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Neurobiologie

Warum wir nach dem Sport weniger Hunger haben

Neuronen im Hypothalamus reagieren auf Anstieg der Körpertemperatur und hemmen den Appetit

Nach dem Sport haben wir häufig weniger Appetit. Forscher haben nun die Ursache dafür im Gehirn gefunden. © Antonio Diaz / iStock.com

Viel Bewegung, weniger Appetit: Sport verbrennt nicht nur Kalorien, sondern zügelt auch unseren Hunger. Forscher haben nun im Hirn von Mäusen eine mögliche Ursache dafür entdeckt: Im Hypothalamus befinden sich Appetit unterdrückende Neuronen, die einen hitzeempfindlichen Rezeptor besitzen. Steigt die Körpertemperatur durch Bewegung an, fangen diese Neuronen an zu feuern. Als Folge nahmen die Nager deutlich weniger Futter zu sich, wie das Team berichtet.

Wenn wir intensiv Sport treiben, produzieren unsere Muskeln Wärme und unsere Körpertemperatur steigt – wir schwitzen. Das ist nichts Neues. Vielen Sportlern fällt aber noch etwas auf: Direkt nach dem Workout haben sie weniger Hunger als sonst. Das Prinzip ist gut bekannt, seine physiologischen Ursachen jedoch nicht. Eine heißer Kandidat für den Appetitverlust ist der Hypothalamus. Die kleine Region im Vorderhirn verarbeitet viele Signale des Körpers, etwa Hormonspiegel und Körpertemperatur, und sie steuert unser Hungergefühl.

Um Signale wahrzunehmen, besitzen Neuronen Rezeptoren: Wer sich schon einmal verbrannt oder eine besonders scharfe Chili-Schote gegessen hat, hat am eigenen Leib erfahren, dass der Körper Neuronen mit hitzesensiblen Rezeptoren besitzt, sogenannte TRVP1-Rezeptoren. Diese Neuronen reagieren sowohl auf Hitze als auch auf Capsaicin, den Scharfmacher in Chilis und anderen scharfen Lebensmitteln. Könnten derartige Hitzerezeptoren im Hypothalamus vorhanden sein und die Körpertemperatur mit dem Hungergefühl verbinden?

Den Appetit unterdrückende Neuronen feuern bei Hitze

Um dies zu untersuchen, haben Jae Hoon Jeong vom Albert Einstein College in New York und seine Kollegen sich die Neuronen des Nucleus arcuatus, einer Region des Hypothalamus, von Mäusen ganz genau angeschaut. Dort befinden sich den Appetit unterdrückende, sogenannte POMC-Neuronen. Könnten diese Neuronen den TRVP1-Rezeptor tragen und somit Temperatur wahrnehmen?

Tatsächlich fanden die Forscher heraus, dass ein Großteil der POMC-Neuronen in der Zellkultur den TRVP1-Rezeptor exprimierten. Sie konnten das Protein durch Antikörper nachweisen. Um sich zu vergewissern, fuhren die Wissenschaftler die Temperatur in den Petrischalen langsam nach oben: Ab 38 Grad Celsius fingen die POMC-Neuronen plötzlich an zu feuern – sie waren demnach hitzeempfindlich. Schalteten die Forscher den Rezeptor mit einem Wirkstoff jedoch gezielt aus, hatte die Temperatur keinerlei Wirkung mehr auf die neuronale Aktivität.

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Die Wissenschaftler injizierten das Capsaicin in den Nucleus arcuatus (ARC) des Hypothalamus. POMC-Neuronen sind mit GFP markiert. © Jeong et al., 2018, PLOS Biology

Workout und Capsaicin hemmen den Appetit

Als nächstes untersuchten die Forscher, ob die POMC-Neuronen und ihre TRVP1-Rezeptoren den Appetit von Mäusen reduzierten. Dafür schickten sie die Nager für 40 Minuten aufs Laufrad. Beim Laufen stieg deren Körpertemperatur innerhalb von 20 Minuten rapide von 36 auf 38,5 Grad Celsius an und blieb auf diesem Niveau. Tatsächlich zeigte sich: Nach dem Workout fraßen die verausgabten Mäuse nur noch halb so viel wie ihre untrainierten Artgenossen.

Den Wissenschaftlern gelang es, diesen Effekt mit dem Capsaicin aus Chili-Schoten zu kopieren. Dafür injizierten sie den Mäusen die Substanz direkt ins Gehirn und aktivierten so die POMC-Neuronen. In den nächsten zwölf Stunden nahmen die Mäuse nun deutlich weniger Futter zu sich. Wenn die Wissenschaftler den TRVP1-Rezeptor mit einem chemischen Inhibitor oder mithilfe genetischer Methoden blockierten, blieb der Effekt hingegen aus. Capsaicin hatte schon in früheren Tierversuchen gezeigt, dass es gegen Übergewicht hilft: Es scheint bei Mäusen den Fettstoffwechsel anzukurbeln.

„Unsere Studie beweist, dass die Körpertemperatur als biologisches Signal für das Essverhalten wirkt, genauso wie Hormone und Nährstoffe es tun“, fasst Seniorautor Young-Hwan Jo vom Albert Einstein College zusammen. Ihm zufolge könnten die neuen Ergebnisse zu neuen Ansätzen führen, die dabei helfen, den Appetit zu unterdrücken und Gewicht zu verlieren. (PLOS Biology, 2018; doi: 10.1371/journal.pbio.2004399)

(Albert Einstein College of Medicine, 25.04.2018 – YBR)

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