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Medizin

Was das Immunsystem über Brustkrebs verrät

Bessere Prognose bei Tumoren mit mehr Immunzellen

Wissenschaftler haben die Bedeutung des Immunsystems bei Brustkrebs entschlüsselt. Demnach haben Patientinnen mit bestimmten Brusttumoren eine bessere Prognose, wenn im Tumor vermehrt Immunzellen vorhanden sind. Durch diese jetzt in der Fachzeitschrift „Cancer Research“ veröffentlichte Erkenntnis gibt es neben Östrogenrezeptoren und Tumorwachstum nun einen dritten wichtigen Anhaltspunkt für die Prognose des Krankheitsverlaufs.

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In der Vergangenheit haben Mediziner intensiv nach Kriterien und Faktoren gesucht, die eine verlässliche Aussage zur Prognose bei Brustkrebs ohne Befall der Achsellymphknoten erlauben. Zwei Faktoren kristallisierten sich dabei im Laufe zahlreicher Studien heraus: die Ausprägung des Östrogenrezeptors und die Proliferation, also die Teilungsrate der Tumorzellen. Je mehr Östrogenrezeptor bei einer Patientin nachweisbar war, desto besser die Prognose, je höher die Proliferation – also desto schneller sich die Zellen teilten – desto schlechter die Prognose. Eine gute oder schlechte Prognose wird dabei durch das Auftreten früher Fernmetastasen in Leber, Lunge oder Knochen innerhalb von fünf Jahren definiert.

Dritter Faktor schließt Lücke

„Durch dieses System mit den beiden Achsen Östrogenrezeptor und Proliferation ließ sich aber nicht die Prognose aller Tumoren zuverlässig ableiten“, erläutert Dr. Marcus Schmidt, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Frauenkrankheiten der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. „Insbesondere eine Gruppe von Tumoren, die trotz hoher Proliferation und niedrigem Östrogenrezeptor-Spiegel – nach bisherigem Verständnis Kriterien für eine schlechte Prognose – keine frühen Metastasen bildeten, gab hier Rätsel auf und war mit dem bisherigen Wissensstand nicht zu erklären. Dieses teils lückenhafte Bild der Prognose beim Brustkrebs konnten wir nun anhand eines dritten Kriteriums – des Immunsystems – zu einem schlüssigen Bild vervollständigen.“

Genexpression verrät Immunzell-Aktivität

Dem Immunsystem auf die Spur kamen die Wissenschaftler mit Hilfe der so genannten Genexpressions-Analyse. Dabei kann eine Vielzahl von Genen im Hinblick auf ihre Aktivität im Tumorgewebe identifiziert und charakterisiert werden. „Insgesamt können wir uns mit dieser Methode die Ausprägung von mehr als 14.500 verschiedenen Genen – also ihre Expression – anschauen“, erklärt Schmidt.

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„In Zuge dieser Untersuchungen mit Gewebematerial von 200 Patientinnen stießen wir auf eine Gruppe von Genen, die imstande war, die bisher unverständlich gute Prognose bei einer bestimmten Gruppe sich schnell teilender Tumoren zu erklären. Diese Gene konnten wir vor allem Zellen des Immunsystem – B-Zellen und T-Zellen – zuordnen. Waren vermehrt solche Immunzell-Transkripte vorhanden, war auch die Prognose besser – gerade auch bei solchen Tumoren, bei denen man aufgrund der hohen Proliferation eigentlich eine schlechte Prognose erwartet hätte.“

Ergebnis durch weitere Studien bestätigt

Zur Absicherung und Bestätigung ihrer Ergebnisse haben die Mainzer Wissenschaftler darüber hinaus die Daten zweier weiterer Patientenkollektive analysiert, deren Genexpressionsdaten veröffentlicht und damit zugänglich sind – beide Male mit gleichem Ergebnis wie beim Mainzer Patientenkollektiv. Insgesamt haben sie somit auf die Gewebeproben von 788 Patientinnen zurückgegriffen.

„Dies ist für uns die Bestätigung, dass das Immunsystem bei der Prognose von Brustkrebs eine fundamentale Rolle spielt und eine ähnlich hohe Aussagekraft besitzt wie die Teilungsrate der Tumorzellen“, resümiert Marcus Schmidt. „Unsere Arbeiten dürften damit die beim Brustkrebs lange vernachlässigte Rolle des Immunsystems in den Fokus des Interesses rücken – als Ergänzung und Vervollständigung der bisher bekannten Faktoren Östrogenrezeptor und Proliferation.“

Argument für Krebs-Impfung

Die Bedeutung dieser Befunde geht nach Ansicht von Schmidt jedoch über eine verbesserte Charakterisierung und prognostische Abschätzung bei nodal-negativen Brusttumoren hinaus. So ist der beobachtete schützende Einfluss von Immunzellen, die im Tumor bereits natürlich vorkommen, ein klares Argument, mit Impf-Strategien diese prognostisch günstige Rolle des Immunsystems bei Brustkrebs zusätzlich therapeutisch zu nutzen.

(Universität Mainz, 10.06.2009 – NPO)

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