchen im Flug zu halten. „Die Tatsache, dass einige der Vögel während der zehn Monate kein einziges Mal landeten, spricht dafür, dass sie im Flug schlafen können“, sagt Hedenström.

Warum machen die Mauersegler das?

Interessanterweise scheint der kraftraubende Dauerflug den Mauerseglern keine nennenswerten Nachteile zu bringen. Eher im Gegenteil: Die eleganten Flieger gehören sogar zu den besonders langlebigen Vogelarten. In vielen Fällen können sie bis zu 20 Jahre alt werden, wie die Forscher berichten.

Bleibt die Frage, warum die Mauersegler im Winterquartier nicht einfach mal ausruhen und landen. Andere Vögel tun dies ja schließlich auch. Hedenström und seine Kollegen vermuten, dass dies für die Mauersegler vielleicht zu gefährlich wäre. Weil sie in Körperbau und Verhalten perfekt an das Fangen von Insekten in der Luft und ans lange Fliegen angepasst sind, bewegen sie sich am Boden eher ungeschickt.

„Wenn sie zu häufig landen, könnte dies die Mauersegler zu einer zu leichten Beute für Prädatoren oder Parasiten machen“, mutmaßen die Forscher. Ob das stimmt und welche physiologischen Anpassungen diese Rekordflieger noch besitzen, wollen sie nun in weiteren Studien erkunden. (Current Biology, 2016; doi: 10.1016/j.cub.2016.09.014)

(Cell Press, 28.10.2016 – NPO)

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