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Neurobiologie

Wie Nervenzellen ihre Empfindlichkeit regeln

Stellschrauben der Signalstärke entschlüsselt

Die Kommunikation zwischen Nervenzellen unterliegt Steuerungsmechanismen, die viel komplizierter sind als bisher angenommen. Dies haben Forscher in einer neuen Studie herausgefunden. Sie untersuchten darin die Wirkung von vier verschiedenen Proteinen, die unterschiedliche Untergruppen von Glutamatrezeptoren beeinflussen und die Empfindlichkeit des Rezeptors regulieren. Je nachdem, welches Protein mit welcher Untereinheit interagierte, ergaben sich dabei ganz individuelle, teils unerwartete Folgen. Die Ergebnisse könnten neue Ansatzpunkte für die Behandlung von neuronalen Krankheiten liefern, so die Wissenschaftler im „Journal of Neuroscience“.

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Wenn Nervenzellen miteinander kommunizieren, setzt die „Senderzelle“, die eine Nachricht absetzen will, einen Botenstoff frei. Im menschlichen Gehirn ist das meistens die Aminosäure Glutamat, eine Chemikalie, die landläufig aus der Lebensmitteltechnik als Geschmacksverstärker bekannt ist. Dieser Botenstoff diffundiert zur benachbarten „Empfängerzelle“ und bindet dort an ein „Empfängermolekül“, den Glutamatrezeptor. Durch Bindung des Botenstoffes L-Glutamat öffnet dieser Rezeptor ein Membrantor, wodurch es zu einem Einstrom von positiv geladenen Ionen in die Zelle kommt, womit dann „die Botschaft“ in der Empfängerzelle angekommen ist.

Signalstärke und -frequenz anpassen

Zur Steuerung der Empfangsempfindlichkeit, der Signalstärke und der Signalfrequenz, in der die Botschaft kodiert ist, verfügen Nervenzellen über eine ganze Reihe von molekularen Mechanismen, die Signalverarbeitung durch den Rezeptor an bestimmte Erfordernisse anzupassen. Eine Untergruppe der Glutamatrezeptoren, die sog. AMPA- Rezeptoren, haben dazu einen erst kürzlich entdeckten Mechanismus entwickelt, der auf der Rezeptormodulation durch eine neue Klasse von Proteinen beruht, den TAR-Proteinen (TARPs, für transmembrane AMPA- Rezeptor-regulierende Proteine).

Die Familie der TAR-Proteine verändert sowohl die Zahl der Rezeptoren auf einer Empfängerzelle als auch deren spezifische Eigenschaften. „Gegenstand unserer Forschung ist die Veränderung der Stärke und Frequenz der an AMPA-Rezeptoren hervorgerufenen Signale durch TARPs“, erläutert Sabine Kott von der Ruhr-Universität Bochum. „Dieses Thema ist von besonderer Bedeutung, da eine Veränderung der Signalverarbeitung einen kritischen Einfluss auf die Prozessierung von Informationen im Gehirn hat und somit Prozesse wie Denken, Fühlen und Erinnerung beeinflusst.“

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Jede Kombination zeigte ihr eigenes Muster

In der jetzt veröffentlichten Arbeit zeigen die Forscher zum ersten Mal, dass der Einfluss der Interaktion eines TARPs auf einen AMPA- Rezeptor sowohl von dem beteiligten TARP – es gibt vier verschiedene – als auch vom jeweiligen AMPA-Rezeptor abhängt – auch dort gibt es vier verschiedene Gene, sowie zusätzliche Spleiß- sowie Edier-Varianten.

„Jede Kombination zeigte ein ganz individuelles Muster der Auswirkungen der Interaktion. Das war nach den bisher veröffentlichten Daten nicht zu erwarten“, so Prof. Hollmann. In umfangreichen Versuchsreihen an Froscheiern haben die Biochemiker erstmals den Einfluss aller TARPs auf die Erhöhung der Glutamat-induzierten Stromantworten aller vier AMPA-Rezeptoren sowie aller gängigen Spleiß- sowie Edier-Varianten beschrieben. Somit konnten sie auch die bislang unerkannten Auswirkungen von Spleiß- und Edier-Varianten auf die Interaktion von TARPs und AMPA-Rezeptoren definieren.

Unerwartete Komplexität

„Was wir im Gegensatz zu bislang veröffentlichten Publikationen eindeutig nachweisen konnten, ist die Tatsache, dass der Wirkungsgrad der TARPs kritisch von der AMPA-Rezeptoruntereinheit abhängt“, fasst Sabine Kott zusammen. „Ebenso treten bei Kombinationen aus mindestens zwei unterschiedlichen Untereinheiten andere Wirkungsgrade der TARPs auf als bei den jeweiligen homomer vorliegenden Untereinheiten.“ Der Wirkungsgrad der TARPs auf heteromere (gemischte) AMPA- Rezeptorkombinationen ist nicht, wie man erwarten könnte, die Summe oder ein Querschnitt aus den Wirkungsgraden der einzelnen Untereinheiten, was eine unerwartete weitere Komplexitätsebene hinzufügt.

(idw – Ruhr-Universität Bochum, 08.05.2007 – AHE)

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