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Evolution

Wie schnell ist die Evolution?

Neues Modell bestimmt den Einfluss zufälliger Mutationen auf die Evolution

Da sich eine Population mit der Zeit immer besser an ihre Umgebung anpasst, verschiebt sich die Verteilung der Fortpflanzungsraten zu immer höheren Werten - hier von niedrig (schwarz) zu hoch (rot). Die genaue Ausbreitung dieser Welle hängt von den seltenen Fluktuationen an der Wellenfront ab. Das Hintergrundbild wurde im Norden Thailands in der Nähe von Chiang Mai aufgenommen. © MPIDS

Seltene Mutationen beeinflussen entscheidend den Verlauf der Evolution – wie stark und wie schnell, konnte jedoch bisher nicht ermittelt werden. Mit einem neuen Modell ist es nun erstmals gelungen, dieses Problem zu lösen. Die jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlichte neue Herangehensweise lässt sich dabei nicht nur auf Evolutionsvorgänge anwenden. Auch für das Verständnis der Geschwindigkeit chemischer Reaktionen und der Ausbreitung von Krankheitserregern bietet die Methode neue Impulse.

Im Verlaufe ihrer Evolution passt sich jede Population ständig ihrer Umgebung an. Schärfere Augen, spitzere Krallen oder eine höhere Ausdauer – oft sind es zufällige Mutationen einzelner Individuen, die am Anfang einer solchen Entwicklung stehen. Erweist sich eine solche Mutation als vorteilhaft im Kampf ums Überleben, können sich ihre Träger schneller und effektiver vermehren. Bisher konnten Wissenschaftler den entscheidenden Einfluss solch seltener Mutationen jedoch nicht präzise mathematisch beschreiben – und somit keine exakten Vorhersagen für die Evolutionsgeschwindigkeit treffen.

Mutationen als „statistische Fluktuationen“

„Die zufälligen Mutationen entsprechen aus mathematischer Sicht statistischen Fluktuationen“, erklärt Oskar Hallatschek vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation (MPIDS) in Göttingen. „Und diese sind in Formeln kaum in den Griff zu bekommen.“ Vernachlässigt man aber diese statistischen Fluktuationen, ergibt sich, dass sich der Anpassungsprozess der Population immer weiter beschleunigt. Dies entspricht jedoch nicht den Beobachtungen in der Natur. Stattdessen gehen Wissenschaftler davon aus, dass sich nach und nach eine konstante Anpassungsgeschwindigkeit einstellt.

Kleine Schwankungen zeigen Lösung

Ein geschickter Kniff verhalf dem Göttinger Forscher nun zum Erfolg. Während ältere Modelle die Anzahl der Individuen innerhalb einer Population als konstant voraussetzen, lässt das Modell von Hallatschek kleine Schwankungen der Populationsgröße zu. „Natürlich begrenzt jeder Lebensraum die Anzahl der Tiere, die dort leben können“, so der Physiker. Dennoch können beispielsweise in einem milden Winter in einem abgeschlossenen Waldgebiet einige Wildschweine mehr überleben als in einer besonders kalten Saison. Diesem Umstand trägt das neue Modell Rechnung. Die Gleichungen nehmen dadurch eine Form an, die sich deutlich leichter lösen lässt.

Übereinstimmung mit Computersimulationen

In einem ersten Schritt konnte Hallatschek diese Methode nun auf die Evolution bestimmter RNA-Viren anwenden. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass Mutationen besonders schnell und häufig auftreten. Insgesamt ergaben die Rechnungen Vorhersagen, die mit bisherigen Computersimulationen gut übereinstimmen.

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Doch auch in anderen Bereichen lässt sich das neue Lösungsverfahren einsetzen. Voraussetzung ist nur, dass sich eine abzählbare Größe – wie etwa einzelne Tiere – wellenartig ausbreitet und an ihrer Wellenfront zufälligen Schwankungen unterliegt. Dies ist auch bei der Verteilung einzelner Ionen bei einer chemischen Reaktion der Fall oder bei der Verbreitung ansteckender Krankheiten durch einzelne kranke Individuen.

(Max-Planck-Gesellschaft, 03.01.2011 – NPO)

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