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Biotechnologie

Wurmlöcher verraten die Herkunft alter Holzschnitte

Holzkäferlarven fraßen sich durch Druckstöcke und hinterließen Spuren

Der Holzdruck "Der reiche Mann" von Cornelis Anthonisz (1541) zeigt mehrere runde, weiße Stellen - Druckfehler durch Wurmlöcher im hölzernen Druckstock. © Rijksmuseum, Amsterdam.

Holzfressende Käfer erweisen sich als wichtige Helfer der Kunstgeschichte: Denn ihre Wurmlöcher haben weiße Flecken in historischen Holzdrucken hinterlassen. An diesen lässt sich erkennen, welche Holzwurmart sie hinterließ – und damit auch, in welcher Region ein altes Buch oder ein Holzschnitt einst gedruckt wurde. Das belegt die Studie eines US-amerikanischen Forschers.

Blair Hedges von der Pennsylvania State University hatte mehr als 3.000 Spuren von Wurmlöchern in Holzdrucken des 15. bis 19. Jahrhunderts analysiert und dabei festgestellt, dass sie von zwei verschiedenen Holzwurmarten stammen. Im Gegensatz zu heute seien diese Arten damals in zwei streng voneinander getrennten Bereichen Europas vorgekommen. Anhand der artspezifischen Wurmspuren könne man daher gut feststellen, ob ein alter Holzdruck unbekannter Herkunft aus dem Norden oder Süden Europas komme, berichtetder Forscher im Fachmagazin „Biology Letters“.

„Die meisten Buchillustrationen aus der Zeit vom frühen 15. bis zum frühen 19. Jahrhundert waren Holzschnitte“, erklärt der Forscher. Mindestens sieben Millionen verschiedene Bücher seien in dieser Zeit entstanden, ein Großteil mit Illustrationen. Verzierte Buchstaben oder Bilder seien dafür in Holzblöcke aus feinporigem Birnen-, Apfel- oder Buchsbaumholz geschnitzt worden und dann mit Farbe versehen und auf Papier gedruckt worden.

Häufig allerdings war das für den Druck verwendete Holz nicht völlig makellos, sondern hatte Wurmlöcher. „Diese stammen nicht von Würmern, sondern von Käfern, deren Larven sich im Holz entwickelt haben und die sich als Erwachsene an die Oberfläche durchfressen“, erklärt Hedges. Beim Holzdruck werden die von den Käfern und ihren Larven hinterlassenen Fraßgänge als weiße, runde Fehler im Druckbild bemerkbar. „Weil bei vielen Büchern das Datum der Veröffentlichung angegeben ist, wissen wir, dass auch die Wurmlöcher etwa aus dieser Zeit stammen müssen“, sagt der Forscher. Denn meist wurde relativ frisches Holz verwendet. Die Wurmspuren in solchen Büchern seien daher wie ein biologischer Zeitstempel. Aus ihnen lasse sich ablesen, wann und wo welche Holzkäferarten lebten und ihre Gänge hinterließen.

Wurmloch-Spuren in historischen Drucken vermessen

Historische Verteilung der nördlichen (blau) und südlichen Holzkäferart, die schwarzen Punkt markieren Orte, aus denen die untersuchten Holzdrucke mit Wurmloch-Spuren stammten und deuten die Größe der Wurmlöcher an. © S. Blair Hedges

Für seine Studie hatte Hedges abgedruckte Wurmlöcher in Kunstwerken und Büchern aus der Zeit zwischen 1462 und 1899 vermessen. Dabei stellte er fest, dass Drucke aus Nordeuropa – darunter England, Deutschland, Schweden und den Niederlanden , meist kleinere Wurmlöcher von nur 1,43 Millimetern Durchmesser enthielten. Sie stammen vom Holzkäfer Anobium punctatum, wie der Forscher berichtet. Im Süden Europas gedruckte Bücher und Holzschnitte enthielten dagegen Fehlstellen von 2,3 Millimetern Durchmesser und häufig auch quer angeschnittene Spuren von Fraßgängen. Sie seien vom Mittelmeer-Holzkäfer Oligomerus ptilinoides hinterlassen worden.

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„Seit etwa hundert Jahren finden wir beide Holzkäfer-Arten überall in Europa, denn sie wurden durch Reisen, Handel und Möbeltransporte verbreitet“, sagt Hedges. Vor dieser Zeit aber seien die Verbreitungsgebiete beider Arten offensichtlich zwar eng benachbart gewesen, hätten sich aber nicht überlappt. Wo damals die Grenze zwischen beiden lag, gehe aus der Auswertung der gedruckten Wurmlöcher eindeutig hervor. Nach Ansicht des Forschers könnte man zukünftig diese Erkenntnis nutzen, um auch Bücher und Drucke unbekannter Herkunft zumindest grob räumlich zuzuordnen – anhand ihrer Wurmloch-Spuren (doi:10.1098/rsbl.2012.0926).

(Biology Letters, 21.11.2012 – NPO)

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