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Neurobiologie

Wie das Gehirn die Welt sortiert

Schubladendenken wird von zwei verschiedenen Hirnarealen gesteuert

Ordnung ins Chaos bringen - eine der faszinierendsten Fähigkeiten unseres Gehirns © lagereek/ iStock.com

Komplexes Kategoriensystem: Beim Versuch die Welt zu ordnen, wendet das menschliche Gehirn verschiedene Strategien an. Bochumer Neurowissenschaftler haben nun herausgefunden, dass zwei unterschiedliche Hirnareale diese Vorgehensweisen steuern. Eines spielt beim Kategorisieren anhand von Prototypen eine bedeutende Rolle. Das andere greift, wenn wir mit konkreten Beispielen vergleichen müssen. Zwischen beiden Lernmustern bestehe jedoch ein komplexes Wechselspiel, so die Forscher.

Die Welt um uns herum ist komplex und verändert sich ständig. Eine der faszinierendsten Leistungen unseres Gehirns ist es, dieses Chaos zu ordnen und die Informationslast zu reduzieren. Dafür bilden wir Schubladen oder Kategorien, in die wir Neues einsortieren – und wenden dabei verschiedene Strategien an. Wo im Gehirn diese Vorgehensweisen gesteuert werden, hat nun ein Forscherteam um Robert Lech von der Ruhr-Universität Bochum untersucht.

Vogel – oder kein Vogel?

Um zu erkennen, wo das Gehirn aktiv ist, wenn es sortiert, stellten die Neurowissenschaftler einer Gruppe von 28 Probanden eine Kategorisierungsaufgabe und beobachteten dabei deren Gehirnaktivität mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie. Für den Versuch sollten die Teilnehmer Objekte in verschiedene Gruppen einordnen.

Auf diese Weise testeten die Forscher das Vorgehen des Gehirns bei den beiden wichtigsten Einordnungsstrategien, die wir täglich anwenden: die sogenannte Ausnahme-Strategie und die Prototyp-Strategie. Erklären lassen sich diese Methoden mit einem einfachen Beispiel: Wollen wir wissen, ob ein bestimmtes Tier in die Kategorie „Vogel“ passt, nehmen wir zunächst einen abstrakten Vogel als Vergleich und überprüfen das Vorhandensein der wichtigsten Merkmale der Kategorie – zum Beispiel Flugfähigkeit, Schnabel und Federn.

Muss jedoch eine Ausnahme wie ein Strauß oder ein Pinguin kategorisiert werden, funktioniert diese Strategie schlecht. In diesem Fall greift die Ausnahme-Strategie: Wir vergleichen das Tier mit einer Vielzahl ganz unterschiedlich aussehender Tiere, die bereits in die Kategorie eingeordnet wurden. Kurzum: Wir gleichen es mit konkreten Beispielen ab.

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Komplexes Wechselspiel

Der Blick ins Gehirn der Versuchsteilnehmer zeigte: Beide Strategien werden offensichtlich von unterschiedlichen Gehirnarealen reguliert. Ordneten die Probanden Objekte anhand eines Prototyps ein, war vor allem der linke Gyrus fusiformis aktiv. Dieser Bereich des Gehirns ist für das Erkennen abstrakter Objekte zuständig. Beim Abgleichen mit konkreten Beispielen hingegen war der rechte Hippocampus besonders aktiv, ein Areal, das eine wichtige Rolle spielt, wenn Erinnerungen abgerufen werden.

Die Forscher vermuten, dass zwischen beiden Lernmustern ein komplexes Wechselspiel besteht. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass für beide Strategien jeweils eigene Bereiche im Gehirn zuständig sind. Im Verlauf des Lernens haben wir aber auch festgestellt, dass sich der Rhythmus der Aktivierung bei beiden Arealen angleicht. Das deutet darauf hin, dass sich die zu Grunde liegenden Denkprozesse nicht sauber trennen lassen“, erklären die Forscher. Weitere Modelle und Studien sollen dieses Zusammenspiel nun näher untersuchen. (Behavioural Brain Research, 2016; doi: 10.1016/j.bbr.2016.05.049)

(Ruhr-Universität Bochum, 26.07.2016 – DAL)

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