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Genetik

Weizengenom geknackt

Sequenzierung des Brotweizen-Erbguts erleichtert gezielte Züchtung neuer Sorten

Brotweizen ist für ein Drittel der Menschheit das Grundnahrungsmittel - erst jetzt aber wurde sein Genom entschlüsselt. © 751/ iStock.com

Wichtiger Durchbruch: Einem Forscher-Konsortium ist es gelungen, das riesige und komplexe Genom des Brotweizens zu entschlüsseln. Die Kartierung zeigt erstmals Lage und Aufbau von mehr als 100.000 Genen und Millionen von Genmarkern und Steuersequenzen in diesem wichtigen Nutzgetreide. Dies erleichtert nun die Zucht neuer, widerstandsfähiger Weizensorten, die besser gegen den Klimawandel und Pilzkrankheiten gerüstet sind, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.

Weizen (Triticum aestivum) ist eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel der Menschheit. 20 Prozent der weltweiten Kalorien- und Proteinversorgung basiert auf Weizenprodukten – mehr als bei jedem anderen Nahrungsmittel. Doch das Getreide hat es nicht leicht: Es reagiert sensibel auf Hitze und Trockenheit und geht schnell durch Pilzkrankheiten wie den Weizenrost zugrunde. Verschlimmert wird die Lage durch den Klimawandel, der Weizenanbaugebiete empfindlich treffen wird und schon jetzt weltweit Ernteausfälle nach sich ziehen könnte.

Umso dringender ist es daher, entsprechend widerstandsfähige Sorten zu entwickeln. Doch ohne genaue Kenntnis des Weizenerbguts ist es für Züchter schwer, gezielt und vor allem schnell die gewünschten Eigenschaften in die Zuchtstämme einzukreuzen.

Riesig und komplex

Das Problem: Das Weizengenom ist riesig und komplex. Mit rund 16 Milliarden Basenpaaren ist es fünfmal so umfangreich wie das menschliche Genom. Diese enorme Menge an Erbinformationen verteilt sich zudem auf drei Subgenome, die auf 21 Chromosomen liegen. Erschwerend kommt hinzu, dass 85 Prozent des Weizenerbguts aus sich wiederholenden Elementen bestehen. Das macht es schwer, einzelne Stücke des Genoms nach dem Sequenzieren wieder in der richtigen Reihenfolge zusammenzusetzen.

„Die vollständige Sequenzierung des Genoms von Brotweizen wurde lange Zeit für unmöglich gehalten, weil es so enorm groß und komplex ist“, sagt Nils Stein vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben. Er ist Teil des aus mehr als 200 Forschenden bestehenden International Wheat Genome Sequencing Consortium (IWGSC), das sich dieser monumentalen Aufgabe gestellt hat. 13 Jahre lang benötigen die aus mehr als 20 Ländern stammenden Wissenschaftler dafür.

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Das Weizengenom ist extrem groß und komplex - das machte seine Entschlüsselung so schwierig. © IWGSC

Gut 100.00 Gene und Millionen Genmarker

Jetzt ist es endlich soweit: Zum ersten Mal ist das Brotweizen-Genom nahezu vollständig kartiert. Die Sequenzierung der Weizensorte „Chinese Spring“ zeigt die genaue Lage und Zusammensetzung von 107.891 Genen und ihre Verteilung auf die Chromosomen und Subgenome. Zudem identifizierten die Wissenschaftler mehr als vier Millionen molekulare Marker im Erbgut und zahlreiche DNA-Abschnitte, die für die Regulation der Genaktivität beim Weizen zuständig sind.

In begleitenden Analysen gelang es den Forschern bereits, viele Gene und Genkopien bestimmte Funktionen und Geweben oder Zellen zuzuordnen. Sie stellten unter anderem fest, wo genetische Schaltkreise für die Blütezeit liegen und welche Gene eine Rolle für die Widerstandskraft des Getreides gegenüber Krankheiten spielen. Auch Gene für allergieauslösende Proteine des Weizens konnten die Wissenschaftler identifizieren.

Schlüssel zur Anpassungsfähigkeit

„Die Weizengenom-Sequenz gibt uns einen Einblick in den Motor dieses Getreides“, erklärt Rudi Appels von der University of Melbourne. „Was wir sehen, ist ein perfekt zusammengefügtes Erbgut, das dem Weizen vielfältige Variationen und eine Anpassung an verschiedenste Umwelten erlaubt. Gleichzeitig bietet es ihm genügend Stabilität, um unter verschiedenen klimatischen Bedingungen die für sein Überleben fundamentalen Strukturen zu erhalten.“

Ein begünstigender Faktor dafür ist unter anderem die flexible Zahl von Genkopien im Weizengenom, wie die Forscher berichten. Diese variable Zahl von „Sicherheitskopien“ und leicht veränderten Genvarianten könnte es dem Weizen erleichtern, spontan neue Stämme und Sorten zu bilden. In insgesamt sechs Fachartikeln haben die Wissenschaftler des IWGSC ihre Erkenntnisse zum Weizengenom nun zusammengefasst.

Grundlage für neue Weizensorten

„Das kolossale Weizengenom anzugehen war eine Herkules-Aufgabe“, sagt Cristobal Uauy vom britischen John Innes Centre. „Aber unsere Ergebnisse werden nun die gezielte Züchtung von dürretoleranteren oder krankheitsresistenteren Sorten leichter und effektiver machen. Während wir zuvor nur einen groben Überblick hatten, können wir nun dank der neuen Genkarte ins Detail zoomen.“

Wichtig ist die Zucht neuer Weizensorten vor allem deshalb, weil der Bedarf an diesem Grundnahrungsmittel durch die wachsende Weltbevölkerung immer weiter zunimmt. Das IWGSC schätzt, dass bis 2050 jedes Jahr 1,6 Prozent mehr Weizen erzeugt werden müssen, um den steigenden Bedarf der Menschheit zu decken. Dazu beitragen soll in Zukunft auch die Entschlüsselung weiterer, landwirtschaftlich wichtigerer Weizensorten, an der die Wissenschaftler des Konsortiums bereits arbeiten. (Science, 2018: doi: 10.1126/science.aar7191, doi: 10.1126/science.aar6089, Science Advances, 2018; doi: 10.1126/sciadv.aar8602)

(International Wheat Genome Sequencing Consortium (IWGSC), Rothamstead Research, John Innes Centre, Helmholtz Zentrum München, 17.08.2018 – NPO)

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