Anzeige
Biologie

Was Katzen ihre Streifen verleiht

Forscher identifizieren Gen für Farbmuster des Katzenfells – und bestätigen Turings Theorie

getigerte Katze
Welcher molekulare Mechanismus steckt hinter den regelmäßigen Streifen des Katzenfells? © step2626/ Getty images

Streifen, Flecken und subtile Übergänge: Das Fell der Katzen weist ganz unterschiedliche Muster auf. Wie sie entstehen, haben nun Forscher erstmals aufgeklärt. Demnach bestimmt ein einziges Gen, Dickkopf 4, schon lange vor der Bildung der ersten Haare oder Follikelzellen, wo später dunkles Fell wächst und wo nicht. Der Mechanismus dieser Musterbildung bestätigt  eine Theorie des berühmten Computerpioniers und Mathematikers Alan Turing.

Ob die Streifen des Tigers, die dunklen Tupfen des Leoparden und Geparden oder die vielfältigen Fellzeichnungen unserer Hauskatzen: Die Familie der Katzenartigen hat im Laufe ihrer Evolution unzählige Variationen an Fellmustern hervorgebracht. Verantwortlich dafür ist die Pigmentproduktion der in der Haut sitzenden Follikelzellen. „Die Gene, die einfache Farbvarianten wie schwarzes Fell oder Albinismus steuern, sind in allen Säugetieren die gleichen“, erklärt Seniorautor Gregory Barsh vom HudsonAlpha Institute for Biotechnology in Alabama.

Das Rätsel der alternierenden Muster

Doch welche Gene, Mechanismen und Moleküle hinter den regelmäßigen Streifen und Tupfenzeichnungen der Katzen steckten, war bislang unklar. Einer der Gründe dafür: Die klassischen Modelltiere wie Mäuse und Ratten haben diese komplexen Farbmuster nicht. Wie solche alternierenden Muster zustande kommen, darüber grübelte schon der Mathematiker und Computerpionier Alan Turing – und kam zumindest theoretisch auf eine Lösung.

Turing postulierte 1952 den sogenannten Reaktions-Diffusions-Mechanismus als Grundlage der Musterbildung. Nach diesem werden in der Haut zwei verschiedene Moleküle produziert – ein Aktivator und ein Inhibitor. Der Aktivator bringt die Zellen dazu, dunkle Pigmente zu bilden. Gleichzeitig löst dies die Bildung des Hemmstoffs aus, der sich schneller und weiter in die umliegenden Hautzonen ausbreitet und dort die Produktion des Aktivators stoppt – als Folge bleiben diese Hautpartien hell.

Die Gene und Moleküle hinter diesem Mechanismus blieben zumindest für die Katzen aber bisher unbekannt.

Anzeige

Hautverdickungen schon lange vor den Fellstreifen

Das hat sich nun geändert. Für ihre Studie gingen Barsh und sein Team zunächst auf Katzenjagd – zumindest indirekt. Denn sie wandten sich an ein Projekt zur Sterilisation von Streunerkatzen, um an Gewebeproben von normalerweise entsorgten Katzenembryos zu kommen. Als sie deren Haut untersuchten, stellten sie fest, dass sie schon vor Bildung der ersten Pigmentzellen und Follikel auffallende Dickenunterschiede zeigt: Dort, wo später ein dunkler Fellstreifen entsteht, war die Haut des Embryos dicker.

„Diese Beobachtung deutet darauf hin, dass die Zellen schon vor Einwanderung der Melanozyten in die Epidermis dazu prädestiniert sind, später eine bestimmte Fellfarbe zu bilden“, sagt Barshs Kollegin Kelly McGowan. Um herauszufinden, wodurch diese Differenzierung schon der embryonalen Zellen gesteuert wird, analysierte Erstautor Christopher Kaelin die Genaktivität in den einzelnen Hautzellen der Katzenembryos. Dabei passte er einen Zeitpunkt unmittelbar vor der Ausbildung der dicken und dünnen Zonen ab.

Dickkopf 4 als Turings Inhibitor

Die Analysen enthüllten: In den Hautbereichen, die sich später verdicken und noch später dunkle Fellzonen zeigen, sind bestimmte Gene besonders aktiv. Sie produzieren unter anderem den Wachstumsfaktor Wnt. Dieser fördert die Verdickung der Haut und die Entstehung von Follikeln mit dunklem Pigment.

Parallel dazu ist jedoch ein weiteres Gen in diesen Zonen hochreguliert: Das Gen Dickkopf 4 (Dkk4) erzeugt ein Protein, das sich schnell ins Umfeld ausbreitet und dort als Hemmstoff wirkt: Es unterdrückt die Aktivität der Wnt-Gene in den Nachbarbereichen der Haut. „Damit fungieren diese Moleküle, darunter auch Dkk4, als Aktivatoren und Inhibitoren – genauso, wie es Turing in seinem Reaktions-Diffusions-Modell vor 70 Jahren vorhergesagt hat“, sagt Kaelin.

Abessinier
Abessinierkatzen haben keine Streifen oder Schecken, sondern in sich gebänderte Haare. © Martin Bahmann/ CC-by-sa 3.0

Erklärung auch für das getickte Fell der Abessinier

Die Genanalysen enthüllten auch, wie die ungewöhnliche Fellfärbung einiger Katzenrassen wie der Abessinier- oder der Ceylon-Katze entstehen. Bei diesen Katzen sind alle Streifen oder Tupfer unterdrückt, dafür sind die einzelnen Haare gebändert – dies wird auch als „Ticking“ bezeichnet. Wie Kaelin und seine Kollegen herausfanden, tragen diese Katzen neben den schon bekannten Mutationen im Agouti-Gen auch eine Mutation des Dickkopf4-Gens, das die Funktion dieses molekularen „Abstandshalters“ stört.

Als Folge ist die Pigmentproduktion der Haut bei diesen Katzen nicht in regelmäßigen Zonen an- oder abgeschaltet, sondern dichter und unregelmäßiger verteilt. Das führt zum Fehlen von Streifen oder Tupfen und verursacht stattdessen gebänderte Haare. „Die typischen Muster sind in ihrer Größe geschrumpft und haben sich so stark vervielfacht, dass sie nicht mehr als Streifen oder Punkte erkennbar sind“, erklärt Barsh. (Nature Communications, 2021; doi: 10.1038/s41467-021-25348-2)

Quelle: HudsonAlpha Institute for Biotechnology

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Gezüchtete Diamanten

Erste Diamanten unter Normaldruck erzeugt

Neuer Stammbaum für die Blütenpflanzen

Könnte dieses Riesenvirus zum Heilmittel werden?

Wie lebten die Awaren?

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Alan Turing - Genialer Computerpionier und tragischer Held

Bücher zum Thema

Fantastisches Tierreich - Zwischen Legende und Wirklichkeit von John Downer

Top-Clicks der Woche