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Biologie

Was Wale vor der Taucherkrankheit schützt

Neue Hinweise auf eine raffinierte Anpassung der Lungenarchitektur bei Meeressäugern entdeckt

Wale können unter Wasser in extreme Tiefen vordringen - warum bekommen sie beim Auftauchen nicht die Taucherkrankheit? © Baptiste Le Bouil/ iStock.com

Ans Tauchen angepasst: Anders als der Mensch bekommen Meeressäuger äußerst selten die Taucherkrankheit. Forscher haben nun neue Erkenntnisse darüber erlangt, wie Wale und Co dies bewerkstelligen. Ihrer Hypothese zufolge kollabiert die Lunge der Tiere entgegen bisheriger Vorstellungen beim Tauchen nicht vollständig. Stattdessen fällt nur ein Teil des Atemorgans zusammen. Der andere bleibt mit Luft gefüllt, wird aber nur wenig durchblutet.

Jeder Taucher kennt sie ganz genau – die Dekompressionskrankheit. Sie entsteht, wenn man sich am Ende eines Tauchgangs zu schnell in Richtung Wasseroberfläche bewegt. Der Grund: Beim Tauchen ist der Körper hohem Druck ausgesetzt, wodurch sich viel Stickstoff im Blut löst und auch ins Gewebe gelangt. Beim schnellen Auftauchen nimmt die Löslichkeit dieses Gases aufgrund des schwindenden Drucks plötzlich ab. Dadurch bilden sich Stickstoffblasen. Dieser Effekt ist für den Organismus fatal und kann zu Schäden bis hin zum Tod führen.

Ans Tauchen angepasst

Meeressäuger haben dieses Problem dagegen in der Regel nicht. Doch warum ist das so? Wissenschaftler wissen schon länger, dass sich Wale, Seelöwen und Co mit einem raffinierten Trick vor der Taucherkrankheit schützen: Wenn die Tiere besonders tief tauchen, kollabiert durch den Wasserdruck ihre Lunge. Auf diese Weise wird die Stickstoffaufnahme ins Blut begrenzt, sodass sich beim raschen Wiederauftauchen weniger Blasen bilden.

Delfine und andere Meeressäuger scheinen über spezielle strukturelle Anpassungen der Lunge zu verfügen. © Lance Wills/ Woods Hole Oceanographic Institution

Wissenschaftler um Daniel Garcia Párraga von der Fundación Oceanogràfic im spanischen Valencia haben sich diesem Phänomen nun noch einmal genauer gewidmet – und Hinweise darauf gefunden, dass die bisherige Erklärung nicht das ganze Geheimnis der Tiere ist. Für ihre Studie analysierten die Forscher Ergebnisse unterschiedlicher Untersuchungen an Meeressäugern und Schildkröten. Außerdem werteten sie Computertomografie-Aufnahmen von einem toten Delfin, einer Robbe und einem Hausschwein aus, die in eine Überdruckkammer gelegt worden waren.

Nicht vollständig kollabiert

Dabei zeichnete sich ab: Offenbar verfügen Meeressäuger – anders als etwa Schweine – über spezielle Anpassungen der Lungenarchitektur, durch die sich das Atemorgan in zwei unterschiedliche Bereiche gliedern kann: eine mit Luft gefüllte und eine kollabierte Region. Das Team glaubt, dass beim Tauchen ein Großteil des Blutes durch den kollabierten Bereich der Lunge fließt.

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Dadurch entsteht eine Störung des sogenannten Ventilations-Perfusions-Verhältnisses, also des Verhältnisses zwischen Lungenbelüftung und -durchblutung. Was beim Menschen nicht gewollt ist, führt bei den Meeressäugern offenbar dazu, dass zwar geringe Mengen Sauerstoff und Kohlendioxid in den Blutkreislauf fließen, aber kein Stickstoffaustausch stattfindet. Das sei möglich, weil die Gase unterschiedliche Löslichkeiten im Blut besitzen, so die Forscher.

Stört Stress den Schutzmechanismus?

Dieser Mechanismus könnte die Tiere vor einer übermäßigen Stickstoffaufnahme schützen und damit das Risiko minimieren, Schäden davonzutragen. „Übermäßiger Stress, zum Beispiel durch menschengemachten Lärm, könnte allerdings zum Versagen des Systems führen und den Blutfluss durch den mit Luft gefüllten Bereich steigern“, konstatiert Párraga. „Dies würde den Gasaustausch erhöhen und als Folge würde sich mehr Stickstoff im Blut und im Gewebe anreichern.“

Tatsächlich sind auch Wale und andere Meeressäuger nicht hundertprozentig vor der Taucherkrankheit gefeit, wie neuere Erkenntnisse belegen. Auch sie können unter bestimmten Umständen beim Tauchen krank werden – möglicherweise ist das sogar die Ursache für manche Massenstrandungen der Tiere.

Die Wissenschaftler wollen deshalb in Zukunft genauer erforschen, ob und wie sich Durchblutungs- und Ventilationsmuster der Lunge durch unterschiedliche Stressoren beim Tauchen verändern. (Proceedings of the Royal Society B, 2018; doi: 10.1098/rspb.2018.0482)

(Woods Hole Oceanographic Institution, 25.04.2018 – DAL)

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