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Biologie

Wurfnetzspinnen hören weiter als gedacht

Sinnesrezeptoren an den Beinen helfen bei der akrobatischen Insektenjagd

Wurfnetzspinne
Die Wurfnetzspinne jagt, indem sie ein Fangnetz blitzschnell auf Insekten wirft. Dabei hilft ihr ihr Gehör, wie sich nun zeigt.© Jay Stafstrom

Spinnen haben ein weit besseres Gehör als bisher gedacht, wie nun Beobachtungen bei Wurfnetzspinnen belegen. Denn diese Spinnen erkennen mit ihren Sinneshärchen nicht nur nahe Vibrationen, sondern hören mithilfe der Rezeptoren an den Beinen sogar Geräusche aus über zwei Metern Entfernung. Das ermöglicht dieser Spinnenart auch ihre ungewöhnlich akrobatische Jagdmethode, wie Forscher im Fachmagazin „Current Biology“ berichten.

Wurfnetzspinne
Wegen ihrer riesigen Mittelaugen wird die Wurfnetzspinne im Englischen auch „Ogre-faced spider“ genannt – Ungeheuer-gesichtige Spinne.© Jay Stafstrom

Die Wurfnetzspinne (Deinopis) hat ihren Namen ihrer nächtlichen Jagdtechnik zu verdanken: Sie spinnt – an einem Faden über dem Boden hängend – ein Fangnetz, das sie zwischen den Vorderbeinen hält. Mit ihren großen Mittelaugen kann die Spinne selbst im Dunkeln Insekten am Boden erkennen und wirft blitzartig ihr Netz über das Opfer. Zudem fängt sie auch Insekten, die hinter ihr fliegen. Dazu legt sie einen akrobatischen Rückwärtssalto hin – ohne ihre Beute vorher mit den Augen gesichtet zu haben.

Doch wie macht diese Spinne das? Lange galt, dass Spinnen mit ihren Sinneshaaren lediglich Lufterschütterung und Schall ihrer unmittelbaren Umgebung wahrnehmen, weil sie keine richtigen Hörorgane besitzen. Das Jagdverhalten der Wurfnetzspinnen legt jedoch nahe, dass sie die fliegenden Insekten vor ihrem Sprung gehört haben müssen. Tatsächlich haben Biologen bei Springspinnen schon festgestellt, dass diese auf Geräusche aus über drei Metern Entfernung reagieren können.

Wie gut „hören“ die Spinnen?

Wie gut die akustische Wahrnehmung der Wurfnetzspinnen wirklich ist, hat nun ein Forscherteam um Jay Stafstrom von der Cornell University untersucht. Dafür brachten die Forscher Elektroden am Gehirn und an isolierten Vorderbeinen der im Südosten der USA heimischen Spinnen an. Denn die dort sitzenden Sinneshaare spielen bei den Spinnen eine entscheidende Rolle für die Wahrnehmung von Luftschwingungen und Schallsignalen.

Die Elektroden zeichneten die Nervenaktivität im Gehirn und den Beinen auf, während das Forscherteam aus zwei Meter Entfernung Tonfrequenzen abspielte. Die Frequenzen reichten von tiefen Lauten mit 150 Hertz, über 750 Hertz bis zu 10 Kilohertz – einem durchdringenden, hohen Ton. Zusätzlich beobachteten die Wissenschaftler die Reaktion von freilebenden Wurfnetzspinnen auf die verschiedenen Töne.

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Überraschend breites Hörspektrum

Das Ergebnis: Die Elektrodenmessungen bestätigten, dass die Wurfnetzspinnen offenbar mithilfe ihrer empfindlichen Haarrezeptoren – den sogenannten Sensillen – an den Vorderbeinen hören – und dass sie damit selbst akustische Signale aus weiterer Entfernung wahrnehmen. Das Experiment belegt damit, dass die Spinnen einen echten Hörsinn besitzen: „Die Tatsache, dass wir nicht nah an sie herankommen und sie zum Vibrieren bringen, war der Schlüssel zum Wissen, dass sie wirklich hören können“, sagt Stafstrom.

Erstaunlich auch: Die Spinnen reagierten auf eine überraschend breite Palette von Frequenzen Ihre Neuronen reagierten sowohl auf tiefe Töne von mindestens 150 Hertz als auch auf relativ hochfrequente Töne von zehn Kilohertz – das ist weit höher als jedes Insektengeräusch. „Wir haben nicht wirklich erwartet, dass wir Netzspinnen sehen würden, die auf eine so breite Palette von Frequenzen empfindlich reagieren“, so Stafstrom.

Rückwärtssalto nur bei tiefen Tönen

Je nach Tonhöhe unterscheidet sich dabei auch die Verhaltensreaktion der Spinnen: „Wenn ich tiefe Tonfrequenzen spielte, selbst aus der Entfernung, schlugen sie zu, als würden sie ein Insekt jagen“, berichtet Stafstrom. Direkt nach Ertönen der tiefen Laute machten die Achtbeiner ihren jagdtypischen Rückwärtssalto. Hohe Töne verursachten diese Jagdbewegung hingegen nicht. Stattdessen versetzten diese Laute die Spinnen in eine Starre – als würden sie sich totstellen.

Wurfnetzspinne
Diese Wurfnetzspinne bereitet gerade ihr Fangnetz für die Jagd vor.© Jay Stafstrom

Aber warum reagieren die Spinnen so unterschiedlich auf die tiefen und hohen Tonfrequenzen? Wie die Forscher erklären, entsprechen die tieffrequentierten Laute entsprechen etwa den Geräuschen der fliegenden Beutetiere – so zum Beispiel dem Flügelschlag einer Mücke. Töne oberhalb von 750 Hertz liegen dagegen außerhalb des für Fluginsekten typischen Bereichs.

Die Spinnen könnten diese Töne aber mit Fressfeinden wie etwa Vögeln assoziieren, mutmaßen Strafstrom und seine Kollegen. Deshalb lösen diese akustischen Signale ein Schutzverhalten in Form der Starre aus. Die Wahrnehmung dieser höheren Frequenzen könnte es den Spinnen daher erleichtern, sich rechtzeitig vor ihre Fressfeinden zu versecken, fasst Stafstroms Kollege Ron Hoy zusammen.

Auch Richtungshören möglich?

Als nächstes wollen die Forscher nun testen, ob die Wurfnetzspinnen auch erkennen können, woher Geräusche kommen. „Das Richtungshören ist bei jedem Tier eine große Sache, aber ich glaube, dass es von dieser Spinne wirklich einige interessante Überraschungen geben wird“, sagt Hoy. Denn wenn die Wurfnetzspinnen auch richtungsorientiert hören, könnte dies ihren akrobatischen Jagdstil weiter erklären, so die Wissenschaftler. (Current Biology, 2020, doi: 10.1016/j.cub.2020.09.048)

Quelle: Cell Press, Cornell University

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