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Umwelt

Windparks als Fledermaus-Magneten

Weibchen sind zurzeit besonders vom Tod in der Windkraft-Anlage gefährdet

Ein Großer Abendsegler (Nyctalus noctula) - vor allem diese waldbewohnende Fledermausart ist durch Windparks gefährdet. © Manuel Röleke

Fatale Anziehungskraft: Vor allem Fledermaus-Weibchen werden im Frühsommer regelrecht von Windkraft-Anlagen angezogen, wie Biologen beobachtet haben. Auf der Suche nach neuen Quartieren verwechseln die Tiere die Windräder offenbar mit Bäumen. Die Fledermaus-Männchen fliegen dagegen nicht nur allgemein weniger weit, sie meiden die Windparks auch eher. Überraschend auch: Einige Fledermäuse flogen bis zu 250 Meter hoch, wie GPS-Logger enthüllten.

So notwendig und nützlich Windkraft-Anlagen auch sind – für Fledermäuse können sie zur tödlichen Gefahr werden. Forscher schätzen, dass pro Jahr mehr als 250.000 Fledermäuse an Windkraftanlagen sterben, die meisten davon wandernde Arten. Der Tod kommt entweder durch direkte Kollision mit den Rotorblättern oder durch ein sogenanntes Barotrauma, bei dem starke Luftdruckänderungen in der Nähe der Rotorblätter die inneren Organe der Tiere zerreißen.

Warum die Fledermäuse sich in diese Gefahr begeben, ist bisher nur in Teilen geklärt. 2014 fanden Biologen Indizien dafür, dass zumindest einige Fledermausarten die Windräder schlicht mit großen Bäumen verwechseln.

Um mehr über die fatale Anziehungskraft der Windparks und das Verhalten der Fledermäuse zu erfahren, haben Christian Voigt und seine Kollegen vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin mehrere Große Abendsegler (Nyctalus noctula) mit miniaturisierten GPS-Loggern ausgerüstet. Testgebiet war ein Waldstück in Brandenburg, welches von Agrarland und mehreren Windparks umgeben war.

Besonders anziehend für die Weibchen

Das Resultat: Tatsächlich scheinen die Fledermaus-Weibchen im Frühsommer von den riesigen Anlagen regelrecht angezogen zu werden. Zwei der drei Weibchen kreuzten die Windparks sogar und flogen mitten zwischen den Windrädern hindurch. „Eine Erklärung dafür ist, dass die baumbewohnenden Tiere nach der Wochenstubenphase, in der sie ihre Jungen aufzogen, neue Quartiere suchen und die Anlagen fälschlicherweise für große, abgestorbene Bäume halten“, sagt Voigt.

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Die Fledermaus-Männchen hingegen mieden den Windpark generell. Sie pendelten stattdessen zwischen Jagdhabitat und ihrem Quartier hin und her. „Was daran liegt, dass sie in dieser Zeit bereits feste Quartiere etabliert haben“, so Voigt. Der Luftraum, den die Fledermäuse für ihre Jagdausflüge nutzen, ist dabei überraschend groß, wie die GPS-Daten zeigten: Weibchen flogen oft 30 Kilometer weit, Männchen rund 15.

Flughöhe der Fledermäuse im Verhältnis zur Dichte an Rotorblättern. © C. Voigt/ IZW

Am liebsten Bio-Futter

Leider bestätigte die Studie auch, dass viele Fledermaus-Flüge genau in den Höhen stattfinden, in denen sich die Rotorblätter der meisten Windkraftanlagen drehen: Die typische Flughöhe lag zwischen 0 und 144 Metern Höhe. Die Rotorblätter im Testgebiet lagen in 67 bis 133 Metern Höhe. Überraschend auch: Vereinzelt stiegen Fledermäuse sogar bis in 250 Meter Höhe auf.

Außerdem fanden die Forscher heraus, dass die männlichen Fledermäuse Bio-Nahrung bevorzugen: Sie jagten am liebsten über oder in der Nähe von Anbauflächen der ökologischen Landwirtschaft. Nur 21 Prozent ihrer Flüge fanden über herkömmlichen Agrarflächen statt. Die Weibchen waren etwas weniger wählerisch, dafür mieden sie Waldflächen. Beide Geschlechter jagten zudem häufig an linearen Strukturen, wie zum Beispiel Hecken oder Alleen.

Erst horchen, dann bauen

Nach Ansicht von Voigt und seine Kollegen können ihre Ergebnisse helfen, künftig Fledermäuse vor dem Tod in Windparks zu bewahren. Zum einen sollten Gebiete in der Nähe von Wasserflächen, Wald, ökologischem Landbau und linearen Landschaftselementen bei der Suche nach künftigen Windpark-Standorten ausgenommen werden.

Ob ein potenzieller Standort in einem Fledermausjagdgebiet liegt, lässt sich im Vorfeld mit sogenannten Horchboxen feststellen. Das sind Fledermausdetektoren, die die Anwesenheit von Fledermäusen anhand von Echoortungsrufen automatisch erfassen. „Der Betreiber hat dies in der Regel zu prüfen – aber die daraus resultierenden Auflagen werden zu selten umgesetzt“, sagt Voigt.

Bei wenig Wind – einfach abschalten!

Aber auch bei bereits existierenden Windparks bedarf es nur kleiner Veränderungen im Betrieb, um die Fledermäuse zu schützen, wie die Forscher erklären. Weil die Fledermäuse nur bei Windgeschwindigkeiten von weniger als acht Meter pro Sekunde fliegen, könnten die Rotoren bei diesen geringen Winden einfach abgeschaltet werden. Der Verlust für die Betreiber wäre minimal – er liegt unter einem Prozent, weil die Energieproduktion der Windräder ohnehin erst bei stärkerem Wind nennenswert ansteigt.

„Klimaschutz und Artenschutz lassen sich miteinander vereinbaren“, betont Voigt. „Und das geht ganz einfach, indem man Standorte mit hoher Fledermausaktivität meidet und entsprechende Abschaltzeiten im Betrieb von Anlagen berücksichtigt. Damit ließen sich die Schlagopferzahlen drastisch reduzieren.“ (Scientific Reports, 20ß16; doi: 10.1038/srep28961)

(Forschungsverbund Berlin e.V., 11.07.2016 – NPO)

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